Mehr Konsum, mehr Privatwirtschaft
China baut seine Wirtschaft um – zum Nachteil Deutschlands
Die chinesische Regierung will, dass die Menschen mehr konsumieren. Deutsche Hersteller bleiben außen vor. Dahinter steckt eine langfristige Strategie.
Die „Werkbank der Welt“ ist China schon lange nicht mehr. Zwar kommen nach wie vor viele billige Konsumgüter aus der Volksrepublik, Unternehmen wie Temu und Shein haben in den letzten Jahren das Geschäft mit den Schnäppchen made in China noch perfektioniert. Längst aber produziert das Land auch viele Hightech-Güter, und das nicht selten auf Weltklasseniveau. BYD aus dem südchinesischen Shenzhen zum Beispiel ist der weltweit führende Hersteller von E-Autos; und das kleine Start-up DeepSeek aus dem ostchinesischen Hangzhou schockte unlängst mit einer leistungsfähigen KI-App die westliche Konkurrenz.
Doch China will noch mehr: Mitte Februar bestellte Staats- und Parteichef Xi Jinping die CEOs einiger der wichtigsten chinesischen Tech-Konzerne nach Peking ein, es war das erste derartige Treffen seit sieben Jahren. Gekommen waren unter anderem die Chefs des Handelsgiganten Alibaba, des Netzwerkausrüsters Huawei und des Batterieherstellers CATL. Chinas Unternehmen müssten „ihr Talent zeigen“, um China weiter voranzubringen, forderte Xi, sie sollten Vertrauen haben in die Politik der chinesischen Regierung. Was manchen nicht ganz leicht fallen dürfte, schließlich hatte Xi die Unternehmen über Jahren an der kurzen Leine gehalten, weil sie ihm zu mächtig geworden waren.
„China ist dringend auf der Suche nach Innovationen, um den USA etwas entgegenzusetzen“
Doch jetzt braucht Xi die Privatwirtschaft, um China unabhängiger vom Westen zu machen. Vor dem Hintergrund immer neuer US-Zölle setzt auch die Volksrepublik auf „De-risking“. „China ist dringend auf der Suche nach Innovationen, um dem voraussichtlich hohen wirtschaftlichen Druck seitens der USA etwas entgegenzusetzen“, sagt der Ökonom und China-Experte Gero Kunath vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) unserer Redaktion. „Hier könnten die Privatunternehmen eine zentrale Rolle spielen.“ Unklar sei aber, wie viel Spielraum die chinesische Regierung den Unternehmen wirklich geben werde. „Die chinesische Regierung könnte die Leine für Privatunternehmen lockern, aber sie wird sie nicht loslassen“, vermutet Kunath.
Beifall erhielt Xi nach dem Treffen etwa von Joe Tsai, dem Mitbegründer von Alibaba. Der Termin mit Xi „gab privaten Geschäftsleuten das Vertrauen, in ihr Geschäft zu investieren“, lobte Tsai. „Wenn private Unternehmen dieses Vertrauen haben, werden sie Maßnahmen ergreifen.“ Zum Beispiel mehr Leute einstellen, was angesichts einer hohen Jugendarbeitslosigkeit dringend nötig ist.
Nicht nur die Unternehmen will die chinesische Regierung zu Höchstleistungen ermutigen; auch die eigenen Bürger nimmt Xi Jinping in die Pflicht. Sie müssten mehr konsumieren, fordert er. Am vergangenen Sonntag stellt die Regierung in Peking dazu einen 30-Punkte-Plan vor, er sieht unter anderem Maßnahmen vor, die mehr Menschen in Arbeit bringen und die Gehälter steigen lassen sollen. Auch die soziale Sicherung soll ausgebaut werden. Das nur schwach ausgebaute Sozialsystem ist einer der Gründe, warum viele Chinesen ihr Geld lieber beisammen halten, statt es auszugeben: Wer sich im Notfall nicht auf den Staat verlassen kann, legt eben möglichst viel beiseite.
China ist nicht mehr wichtigster Handelspartner der Bundesrepublik
„Frühere konsumpolitische Maßnahmen konzentrierten sich in erster Linie auf die Angebotsseite. Jetzt stärkt unser Aktionsplan die Konsumenten“, erklärte Li Chunlin, der Vize-Vorsitzende der mächtigen Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission.
Nach der Corona-Pandemie war die chinesische Wirtschaft nie richtig in Schwung gekommen, die Konsumenten hielten sich zurück. Zuletzt gab es allerdings vermehrt Anzeichen einer Belebung, so legten Einzelhandelsumsatz und Industrieproduktion in den ersten beiden Monaten des Jahres zu. Deutsche Unternehmen dürften von dem Aufschwung allerdings kaum profitieren. Im Gegenteil: „Ein stärkerer Fokus Chinas auf den heimischen Markt könnte das Potenzial des Landes als Absatzmarkt für deutsche Unternehmen perspektivisch weiter schmälern“, sagt IW-Ökonom Kunath.
Das zeigt sich bereits in den Handelsdaten. So war China im vergangenen Jahr erstmals seit 2016 nicht mehr der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik, der Spitzenplatz ging wieder an die USA. Verglichen mit dem Vorjahr nahm der Handel mit China um 3,1 Prozent ab, was vor allem an sinkenden Exporten in die Volksrepublik lag: Während der Wert der Importe aus China nur leicht um 0,3 Prozent zurückging, brachen die Exporte mit 7,6 Prozent regelrecht ein. Deutsche Güter sind in China nicht mehr so gefragt wie früher.
Chinas Automarkt boomt – doch die deutschen Hersteller leiden
Zu spüren bekommen das vor allem deutsche Autohersteller. BWM meldete zuletzt einen Gewinneinbruch von 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr, bei VW war es um 31 Prozent nach unten gegangen, bei Mercedes um 28 Prozent. Verantwortlich dafür seinen vor allem ein gesunkener Absatz und der intensive Preiswettbewerb in China, hieß es von den Autobauern. Der chinesische Konkurrent BYD hingegen konnte im Februar seine Absatzzahlen um 161 Prozent steigern. „Chinesische Hersteller wie BYD dominieren in China zunehmend den Wettbewerb“, sagt Kunath. „Ähnliches könnte sich auch in anderen Branchen zeigen.“
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