„Situation ist ernst“
„Gespött der Nation“: Betriebsratschefin Cavallo attackiert VW-Chefs – Dividende soll schrumpfen
Der Streit um harte Einschnitte bei VW droht zu eskalieren. Konzernchef Blume verteidigt den Sparkurs. Betriebsratschefin attackiert die Chefetage. VW werde zum „Gespött“.
Update vom 5. Dezember, 16:10 Uhr: Wegen der geringeren Gewinnaussichten will Volkswagen im Jahr 2024 eine geringere Dividende zahlen. Bis Ende September sei das Ergebnis je Aktie um ein Drittel gesunken, erklärte der Finanzchef Arno Antlitz am Donnerstag bei einer Konferenz in London. Entsprechend niedriger müsse die Dividende ausfallen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, halte der Konzern an seiner Richtschnur fest, 30 Prozent des Nettoergebnisses an die Aktionäre auszuschütten. Analysten erwarten einen Rückgang des Ergebnisses je Aktie um 26 Prozent – und eine entsprechend sinkende Dividende von 6,75 Euro je Anteilsschein.
Antlitz gab außerdem an, dass es bei Volkswagen zu Werksschließungen und Personalabbau kommen könnte. „Heute sind unsere Werke nicht wettbewerbsfähig“, sagte er. „Ohne Verbesserung der Effizienz und Leistung können wir das derzeitige Beschäftigungsniveau nicht halten.“
Volkswagen ist „in Gefahr“ – Betriebsrat will noch vor Weihnachten eine Einigung
Update vom 4. Dezember, 13.23 Uhr: Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo hat die VW-Chefetage bei der Betriebsversammlung erneut scharf kritisiert. „Ganz Volkswagen, wie wir es kennen, ist in Gefahr“, erklärte sie. Die ganze Automobilbranche stecke gerade in der Krise und baue Tausende Stellen ab. Nur Volkswagen sei dagegen zum „Gespött der Nation“ geworden, zitierte der Spiegel die Gewerkschafterin.
Cavallo hat die VW-Führung zu Zugeständnissen aufgefordert. „Es ist am Vorstand, wie es hier weitergeht vor Weihnachten. Entweder raufen wir uns zusammen und fangen an, ernsthaft Kompromisse in Angriff zu nehmen. Und zwar auf beiden Seiten“, erklärte Cavallo. „Oder aber der Vorstand beharrt auf seinem Standpunkt, und es eskaliert.“
Die Betriebsratschefin strebt eine Einigung in diesem Jahr an. „Wir wollen das hier vor Weihnachten zu einem guten Ende bringen.“ Voraussetzung sei aber, dass die VW-Spitze von ihren bisherigen Forderungen ablasse. „Ohne, dass sich beide Seiten aufeinander zubewegen, wird es kein Verhandlungsergebnis geben.“ Die IG Metall sei mit ihren Sparvorschlägen einen Schritt auf das Unternehmen zugegangen. Jetzt erwarte sie auch vom Unternehmen ein Entgegenkommen, sagte Cavallo. Bisher beharre die Konzernspitze auf ihren Maximalforderungen. Werksschließungen, Massenentlassungen und Einschnitte ins monatliche Entgelt kämen für die Arbeitnehmerseite weiterhin nicht infrage.
