„Weniger geeignete Kandidaten“
Arbeitskräftemangel in Bau und Handwerk auf Rekordhoch
Betriebe schaffen es immer seltener, Angestellte zu finden. In Bau und Handwerk ist die Situation besonders drastisch, wie eine Analyse offener Stellenanzeigen verdeutlicht.
Berlin – Der einstige Fachkräftemangel ist längst zu einem allgemeinen Arbeitskräftemangel geworden. In immer mehr Berufsbranchen fehlen die Arbeiterinnen und Arbeiter. Besonders deutlich wird das im Bau und im Handwerk. Neue Zahlen zu offenen Stellenanzeigen machen klar, wie viele Betriebe Leute suchen – oft vergebens. Die Auswirkungen davon spürt Deutschland bereits deutlich: Neben den hohen Bau- und Rohstoffpreisen ist der Arbeitskräftemangel signifikant für die Bau- und Wohnraumkrise in Deutschland verantwortlich – den Betrieben fehlen die helfenden Hände.
Über 2 Millionen offene Stellen in Bau und Handwerk
Eine für IPPEN.MEDIA breit angelegte Datenanalyse der Stellenanzeigen-Datenbank index Anzeigendaten zeigt, wie viele neue Angestellte von Bau- und Handwerksbetrieben benötigt werden. So schrieben Unternehmen im laufenden Jahr bereits über zwei Millionen Stellen allein in diesen Branchen aus. Im Vergleich mit den Jahren ab 2019 sind die offenen Stellen nun auf einem Rekordhoch.
Für die Erfassung der Jobs hat das in Berlin sitzende Daten-Unternehmen Stellenanzeigen in 197 Printmedien, 304 Onlinebörsen, 650 Firmenwebsites und dem Stellenportal der Bundesagentur für Arbeit analysiert. Allein im laufenden Jahr 2024 investierten die Betriebe für die Stellenanzeigen laut index-Schätzungen bereits knapp 700 Millionen Euro.
Während 2019 im selben Zeitraum (Januar bis September) etwas mehr als 1,5 Millionen freie Stellen ausgeschrieben wurden, nahm die Zahl 2020 durch die Corona-Pandemie stark ab. Im Jahresverlauf stieg sie nun aber auf das zwischenzeitliche Rekordhoch.
Azubimangel nicht nur im Handwerk
Ein Blick auf die jeweiligen Anstellungsarten der Stellenangebote verdeutlicht, dass gewerbliche Fachkräfte im Bau und Handwerk mit Abstand am meisten gefragt sind. Dem Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) zufolge, gibt es bereits seit 2015 mehr offene Stellen in Handwerksberufen als arbeitssuchende Handwerkerinnen und Handwerker.
Selbst Ausbildungsplätze bleiben mittlerweile häufig unbesetzt. Das zeigt etwa der jährliche Ausbildungs- und Fachkräftereport der Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA-BAU), aus dem hervorging, dass 2023 zum zweiten Mal in Folge die Zahl neuer Ausbildungsverträge in der Baubranche sank. Für Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie eine alarmierende Situation: „Die Zahlen unterstreichen: Der Bedarf ist riesig, unsere Bauunternehmen brauchen Fachkräfte und wollen unbedingt ausbilden – finden aber immer weniger geeignete Kandidatinnen und Kandidaten. Das kann uns nicht zufriedenstellen, als Branche, aber auch als Gesellschaft nicht.“
Politik und Verbände wollen mehr Arbeitskräfte anlocken
Das weiß auch die Politik. „Wenn wir uns jetzt nicht darum kümmern, wird der Arbeits- und Fachkräftemangel zu unserer zentralen Wachstumsbremse“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor einigen Wochen bei der Eröffnung des deutschen Fachkräftekongresses, der eines der drängendsten Probleme des Wirtschaftsstandorts Deutschland adressierte. Allein bis 2030 müssen sieben Millionen Menschen in ihren Berufen ersetzt werden, sagte Heil – zusätzlich zu den ohnehin schon unbesetzten Stellen. „Wir sind nach wie vor ein starkes Land, aber dieses Land braucht ein Update“, forderte der Arbeitsminister deshalb vor den anwesenden Wirtschaftsvertretern und Unternehmern.
Industrie und Verbände fordern schon lange den Abbau von Bürokratie, einfachen Zugang zum Arbeitsmarkt und auch mehr Möglichkeiten für ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter, um dem Fach- und Arbeitskräftemangel Einhalt zu gebieten. So soll das Bildungssystem eine bessere Berufsorientierung bieten und die Fachkräfteeinwanderung vereinfacht werden.
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