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Industriestrom ab 2026

Günstige Energie ist für die Industrie unerlässlich – was den aktuellen Streit um die Stromzukunft erklärt

Die deutsche Wirtschaft steht an einem entscheidenden Punkt ihrer Umgestaltung. Kostengünstige Energie hält das Wirtschaftssystem am Leben, aber die Energiewende erfordert Kompromisse.

Bonn – Die Bundesnetzagentur hat einen Prozess angestoßen, die für die Industrie im Land weitreichende Veränderungen bedeuten könnte. Bis 2026 will die Behörde den die Industrie dazu bringen, ihren Stromverbrauch nach und nach mehr an die schwankenden erneuerbaren Energien anzupassen. Denn erneuerbarer Strom aus vornehmlich Wind und Solarkraft ist nur flexibel und witterungsbedingt verfügbar.

Dazu hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) einen ersten Vorschlag zur Transformation des Industriestroms vorgelegt, dass seither teils heftig diskutiert wird. Denn billige Energie hält bekanntlich die Wirtschaft am Laufen. Mit den Entscheidungen zum Industriestrom wird also auch über die Zukunft des deutschen Standorts entschieden.

Industriestrom und erneuerbare Energien: Umstellung kostet Millionen

Der Vorschlag der BNetzA, der am 24. Juli 2024 vorgelegt wurde, sieht ein Ende des sogenannten „Bandlastprivilegs“ für Großstromverbraucher vor. Das ist im Wesentlichen ein Rabatt, den Industriekunden erhalten, wenn sie ihre Stromabnahme konstant halten, also immer ungefähr gleich viel Strom verbrauchen. Die Rabatte kommen noch aus einer Zeit, in der Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke die zentralen Elemente in der deutschen Stromerzeugung waren und die Energieerzeugung relativ gleichmäßig war. Nach Angaben des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) würde der Wegfall dieser Rabatte fünf bis zehnmal mehr Kosten für Unternehmen bedeuten.

Der Verband der Chemischen Industrie begrüßt das Vorgehen der Netzagentur – hat aber Sorgen.

Durch die Bandlastprivilegien sollte sichergestellt werden, dass immer genug Strom aus diesen Kraftwerken abgenommen wird, sodass kein Hoch- und Runterfahren notwendig wird. Inzwischen sind AKW in Deutschland Geschichte und der Kohleanteil im Strommix sinkt. Stattdessen wird Strom künfitg schwankend sein.

Pläne der Bundesnetzagentur sorgen für Ärger: Wirtschaftsrat rügt Habeck in einem Brief

Nun möchte die Bundesnetzagentur mit neuen Rabatten auf die Netzentgelte sanften Druck auf die Industrie aufbauen, damit die Firmen neue Technik nutzen und ihren Strombedarf den veränderten Erzeugungsverhältnissen anpassen. „Industrie und Gewerbe sollen reduzierte Netzentgelte zahlen, wenn sie in Situationen mit hohem Stromangebot mehr Strom verbrauchen“, sagt Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller. „Andersherum erhalten sie auch dann eine Reduktion der Netzentgelte, wenn sie in Zeiten eines knappen Stromangebots weniger Strom verbrauchen.“ 

Dieses Vorhaben hat für teils heftige Kritik gesorgt. Der Wirtschaftsrat der CDU warnte in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Klaus Müller vor einem „verheerenden Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Jahrelang hatten die Unternehmen einen großen Anreiz, ihren Stromverbrauch möglichst konstant zu halten, um die Rabatte zu bekommen. Jetzt plötzlich auf flexiblen Verbrauch umzuschwenken, kann je nach Branche kompliziert sein.

Darauf reagierte Klaus Müller in einem Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ): „An einer Reform führt kein Weg vorbei“, stellte er dabei klar. Denn 2028 laufe die Rechtsgrundlage für die Industriestromrabatte aus, diese erteilt die EU. „Dass Brüssel grünes Licht für eine Verlängerung der gängigen Praxis geben könnte, glaubt niemand.“

Industrie kann Stromverbrauch flexibel ausrichten – zumindest teilweise

„Die EU wird neue Vergünstigungen nur dann erlauben, wenn sie einen Verbrauch fördern, der dem auf erneuerbare Energie umgestellten System ‚dient‘“, begründete Müller den Plan in der NOZ. In einem ersten Schritt sei deswegen bei Unternehmen angefragt worden, wer in welchem Maße flexibel produzieren könnte. „Für viele wäre es schon möglich, sie würden sofort bei der Reform Geld sparen.“ Andere Unternehmen bräuchten Zeit für eine Umstellung, die sie auch erhalten würden.

„Es gibt eine dritte Gruppe, die ihre Produktion nicht wirklich an der Verfügbarkeit von grünem Strom ausrichten kann. Hier wollen wir sehr genau schauen, was möglich ist. Und für diesen Kreis will auch die Bundesregierung eine Lösung finden.“

Aus Sicht des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), deren Mitglieder als besonders energieintensive Branche maßgeblich von den Reformen betroffen wären, gibt es nur einen geringen Prozentsatz an Industriefirmen, die ihren Verbrauch ohne erhebliche Investitionen flexibilisieren könnten. Das sagt Matthias Belitz, Energieexperte des VCI, bei einem Pressegespräch zum Thema. „Es ist nur schwer abschätzbar, wie hoch das Potenzial wirklich ist, da unsere Branche extrem heterogen ist“, sagt er. Aus Verbandssicht sollte daher die Flexibilisierung auf freiwilliger Basis erfolgen.

Debatte um Strommarkt der Zukunft essenziell für die Planung der Unternehmen

Belitz ist wichtig zu betonen, dass die Umstellung auf flexiblen Stromverbrauch in der Industrie Geld kosten wird. „Das gibt es nicht zum Nulltarif“. Als Beispiele nennt er Kosten für die Wartung und Instandsetzung von Anlagen, die einem höheren Verschleiß ausgesetzt wären, wenn sie häufiger die Produktion flexibel erhöhen und senken müssten. Oder der Zukauf von mehr Lagerkapazitäten, um Produkte zwischenzulagern in Zeiten, in denen weniger Energie verbraucht werden muss. „Diese Kosten werden in der Debatte aktuell ausgeblendet“, so Matthias Belitz.

Dennoch begrüßt der VCI das Vorgehen der BNetzA – schließlich wird jetzt erstmals über die notwendigen Reformen gesprochen und alle Betroffenen können zu Wort kommen. Wenn es dann Anfang 2026 zu einer Umstellung kommt, dann sollen Branchen genug Zeit bekommen, sich darauf einzustellen und gegebenenfalls ihre Produktion anzupassen oder über Investitionen zu entscheiden. Diese Planungssicherheit ist für die Industrie essenziell. (mit Material von AFP und dpa)

Rubriklistenbild: © Jan Woitas/dpa

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