De-Risking-Mission in Fernost
Habeck will in China über Marktzugang sprechen – torpedieren die EU-Strafzölle seine Agenda?
Robert Habeck fliegt im schwelenden Handelskonflikt nach Peking. Doch zuerst machte er in Südkorea Station. Das Land ist ein Vorbild für das geplante De-Risking von China.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist unterwegs nach China, um über Marktzugang und Klimakooperation zu sprechen. Doch genau jetzt braut sich ein Handelskonflikt zwischen EU und der Volksrepublik zusammen, an dem auch der Vizekanzler in Peking kaum vorbeikommen wird.
Die von der EU-Kommission angekündigten Zusatzzölle auf chinesische Elektroautos sollen europäische Autobauer schützen. Deutsche Firmen sorgen sich vor chinesischer Vergeltung – und die ist bereits im Anmarsch. Peking verkündete Anti-Subventionsermittlungen gegen Schweinefleischprodukte aus der EU, was vor allem Spanien treffen würde. Doch im Gespräch sind auch Zusatzzölle auf Importautos mit großem Hubraum ab 2,5 Liter. Die würden so manches Luxusmodell der deutschen Premiummarken BMW, Audi und Mercedes treffen.
Handelspolitik ist eigentlich EU-Beritt, wie auch das Wirtschaftsministerium (BMWK) betont. Dennoch dürften die Termine in Peking am Freitag (21. Juni) für Habeck knifflig werden. Er wird dort unter anderem Handelsminister Wang Wentao und Industrieminister Jin Zhuanglong treffen. Ob auch Ministerpräsident Li Qiang oder einer seiner Stellvertreter den Vizekanzler empfangen wird, sagte das BMWK zunächst nicht. Gemeinsam mit Handelsminister Wang wird Habeck jedenfalls die erste Plenarsitzung des neuen deutsch-chinesischen Klima- und Transformationsdialogs leiten. Auch, um Wege für eine gemeinsame Klimapolitik auszuloten.
Strafzoll-Debatte drohen Habecks China-Programm zu sprengen
Das klingt nach Routine. Doch die EU-Strafzölle haben einen ganz anderen Ton gesetzt: Den eines Handelskonflikts. Und große Teile der deutschen Wirtschaft lehnen die EU-Strafzölle auf chinesische E-Autos ab. EU-Zölle auf chinesische E-Autos könnten den deutschen Autoherstellern weder Schutz bieten, noch ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, sagte Maximilian Butek, Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer (AHK) in Ostchina vor wenigen Tagen. „Und was ist das Ziel, wenn man diese [Zölle] einführt, um die Industrie zu schützen – aber die Industrie sagt, sie wolle diesen Schutz gar nicht?“ Habeck selbst hat sich gegen hohe Strafzölle ausgesprochen. Zum 30-jährigen Bestehen der AHK wird er eigens nach Shanghai fliegen.
Der Minister hat auf seine Reise eine Wirtschaftsdelegation mitgenommen, die – anders als bei der China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – bewusst vor allem aus mittelständischen Unternehmen besteht. Die Manager stammen laut BMWK etwa aus Autoindustrie, Medizin- und Labortechnik, Metallverarbeitung, Klimatechnologie und IT. China habe für viele deutsche Unternehmen „weiterhin eine große Bedeutung als Produktionsstandort, Innovationszentrum und als Beschaffungs- und Absatzmarkt“, sagte der Minister vor Abflug. Das Handelsvolumen mit China betrug 2023 rund 254 Milliarden Euro und stellte damit ein Zwölftel des gesamten deutschen Warenhandels. „Deshalb ist es wichtig, dass wir im Gespräch bleiben und auch über faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen sprechen“, so Habeck.
Es bleibt aber ein Dilemma: Während Deutschland De-Risking von China betreibt, muss es mit China über besseren Marktzugang verhandeln. De-Risking bedeutet, die starken Abhängigkeiten von Lieferungen aus China zu reduzieren, die es etwa bei Autobatterien oder im Solarsektor gibt.
China bereitet Sorgen: Südkorea als Modell des De-Risking
In Südkorea stand dieses De-Risking ganz im Mittelpunkt, dort machte Habeck am Donnerstag (20. Juni) Zwischenstation. Das Land ist nach BMWK-Angaben Deutschlands zweitwichtigster Exportmarkt in Asien und einer der globalen Hochtechnologieführer. Und es steht nach den Worten des Korea-Experten Eric Ballbach von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik vor ähnlichen wirtschaftspolitischen Herausforderungen wie Deutschland. Als Exportnation sei es Südkorea gelungen, seine Abhängigkeit von China zu vermindern, sagte Ballbach der dpa.
Beide, Deutschland und Südkorea, seien auf offene Märkte angewiesen und versuchten, protektionistische Tendenzen möglichst zurückzudrängen, sagte Habeck nach seinem Treffen mit Regierungschef Han Duck Soo in Seoul. Auch Südkorea wolle sich diversifizieren. Vor seiner Weiterreise nach China trifft Habeck am Freitag noch den südkoreanischen Handelsminister Ahn Duk Geun.
Negative Erfahrung mit China stieß Südkoreas De-Risking-Kurs an
Angestoßen hatte den südkoreanischen De-Risking Kurs ein Vorfall im Jahr 2017. Damals ließ Seoul das US-Raketenabwehrsystem THAAD installieren, als Abschreckung gegen das säbelrasselnde Nordkorea. Doch aus Sicht Pekings richtete sich das Hightech-System in Wirklichkeit gegen China. Angeheizt von der chinesischen Staatspresse, kam es im ganzen Land zu Boykotten und Krawall vor südkoreanischen Geschäften. Prominentestes Opfer war die Kaufhauskette Lotte: Hacker setzten Filialen außer Gefecht, Demonstranten blockierten Zugänge. Für eine neue Filiale war plötzlich der Brandschutz angeblich nicht ausreichend. Wenig später zog sich Lotte entnervt aus China zurück. Und Südkorea zog Konsequenzen: Viele Firmen verlagerten ihre Lieferketten in andere Länder, etwa in Südostasien.
Für solche Fälle möchte man in Deutschland gewappnet sein, doch mehr als ermahnen kann Berlin die Firmen nicht. Sie entscheiden schließlich selbst über ihre Strategie.