„Trifft sogar die Mittelschicht“
„Dramatischer Anstieg“: Trotz Rente sind immer mehr Menschen von Armut gefährdet
Wenn das Rente nicht ausreicht: Die Zahl der Menschen steigt, die im Alter armutsgefährdet sind. Sahra Wagenknecht bezeichnet dies als einen „dramatischen Anstieg“.
Berlin – Die Rente ist im Fokus der Politik: Die Ampel-Koalition hatte sich Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Betriebsrenten und der privaten Altersvorsorge vorgenommen. Auch die Union will im Wahlkampf mit der sogenannten „Aktivrente“ punkten. Der Bedarf einer umfassenden Reform ist da – und die Zeit drängt. Denn: Die Zahl der von Armut bedrohten Menschen ab 65 Jahren nimmt in Deutschland immer weiter zu. Etwa 3,2 Millionen Menschen in dieser Gruppe sind derzeit armutsbetroffen.
3,2 Millionen Menschen im Alter von Armut bedroht – Rückblick zeigt deutlichen Anstieg
Genau 3,245 Millionen Menschen ab 65 Jahren waren in Deutschland von Armut bedroht. Das geht aus Daten des EU-Statistikamts Eurostat hervor, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) angefragt hat und die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegen. 2022 waren es mit 3,157 Millionen etwa weniger. 2021 waren es 3,3 Millionen.
Der Blick etwas weiter zurück zeigt jedoch einen deutlichen Anstieg: Demnach ist die absolute Zahl der armutsbedrohten Rentnerinnen und Rentner und älteren Erwerbstätigen im Vergleich zu 2,4 Millionen im Jahr 2013 deutlich angestiegen. Als armutsbedroht gelten Rentnerinnen und Rentner dabei, wessen Einkommen nach Sozialleistungen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. 2023 lag die Grenze für Alleinlebende bei 1310 Euro netto im Monat.
Wagenknecht beobachtet „dramatischen Anstieg der Altersarmut“: Risikoquote ist gestiegen
Sahra Wagenknecht sprach von einem „dramatischen Anstieg der Altersarmut“. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass die Zahl älterer Menschen in Deutschland zunimmt. 1991 waren zwölf Millionen Menschen über 65 Jahre, 2022 waren es laut Statistischem Bundesamt bereits 18,7 Millionen.
Trotzdem ist auch die Armutsrisikoquote gestiegen. Bundesweit betrug der Anstieg zwischen 2014 und 2022 mehr als elf Prozent, wie eine Antwort der Regierung auf eine Linken-Anfrage im Juli 2023 gezeigt hat. Der Anteil der Armutsbedrohten innerhalb der Altersgruppe ist damit gestiegen. Besonders häufig trifft es Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und Menschen mit einer geringeren formellen Bildung.
Immer mehr Rentnerinnen und Rentner auf Grundsicherung angewiesen
Immer mehr Menschen sind dabei in der Rente auf Grundsicherung angewiesen. Im Dezember 2023 haben 690.000 Menschen Grundsicherung bezogen. Die Tendenz ist steigend. Frauen sind dabei besonders häufig betroffen. Laut Fachleuten scheuen sich jedoch viele Ältere aus Angst vor Stigmatisierung und Scham überhaupt Grundsicherung oder anderen Leistungen wie Wohngeld anzunehmen, wenn die Rente nicht reicht.
Dabei ist die finanzielle Situation vieler Rentnerinnen und Rentner prekär. Über 40 Prozent müssen mit einem Netto-Einkommen von unter 1250 Euro im Monat auskommen. Das entspricht 7,5 Millionen Betroffenen – mehr als 5,2 Millionen sind Frauen. Über zusätzliche Einkommen wie Betriebsrenten und Einkünfte des Partners oder der Partnerin erhöht sich das Gesamteinkommen von alleinstehenden Menschen über 65 Jahren immerhin 1816 Euro, bei Frauen sind es 1607 Euro. Viele ältere Menschen, auch noch im Alter von 70 Jahren, sind deshalb gezwungen zu arbeiten.
Wagenknecht attackiert Scholz und März für Renten-Politik
Angesichts der absoluten Zahlen der armutsbedrohten Rentnerinnen und Rentner warf Wagenknecht der Bundesregierung rentenpolitisches Versagen vor. „Altersarmut betrifft inzwischen sogar die Mittelschicht“, sagte Wagenknecht der dpa. Weder Kanzler Olaf Scholz von der SPD noch sein Herausforderer Friedrich Merz von der CDU hätten darauf eine Antwort. Für das BSW seien hingegen gute Renten einer der Schwerpunkte, sagte Wagenknecht mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar 2025.
Dabei hat sich die bisherige Bundesregierung die Stabilisierung der Renten zum Ziel gesetzt. Arbeitsminister Hubertus Heil wollte mit dem bis 2039 garantierten Rentenniveau von 48 Prozent sicherstellen, dass die Renten im Vergleich zur Lohnentwicklung nicht zurückgehen. Durch das Ende der Ampel-Koalition ist die Rentenreform jedoch gescheitert. (mit dpa)
Rubriklistenbild: © Political-Moments/Future Image/Imago