Update vom 4. Dezember, 12.01 Uhr: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fordert einen Erhalt der Arbeitsplätze. „Ich habe an das, was jetzt passiert, klare Erwartungen“, sagte Heil laut Teilnehmern bei einer VW-Betriebsversammlung. Es müsse gemeinsam gelingen, die VW-Standorte in Deutschland zu sichern, so Heil, womit er laut Teilnehmern starken Beifall erhielt. „Zweitens, es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben“, sagte Heil. „Das ist ganz klar.“
Die Sozialpartnerschaft bei Volkswagen müsse sich in dieser Stunde bewähren. „Ich weiß als Arbeitsminister, Sozialpartnerschaft, das ist keine romantische Kuschelveranstaltung“, räumte der Politiker ein. Es gehe um harte, auch unterschiedliche Interessen. Doch faire Lösungen seien zentral. „Der langfristige wirtschaftliche Erfolg dieses Unternehmens geht nur mit den Beschäftigten dieses Unternehmens - und nicht gegen sie“, so der Arbeitsminister der rot-grünen Übergangsregierung. „Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Volkswagen, das sind Menschen mit Rechten, und das sind keine Kostenstellen mit Ohren!“
Von der VW-Führung unter Konzernchef Oliver Blume forderte der Arbeitsminister, dass sie Investitionen, die die Zukunft der Standorte sicherten, sichergestellt werden. Angesichts der seit Monaten ohne Annäherung verlaufenden Tarifgespräche sagte der SPD-Politiker: „Diese drei Punkte, die Sicherung von Standorten, die Sicherung von Beschäftigung und die Sicherung der Zukunft des Unternehmens, das muss am Ende raus kommen.“
Update vom 4. Dezember, 11.45 Uhr: Volkswagen-Chef Oliver Blume verteidigt auf der Betriebsversammlung den verschärften Sparkurs. „Die aktuelle Situation ist ernst“, sagt Blume laut einer Mitteilung bei dem Belegschaftstreffen im Wolfsburger Stammwerk. „Deshalb braucht es dringend Maßnahmen, um die Zukunft von Volkswagen abzusichern.“ Der Wettbewerbsdruck steige, zugleich schrumpfe die Nachfrage. „Dazu kommt: Unsere Arbeitskosten sind in Deutschland inzwischen zu hoch geworden“, sagt Blume.
„Wir sind gemeinsam an einer Lösung interessiert“, betonte der VW-Chef. Deshalb müsse weiter verhandelt und gemeinsam an messbaren und nachhaltigen Lösungen gearbeitet werden. Das von der IG Metall vorgelegte Gegenkonzept für Einsparungen ohne Werkschließungen reiche hier bei weitem nicht aus. Es könne aber ein „Startpunkt“ sein, sagt der VW-Chef.
„Unsere Produkte sind gut, jetzt müssen wir mit den Kosten runter – in allen Bereichen“, fordert Blume. „Wir können die besten Autos der Welt bauen – das spielt aber keine Rolle, wenn wir damit kein Geld verdienen.“
Update vom 4. Dezember, 10.53 Uhr: Bei der VW-Betriebsversammlung in Wolfsburg gab Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an, dass er klare Erwartungen an die anstehenden Verhandlungen hat. „Dies ist die Stunde, in der sich die Sozialpartnerschaft in Deutschland bei Volkswagen bewähren muss!“, teilte er im Nachrichtendienst X mit.
Update vom 4. Dezember, 09.24 Uhr: Nach den flächendeckenden Warnstreiks am Montag ist bei Volkswagen heute mit einer turbulenten Betriebsversammlung zu rechnen. Konzernchef Oliver Blume dürfte mit lautstarkem Protest empfangen werden, wenn er am Vormittag vor die Belegschaft tritt. Auf dem Treffen soll er den Unternehmensbericht halten, wie der Betriebsrat ankündigte. Daneben wird auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) als Gastredner erwartet.
Von Betriebsratschefin Daniela Cavallo, die zu der Versammlung eingeladen hat, werden klare Worte gegen den massiven Sparkurs des Konzerns erwartet. Der Betriebsrat rechnet mit „enormem Interesse“ der um ihre Zukunft bangenden Belegschaft. Vorsorglich soll die nicht öffentliche Versammlung per Videoleinwand nach draußen übertragen werden, falls die Plätze in Halle 11 nicht ausreichen.
Warnstreiks legen VW lahm – Betriebsratchefin Cavallo fordert „Bewegung“
Update vom 2. Dezember, 17.30 Uhr: VW-Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo forderte „Bewegung“ von der Geschäftsleitung. „Verantwortung für einen Verhandlungskompromiss gelingt immer nur, wenn sich beide Seiten aufeinander zu bewegen“, sagte sie bei der Streikkundgebung in Wolfsburg.
