Habeck-Reise nach Peking
„Industrie will diesen Schutz gar nicht“: Warum deutsche Firmen gegen Strafzölle auf Chinas E-Autos sind
Deutsche Firmen wollen die neuen Strafzölle der EU auf chinesische Elektroautos möglichst bald wieder abschaffen. Sie befürchten Vergeltung aus China.
In der Debatte um die EU-Strafzölle auf Einfuhren chinesischer Elektroautos positionieren sich deutsche Firmen zunehmend kritisch – auch außerhalb des betroffenen Autosektors. EU-Zölle auf chinesische E-Autos könnten den deutschen Autoherstellern weder Schutz bieten, noch ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, sagte Maximilian Butek, Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer (AHK) in Ostchina bei der Vorstellung einer am Montag (17. Juni) vorgestellten Blitzumfrage unter deutschen Firmen in der Volksrepublik. „Und was ist das Ziel, wenn man diese [Zölle] einführt, um die Industrie zu schützen – aber die Industrie sagt, sie wolle diesen Schutz gar nicht?“ fragte Butek vor Journalisten. „Da wir den chinesischen Markt offen halten müssen, wollen wir auch den europäischen Markt offen halten“, betonte er.
Wirtschaftsminister Robert Habeck, der an diesem Freitag zu Gesprächen in China eintreffen wird, sieht hohe Sonderzölle ebenfalls skeptisch und dürfte den Firmen sicherlich zuhören – zumal er am Samstag zu Jubiläumsfeiern der Kammer in Shanghai erwartet wird. Doch die Handelspolitik ist EU-Domäne. Und Brüssel hat sich trotz des Widerstands vor allem von Bundeskanzler Olaf Scholz eben für die Strafzölle entschieden.
E-Auto-Strafzölle gegen China: Marktführer trifft es etwas weniger hart
Die EU hatte am Mittwoch höhere Zölle auf chinesische E-Autos angekündigt – und zwar in gestaffelter Höhe. Bislang gilt ein Einfuhrzoll von zehn Prozent. Auf Importe des Staatskonzerns Shanghai Automotive (SAIC) fallen ab dem 4. Juli 38,1 Prozentpunkte mehr Zoll an, auf Einfuhren des Privatkonzerns und Elektro-Marktführers BYD „nur“ 17,4 Prozentpunkte mehr.
BYD soll gegenüber den EU-Ermittlern kooperativ gewesen sein. Der Autobauer ist als Mobilitätspartner der Fußball-Europameisterschaft seit 2023 einer der größten Sponsoren des europäischen Fußballverbands UEFA. Im Schnitt liegen die Zusatzzölle um 21 Prozentpunkte über dem bisherigen Wert. Sie betreffen auch ausländische Marken, vor allem Tesla und Volvo, das zum chinesischen Geely-Konzern gehört. Bislang ist der Marktanteil chinesischer Elektroauto-Marken in Europa mit rund neun Prozent eher gering.
EU ermittelte unfaire Subventionen für Chinas E-Autofirmen
Die EU begründet die Zollerhöhung mit unfairen Subventionspraktiken der chinesischen Seite – und muss im November entscheiden, ob sie die Zölle für mindestens fünf Jahre beibehalten oder wieder abschaffen will. Bis dahin wird es wohl hitzige Verhandlungen mit Peking geben.
China kündigte bereits vergangene Woche Gegenmaßnahmen an, die verschiedene Sektoren betreffen können und erwägt eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO. Am Montag startete das Handelsministerium in Peking eine Anti-Dumping-Untersuchung zu Schweinefleisch und Schweinefleischprodukten aus der EU. Dass Brüssel die Landwirtschaft mit Milliarden subventioniert, ist kein Geheimnis. Ein Sprecher der EU-Kommission betonte dennoch, man sei nicht weiter besorgt und werde sicherstellen, dass Chinas Untersuchung allen relevanten WTO-Regeln entspreche. Nur Spanien forderte Verhandlungen, um Zölle auf seine Schweinefleischexporte nach China zu vermeiden. Es ist mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Dollar der mit Abstand größte Lieferant aus Europa.
Doch eigentlich würde Deutschland nach Ansicht von Experten innerhalb Europas am stärksten von etwaigen Vergeltungsmaßnahmen Pekings betroffen sein. Nicht nur weil China der wichtigste Auslandsmarkt der deutschen Autobauer Volkswagen, Mercedes und BMW ist – sondern weil generell die ökonomischen Verflechtungen mit China hierzulande besonders eng sind. Der Zollstreit dürfte auch bei der China-Reise von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ganz oben auf der Agenda stehen. Der Vizekanzler wird am Donnerstag (20. Juni) in Peking erwartet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gilt nicht als Fan der Strafzölle, die Meinung der Ökonomen scheint gespalten.
Deutsche Firmen in China von unfairen Subventionen nicht betroffen
Ein Handelskrieg zwischen der EU und China ist daher das Letzte, was die deutschen Unternehmen wollen. Die Firmen hofften, dass die EU und China bis zum Ablauf der Frist im November andere Lösungen für einen fairen Handel finden, sagte Butek. Deutsche Autobauer in China sehen laut Butek zudem die Subventionen der chinesischen Regierung nicht als große Herausforderung an. Was auch daran liegt, dass Fördermittel wie Steueranreize beim Kauf eines E-Autos in China auch ausländischen Marken zugutekommen.
Die Firmen kritisieren in China vielmehr Hindernisse beim Marktzugang. 47 Prozent forderten in der Blitzumfrage, dass sich die deutsche Regierung in China für die Gleichbehandlung ausländischer und einheimischer Firmen einsetzen sollte.
E-Autos aus China: Überkapazitäten bleiben Streitthema
Ein viel diskutiertes Problem sehen die deutschen Firmen allerdings auch: Die gewaltigen Überkapazitäten im produzierenden Gewerbe Chinas. Drei Viertel der befragten Unternehmen beobachten in ihrer Branche Überkapazitäten, darunter 20 Prozent in erheblichem Ausmaß. 96 Prozent der Betroffenen gaben in der Umfrage an, dass diese Überkapazitäten sich auf ihr Geschäft auswirkten. Der nicht zuletzt aus den Überkapazitäten resultierende Preiskampf auf dem chinesischen Markt ist laut der Umfrage das größte Problem der Firmen: 61 Prozent leiden darunter.
Manche Experten im Westen glauben, dass der chinesische Staat diese Überkapazitäten mit Absicht aufbaue, um die Weltmärkte mit billigen Waren zu fluten. Die AHK sieht dagegen vor allem Marktkräfte am Werk: Chinesische Firmen hätten die Nachfrage überschätzt und zu viele Fabriken gebaut, sagt Butek.
Dass die EU von stark steigenden Ausfuhren etwa von Solarmodulen oder Batterien aus China betroffen ist, leugnet die Kammer nicht. Sie hält nur Zölle für das falsche Gegenmittel. Butek plädiert vielmehr für „Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union“. Die USA tun derweil beides: Sie fördert den Cleantech-Sektor massiv – und erheben seit Mai 100 Prozent Zoll auf chinesische E-Autos. Peking erhebt auf Auto-Importe übrigens auch 25 Prozent Einfuhrzoll.
Rubriklistenbild: © Bernd Feil/M.i.S./IMAGO
