Vorinsolvenzliches Verfahren
137-jähriger deutscher Weltmarktführer kurz vor der Insolvenz: Kann die Firma noch gerettet werden?
Der Batteriekonzern Varta steht offenbar kurz vor der Insolvenz. Um die Pleite noch abzuwenden, wurde beim Gericht ein Antrag gestellt. Kann das die Rettung sein?
Update vom 22. Juli, 15:23 Uhr: Aus Angst vor einem drohenden Totalverlust laufen dem Batteriehersteller die Aktionäre in Scharen davon. Die Papiere brachen an der Börse am Montag um 73 Prozent auf 2,80 Euro ein, nachdem das Unternehmen aus Ellwangen ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren angemeldet hat, bei dem die Aktionäre praktisch enteignet würden. Die Analysten von M.M. Warburg setzten das Kursziel auf Null. Am Freitag war das Unternehmen an der Börse noch 440 Millionen Euro wert.
Varta will Insolvenz abwenden – und nutzt dafür ein neues Gesetz
Varta will für die Sanierung die seit drei Jahren geltenden Regeln des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) nutzen. Der Antrag auf das Sanierungsverfahren sei noch am Sonntagabend beim Amtsgericht Stuttgart eingereicht worden, sagte ein Sprecher. Mit dem StaRUG-Verfahren soll verhindert werden, dass ein operativ lebensfähiges Unternehmen in die Insolvenz rutscht. Dabei kann der Widerstand einzelner Gläubiger ausgehebelt werden, eine Zustimmung der Aktionäre ist nicht nötig. Auf diesem Weg hatte sich im vergangenen Jahr der Nürnberger Autozulieferer Leoni saniert. Dort verloren die Aktionäre alles, was auf heftige Kritik von Anlegerschützern stieß.
Erstmeldung vom 22. Juli, 11:51 Uhr:
Ellwangen – Der strauchelnde Batteriekonzern Varta hat beim Amtsgericht Stuttgart ein sogenanntes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren angemeldet. Eine entsprechende Anzeige sei eingegangen, bestätigte ein Gerichtssprecher auf Anfrage. Das Unternehmen aus Ellwangen hatte am Sonntagabend (21. Juli) angekündigt, kurzfristig ein Restrukturierungsvorhaben nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) anzeigen zu wollen. Damit solle eine mögliche Insolvenz von Varta nachhaltig abgewendet werden.
Varta bald insolvent? Sorgen um Weltmarktführer wachsen
Im Kampf ums Überleben will Varta unter anderem die Alt-Aktionäre aus dem Unternehmen drängen. Darüber hinaus sollen Gläubiger auf einen Großteil ihres Geldes und ihrer Ansprüche verzichten.
Varta hat bereits länger Probleme. Das einst brummende Geschäft mit wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Knopfzellen unter anderem für damals boomende kabellose Kopfhörer musste wegen zurückhaltender Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Konkurrenz aus Asien schwere Dämpfer einstecken. Das Geschäft mit Wallboxen zum Speichern von Strom, unter anderem für das Aufladen von Elektroautos, kam nicht recht in Schwung.
Das Unternehmen ist mit fast 500 Millionen Euro tief verschuldet und konnte auch wegen eines Hackerangriffs im Frühjahr nicht rechtzeitig den Jahresabschluss für 2023 vorlegen. Der Kurs der Aktie fiel von fast 200 Euro Anfang 2021 auf rund zwei Euro am Montagmorgen zu Handelsbeginn.
„Die aktuelle Schuldensituation verbaut der Varta-Gruppe absehbar die Chancen auf ein positives Geschäftsergebnis“, erklärte das Unternehmen. „Notwendige Investition müssen ausbleiben, wodurch Marktpotenziale nicht erschlossen, Umsatzchancen also verpasst werden.“ Den Ausweg biete ein Schuldenschnitt. Die Gläubiger von Varta seien dazu aber nur bei einem Kapitalschnitt auf null bereit, erklärte das Unternehmen. Damit verlieren sämtliche Aktien ihren Wert, Varta wird nicht mehr an der Börse gehandelt. Weitere Voraussetzung ist laut dem Unternehmen frisches Kapital; benötigt wird ein „hoher zweistelliger Millionen-Euro-Betrag“.
Laut einer Mitteilung vom Sonntagabend könnten Porsche, der bisherige Großaktionär, der österreichische Unternehmer Michael Tojner sowie „weitere interessierte Parteien“ bei Varta einsteigen. Ein Sprecher von Porsche erklärte am Montag, das Unternehmen könne es sich „unter gewissen Umständen“ vorstellen, sich an der finanziellen Umstrukturierung von Varta zu beteiligen. Die Gespräche darüber dauerten an. Porsche wolle „diese Schlüsseltechnologie“ in Deutschland halten. Die Volkswagentochter verhandelt mit Varta bereits darüber, einen Mehrheitsanteil an der Autobatteriesparte V4Drive Battery GmbH zu übernehmen.
Varta vor der Insolvenz: Einer der wichtigsten Hersteller für Batterien
Die Varta AG wurde bereits 1887 als Produzent von Bleiakkumulatoren gegründet. Mittlerweile besteht der Konzern aus drei Tochterfirmen: Die Varta Microbattery, VARTA Consumer Batteries GmbH & Co. KGaA und die Varta Storage GmbH. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben der international führende Hersteller von Mikrobatterien und einer der wichtigsten Hersteller von Haushaltsbatterien.
Insgesamt beschäftigt Varta 4200 Mitarbeiter in 75 Ländern. Die zentralen Produktionsstätten sind in Deutschland, Rumänien, Indonesien und China.
Sollte die Varta AG tatsächlich insolvent werden, wäre das ein herber Schlag für die deutsche Wirtschaft. Es rollt eine Insolvenzwelle durch das Land, die auch nicht vor großen Konzernen Halt zu machen scheint. Ein Weltmarktführer im Maschinenbau, ebenfalls aus Baden-Württemberg, meldete vor wenigen Wochen ebenfalls Insolvenz an. (mit Material von reuters, afp und dpa)