Schuldenbremse
Kopfschütteln und Spott im Ausland über deutsches Haushalts-Chaos: „Eine Verrücktheit“
Die Ampel-Regierung will wegen des Karlsruher Haushaltsurteils die Schuldenbremse auch 2023 aussetzen. Laut Experte sei Deutschland zu geizig – und neue Schulden nötig.
Berlin – Seit dem Urteil des Karlsruher Haushaltsurteils, steckt die Ampel-Koalition in einer Haushaltskrise. Die Klage der Union umfasste die Umschichtung von Corona-Hilfsmitteln von 2021 und wurde vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Auf der Suche nach Lösungen soll die Schuldenbremse auch für 2023 ausgesetzt werden. Der dänische Ökonom Jacob Funk Kirkegaard hält das für schlüssig, denn Deutschland sei viel zu geizig.
Haushaltskrise: Deutsche Schuldenbremse besteht „den Test der Zeit nicht“
Die deutsche Regierung habe sich selbst in die Haushaltskrise manövriert, an sich habe Deutschland nämlich kein Schuldenproblem, erklärte Kirkegaard im Gespräch mit dem Spiegel. Der 50-Jährige forscht am Peterson-Institut für internationale Wirtschaft in Washington, D.C. Zwar müsse Deutschland inzwischen höhere Zinsen auf Staatsschulden zahlen, aber auch das könne sich die Regierung leisten.
„Wie auch andere Ökonomen habe ich seit Jahren davor gewarnt, dass die deutsche Schuldenbremse den Test der Zeit nicht bestehen würde. Jetzt haben wir’s“, so Kirkegaard. „Wenn die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht beim Wort nimmt, sind alle Sondervermögen mit Ausnahme der Bundeswehr verfassungswidrig.“ Das hinterlasse ein großes Loch im Haushalt – das nur durch neue Schulden zu füllen sei.
„Verrücktheit“: Schuldenbremse kann Deutschland in Rezession führen
Während Bürger sich gegen die Lockerung der Schuldenbremse aussprechen, sieht der Ökonom das anders: „Die Schuldenbremse ist eine makroökonomische Verrücktheit“, erklärte Kirkegaad. Werde sie nicht gelockert „oder frivol ein weiterer Notstand erklärt, würde Deutschland schon bald in eine tiefe Rezession schlittern. Das ist einfache Mathematik.“ Es sei „ausgemachter Blödsinn“, dass die Lockerung der Schuldenbremse die deutsche Glaubwürdigkeit in Europa riskieren würde. Wichtiger sei es, die eigenen Gesetze richtig zu gestalten – und sich nicht selbst in eine Rezession zu führen. Erst dann könne man glaubwürdige Fiskalpolitik auf europäischer Ebene angehen.
„EU als Geisel“: Eine deutsche Rezession hätte Folgen für alle europäischen Staaten
„Es gibt viele Gründe, warum Deutschland jetzt mehr Geld in die Hand nehmen muss. Stattdessen steckt das Land in der Klemme“, so Kirkegaard. Dazu komme: „Mit seiner verfehlten Fiskalpolitik nimmt Deutschland die gesamte EU als Geisel.“ Er könne das übermäßige Sparen der deutschen Politik nicht nachvollziehen.
Der deutsche Haushalt habe schließlich Auswirkungen auf Europa, denn: „Wenn die größte Volkswirtschaft der Eurozone in eine selbstauferlegte Rezession schlittert, wird das nicht nur das Wachstum in vielen anderen Ländern, sondern auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank torpedieren“, erklärte der Ökonom. Es sei im Interesse aller europäischer Länder, dass es der deutschen Wirtschaft gut geht.
Zu geizig: Deutschland muss die Wirtschaft langfristig stabil halten
Deutschland sei zu geizig, da Staaten darauf angelegt seien, ewig zu bestehen. „Wenn Deutschland seine Wirtschaft heute fit für das 21. Jahrhundert macht, profitieren davon alle“, sagte Kirkegaard. „Die Schuldenbremse hilft nicht dabei, dieses Ziel zu erreichen.“ Dafür müsse mehr investiert werden. Die Schuldenbremse „hält Deutschland sogar davon ab, weil sie Wirtschaftskrisen verschärft.“ (hk)
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