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„Wenig Fakten“ in der Debatte

„Eine fatale Fehlentscheidung“: CDU will weitere Bürgergeld-Erhöhungen „verhindern“

Die CDU setzt sich im Wahlkampf für die Abschaffung des Bürgergeldes und eine tiefgreifende Reform ein. Fachleute betrachten die Vorhaben mit Besorgnis.

Berlin – CDU und CSU haben sich im Bundestagswahlkampf auf eine Reform des Bürgergeldes, das mit der Ampel-Koalition ins Leben gerufen wurde, eingeschossen. Sollte die Union bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 gewinnen und die nächste Regierung anführen, will sie das Bürgergeld durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzen. Im Wahlprogramm der Union versprechen die Schwesterparteien außerdem, den Anpassungsmechanismus für die Grundsicherung zu verändern. Das ist aus Sicht von Experten und Expertinnen aber gar nicht sinnvoll.

CDU will Bürgergeld abschaffen: Weitere Erhöhungen wie mit der Ampel sollen verhindert werden

Generell kursieren bei der Bürgergeld-Debatte „eine Vielzahl populistischer Thesen, aber wenig Fakten“, so Jutta Schmitz-Kießler, Professorin an der Hochschule Bielefeld und Expertin für Sozialpolitik in der aktuellen Ausgabe des Blogs „Mythen der Sozialpolitik“ des Wissenschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI).

Im Wortlaut schreiben CDU und CSU in ihrem Programm: „Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konnten die überproportionale Erhöhung des sogenannten ‚Bürgergelds‘ nicht nachvollziehen. Denn ihre Löhne sind nicht im selben Maße gestiegen. Solche Fälle wollen wir in Zukunft verhindern.“ Die Anpassung der Grundsicherung soll also „modernisiert“ werden. Von 2023 auf 2024 war der Regelbedarf für das Bürgergeld von 502 auf 563 Euro angestiegen. Diese Erhöhung hatte in der Tat für viel Kritik gesorgt und die Debatte um die Frage, ob sich Arbeiten noch lohnen würde, weiter angeheizt.

Nach Ansicht des WSI und von Professorin Schmitz-Kießler war die Bürgergeld-Erhöhung gerechtfertigt. Denn: „Die Grundsicherung ist von 2005, dem Inkrafttreten der Hartz-Reformen, bis 2023 etwa im gleichen Maße gestiegen wie die Preise – und weniger als die Löhne.“ Auch die Erhöhung 2024 habe die Inflation lediglich ausgeglichen und blieb hinter der Lohnentwicklung zurück. Es sei also statistisch gesehen nicht richtig, was die Union im Wahlprogramm schreibt. Die Löhne der Bevölkerung sind im Schnitt sehr wohl im selben Maße gestiegen – sogar noch mehr.

Kürzungen beim Bürgergeld wären „fatal“: CDU kann so viel Geld nicht sparen

Den Anpassungsmechanismus anzupassen und so am Bürgergeld zu kürzen, wäre „eine fatale Fehlentscheidung, gerade für diejenigen, die zu den Schwächsten der Gesellschaft gehören“, so Schmitz-Kießler weiter“. Die Nullrunde 2025 bedeute ohnehin schon Verluste für diese Menschen.

Die CDU unter Generalsekretär Carsten Linnemann und Kanzlerkandidat Friedrich Merz wollen das Bürgergeld abschaffen und bei verpassten Terminen alle Leistungen streichen. (Montage)

Im Wahlkampf behauptet CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz außerdem, dass er seine Pläne finanzieren können wird, weil die Union weniger Geld für die Grundsicherung ausgeben wird, als die Ampel-Koalition. 2024 sind 45 Milliarden Euro im Bundeshaushalt für die Leistungen nach SGB II und III vorgesehen, dazu gehören die Leistungen für Arbeitslose und Geringverdiener. „Wir werden dieses System Bürgergeld vom Kopf auf die Füße stellen. Da werden sich zweistellige Milliardenbeträge einsparen lassen“, sagte Merz bei der Vorstellung seines Wahlprogramms in Berlin.

Viele Bürgergeld-Empfänger sind Kinder: CDU kann so viel Geld nicht sparen

Dass das möglich sein wird, bezweifeln Experten und Expertinnen, schließlich ist eine Versorgung der Ärmsten und der Arbeitslosen im Grundgesetz verankert. Das Verfassungsgericht hat außerdem 2019 geurteilt, dass es nicht möglich ist, das Geld von Arbeitslosen – damals war es Hartz IV – um mehr als 30 Prozent zu kürzen. Auch nicht, wenn sie sich weigern, eine Arbeit aufzunehmen, bestimmte das Gericht.

Professorin Schmitz-Kießler weist außerdem darauf hin, dass die Kosten von der Union ohnehin völlig überschätzt werden. Das Bürgergeld mache gerade einmal 4,2 Prozent des gesamten Sozialbudgets aus. „Das legt nahe, dass Einsparungen im Grundsicherungssystem keineswegs horrende Beträge freisetzen und anderweitig Investitionen möglich machen würden.“ Dem WSI zufolge hat Deutschland 2023 gerade einmal 1,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Grundsicherung aufgewendet.

Des Weiteren sei es eine „Illusion“, dass man so wahnsinnig viele Bürgergeld-Empfänger einfach so in Arbeit bringen könnte. Ein Drittel der Empfänger seien nicht erwerbsfähig – die meisten davon seien Kinder. „Verschärfungen beim Bürgergeld werden keinen einzigen Arbeitslosen langfristig in Arbeit bringen, wären aber eine erhebliche Gefahr für den sozialen Frieden“, schlussfolgert die WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch in dem Artikel.

Rubriklistenbild: © Jörg Carstensen/Hauke-Christian Dittrich/dpa

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