Auch VW-Aktionäre müssten einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten, erklärte Cavallo. Sie lobte die Einstellung des zweitgrößten Volkswagen-Aktionärs, dem Land Niedersachsen. Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) habe klar gemacht, dass die Dividende für das Land nicht entscheidend sei. „Meine Erwartungshaltung ist, dass diese Einstellung auch bei den anderen Hauptaktionären vorhanden ist.“ Die kommende Verhandlungsrunde am 9. Dezember dürfte laut Cavallos Redemanuskript eine „Weichenstellung“ bringen: „Annäherung oder Eskalation?“
Wut bei VW in Baunatal: „Menschen sind sauer und haben Angst“
Update vom 2. Dezember, 15.17 Uhr: Die Wut und Angst bei Volkswagen in Baunatal ist spürbar. „Die Menschen sind sauer und haben Angst“, erklärte der erste Bevollmächtigte der IG Metall Nordhessen, Oliver Dietzel. Niemand wisse, wie es weitergehe. „Und wir stehen kurz vor Weihnachten. Da hätten wir natürlich gerne Klarheit. Bislang wissen wir vom Vorstand aber nur, was alles nicht geht. Er hat noch keinen Vorschlag gemacht, was gehen könnte.“ Eine baldige Lösung des Konfliktes sei natürlich wünschenswert, ergänzte eine Beschäftigte. „Aber ich glaube nicht daran. Dafür ist die Eskalationsspirale schon viel zu sehr in Fahrt.“
Update vom 2. Dezember, 12.27 Uhr: An fast allen deutschen Standorten legten am Vormittag mehr als zehntausend Mitarbeiter zeitweise die Arbeit nieder. Der heutige Ausstand schmerze Volkswagen, sagte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger in Wolfsburg. „Aber das ist nur eine Warnung!“ Sollte Volkswagen weiter auf seinen Maximalforderungen bestehen, drohe eine weitere Zuspitzung.
Die nächste Verhandlungsrunde in einer Woche werde hier eine Weichenstellung bringen, sagte Betriebsratschefin Cavallo. In Zwickau erklärte der dortige IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze: „Wir werden erbittert kämpfen um jeden Arbeitsplatz.“ Mit seiner Sparankündigung vor drei Monaten habe der Vorstand den Laden Volkswagen angezündet. „Jetzt brennt dieser Laden lichterloh.“
Warnstreiks bei VW: IG Metall rechnet mit hoher Beteiligung in Baunatal
Update vom 2. Dezember, 10.28 Uhr: Im zweitgrößten VW-Werk Kassel-Baunatal haben am Montagmorgen die Vorbereitungen für einen umfassenden Warnstreik begonnen. Die Flugblätter mit dem Aufruf seien den Gewerkschaftern am Morgen geradezu aus den Händen gerissen worden, berichtet der IG-Metall-Bevollmächtige Nordhessen, Oliver Dietzel. „Es gibt ein Riesen-Interesse und wir rechnen mit einer sehr hohen Beteiligung.“
Update vom 2. Dezember, 09.52 Uhr: In Zwickau sind jetzt die ersten Mitarbeiter in den Ausstand getreten. Um 9.30 Uhr legten im Zwickauer Werk die ersten Mitarbeiter die Arbeit nieder und machten sich auf den Weg zu einer geplanten Kundgebung, wie ein dpa-Reporter beobachtete. Um zehn Uhr sollen weitere Standorte folgen, darunter das Stammwerk in Wolfsburg.
Warnstreiks bei VW an neun Standorten: IG Metall erhöht Druck
Erstmeldung vom 2. Dezember, 09.15 Uhr: Wolfsburg – Die IG Metall ruft für heute zu Warnstreiks an neun der zehn deutschen Volkswagen-Standorte auf. Beginnen soll der Ausstand um 9.30 Uhr in Zwickau, ab 10 Uhr folgen Wolfsburg und weitere Standorte, wie die Gewerkschaft mitteilte. Betroffen sind neben Zwickau und Wolfsburg die Werke in Hannover, Emden, Kassel-Baunatal, Braunschweig, Salzgitter und Chemnitz sowie die „Gläserne Manufaktur“ in Dresden.
In allen betroffenen Fabriken werde die Produktion „temporär auf Eis liegen“, kündigte Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger an. Beginnen soll der Ausstand an den meisten Standorten zeitgleich mit Wolfsburg um 10.00 Uhr, Dresden und Kassel-Baunatal folgen um 12.00 Uhr und 12.30 Uhr.
Der Warnstreik werde jeweils rund zwei Stunden dauern und danach in jeder Schicht wiederholt werden, sagte ein Sprecher. Dazwischen werde normal produziert.
Erst am Wochenende war bei Europas größtem Autobauer die Friedenspflicht ausgelaufen, in der Arbeitskämpfe nicht erlaubt waren. „Nun folgen Warnstreiks, die das Unternehmen nicht übersehen kann“, sagte Gröger. „Wenn nötig, wird das einer der härtesten Konflikte, den Volkswagen je gesehen hat.“
In Wolfsburg ist am Vormittag eine Kundgebung direkt am Vorstandshochhaus geplant, auf der Verhandlungsführer Gröger und Betriebsratschefin Daniela Cavallo sprechen wollen. Weitere Kundgebungen soll es unter anderem in Zwickau, Emden, Chemnitz, Dresden und Salzgitter geben, in Hannover und Braunschweig mit vorherigen Demonstrationszügen.
Warnstreiks bei VW: Keine Einigung bei Tarifverhandlungen
In dem Konflikt geht es um die Bezahlung der rund 120.000 Beschäftigten in den Werken der Volkswagen AG, wo ein eigener Haustarif gilt. Hinzu kommen mehr als 10.000 Mitarbeiter bei VW Sachsen, für die 2021 eine Angleichung an den Haustarif vereinbart wurde.
VW lehnt bisher jede Erhöhung ab und fordert wegen der schwierigen Lage des Konzerns stattdessen zehn Prozent Lohnkürzung. Auch Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen stehen im Raum. Am 9. Dezember treffen sich beide Seiten zur nächsten Tarifrunde.
„Am Verhandlungstisch war Volkswagen nicht zu einer tragfähigen Lösung des Tarifkonflikts bereit“, sagte der für Berlin, Brandenburg und Sachsen zuständige IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze. „Daher müssen Warnstreiks den Druck auf das Management erhöhen.“
IG Metall erhöht Druck auf VW: Ausfall von mehr als tausend Fahrzeugen
Nach Angaben aus Gewerkschaftskreisen dürfte der zweistündige Warnstreik zu einem Ausfall von mehr als tausend Fahrzeugen führen, die nicht gebaut werden könnten. Volkswagen hat nach eigenen Angaben Vorkehrungen getroffen, um die Auswirkungen der befristeten Arbeitsniederlegungen gering zu halten. Das Unternehmen habe gezielt Maßnahmen ergriffen, die eine Notversorgung sicherstellten, hieß es.
Keine Warnstreiks gibt es heute in Osnabrück. Das um seine Zukunft bangende VW-Werk fällt als einziger deutscher VW-Standort nicht unter den Haustarif, um den derzeit gerungen wird. Dort war es bereits im Tarifkonflikt für die Metall- und Elektroindustrie zu Warnstreiks gekommen.
Flächendeckende Warnstreiks an allen großen Werken in Westdeutschland gab es zuletzt 2018. Nach Angaben der IG Metall beteiligten sich damals mehr als 50.000 Beschäftigte in Wolfsburg, Hannover, Emden, Kassel-Baunatal, Braunschweig und Salzgitter. Für die Werke in Zwickau, Chemnitz und Dresden wurde erst 2021 eine stufenweise Angleichung an den Haustarif bis 2027 vereinbart. (bohy/dpa/reuters)
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