Gewinne schrumpfen
Böses Erwachen für VW, Mercedes und BMW: "Gerade die Erfolgreichen tun sich schwer“
Chinesische Anbieter überflügeln deutsche Premiumhersteller, die Einnahmen von VW, Mercedes und BMW gehen zurück. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen.
Peking/Berlin – Deutsche Autohersteller stehen in China vor großen Herausforderungen. Im Vergleich zu früher gibt es einen starken Wettbewerb durch lokale Hersteller, die innovative Elektroautos zu günstigeren Preisen anbieten.
Dazu kommen strenge Umweltvorschriften, für eine schnelle Anpassung an neue Technologien – und schließlich eine weitere Komponente: geopolitische Spannungen und Handelsbarrieren, was die Geschäftsbedingungen mit China komplizierter statt einfacher macht.
Dieser Cocktail, woraus sich veränderte Verbraucherpräferenzen mit mehr Fokus auf nachhaltige Mobilität ergeben, lässt den Absatz und die Gewinne von VW, Mercedes-Benz und BMW schrumpfen.
Deutsche Autohersteller haben zwei wegweisende Technologien verschlafen
Laut Experten haben sich deutsche Autokonzerne zu lange auf ihren Lorbeeren ausgeruht, was sich in Selbstüberschätzung, üppigen Lohn- und Produktionskosten sowie einer Vernachlässigung der Weiterentwicklung niederschlägt. Mit der Batteriefertigung und der Software haben Volkswagen und Co. gleich zwei Trends verschlafen, erläutert Achim Kampker, Autoexperte der RWTH Aachen.
China-Hersteller haben dagegen aufgeholt: „Die bauen teilweise seit Jahrzehnten Autos, haben ihre Hausaufgaben erledigt und in Bereichen wie dem Design oder der Software inzwischen die Nase vorn, insbesondere auf dem chinesischen Markt“, erläutert der promovierte Maschinenbauer gegenüber n-tv.
Ihm zufolge müssen sich deutsche Autobauer ernsthafte Gedanken machen, wie sie in dem Wettbewerb bestehen. Die „tolle Autoindustrie ist dort nicht vom Himmel gefallen“, führt Kampker aus.
VW, Mercedes und BMW: „Gerade die Erfolgreichen tun sich unheimlich schwer“
Der Ingenieur zieht Parallelen zu jener Zeit, als japanische Autohersteller den europäischen Markt betraten: „Vor ein paar Jahren wurde auch gefragt, ob die Japaner uns im Automobilbau, in der Automation und in der Robotik überrollen werden. Das ist nicht eingetreten.“
Allerdings gibt Professor Kampker zu, dass die Situation für VW, Mercedes-Benz und BMW diesmal eine andere ist: „Im Maschinen- und Anlagenbau, in der batteriegetriebenen Technologie, also im Automotive- und auch im Softwarebereich“ machen chinesische Anbieter wie BYD vieles richtig. Von großer Bedeutung sei es aus Sicht der hiesigen Autoindustrie, die richtigen Schlüsse zu ziehen.
„Wenn plötzlich ein Wandel stattfindet, tun sich gerade die Erfolgreichen unheimlich schwer“, erklärt Kampker, ist allerdings der Meinung, dass die deutschen Premiumhersteller in diesem Kampf bestehen können.
Megatrends verschlafen: Bei Herstellern und Zulieferern „wird es richtig krachen“
Das gelingt nach Ansicht von Kampker nur mit einschneidenden Maßnahmen: „Hohe Löhne zahlen und alle Arbeitsplätze erhalten, wird nicht funktionieren. Es wird richtig krachen“, lässt der Mitgründer der Streetscooter GmbH wissen. Besonders für die Zuliefererstruktur erwartet der 48-Jährige einen größeren Stellenabbau, weil entscheidende Komponenten für Elektroautos nicht mehr in Europa gefertigt werden:
„Es gibt zwei Megatrends, die es zusammen so brisant und gefährlich machen: die IT und die Batterie. Die Batteriefertigung macht einen großen Teil der Wertschöpfung aus und ist nicht mehr bei uns beheimatet – bis zu den Anlagen, die die Batterien bauen.“
Im Softwarebereich sei das Problem ähnlich, Kampker zieht den Vergleich zum Untergang des Handyanbieters Nokia. „Die haben sich im Handymarkt lange auf die Funktion des Telefonierens konzentriert und sie immer weiter verbessert. Plötzlich waren mit dem Smartphone ganz andere Dinge gefragt.“
Absatz von Mercedes und Co. schrumpft – „riesiges China-Problem“
Von Mercedes erreicht uns am Freitag (25. Oktober) die nächste Hiobsbotschaft aus der Volksrepublik: Die Stuttgarter erlitten im dritten Quartal einen starken Rückgang von Gewinn und Marge. Der Nettogewinn schrumpfte gegenüber 2023 um knapp 54 Prozent auf 1,72 Milliarden Euro*, die Umsatzrendite im Pkw-Geschäft ging von 12,4 auf 4,7 Prozent zurück.
Mercedes habe „ein riesiges China-Problem mit seinen Elektroautos“, zitiert Agence France-Press (AFP) den deutschen „Autopapst“ Ferdinand Dudenhöffer. Mit einer Marge von 4,7 Prozent im Auto-Bereich sei das Unternehmen „auf dem Niveau der Sanierungsmarke VW angekommen“.
Die Zahl der insgesamt ausgelieferten Fahrzeuge ging um drei Prozent zurück. In China, nach wie vor dem wichtigsten Markt für Mercedes, belief sich der Rückgang auf 13 Prozent. Bei den Elektroautos ist der Absatz um ganze 31 Prozent eingebrochen.
Untergang der deutschen Autoindustrie? Appell wegen Vier-Tage-Woche
Derweil warnt Achim Kampker in dem Podcast „Klima-Labor“ von n-tv angesichts des Abschwungs deutscher Hersteller vor Schwarz-Weiß-Malerei: Zwar werde die deutsche Industrie „richtig durchgeschüttelt, ich glaube jedoch nicht an ihren Untergang“. Es sei an der Zeit, dass jeder seinen Beitrag liefert – und die Bereitschaft zeigt, Leistung zu erbringen.
„Wir können nicht über die Vier-Tage-Woche diskutieren, während man in anderen Ländern sechs Tage arbeitet. Das ist ein weltweiter Wettbewerb, bei dem uns andere nicht mehr kopieren, sondern in vielen Bereichen voraus sind“, führt der Hochschullehrer aus. Die sei von enormer Bedeutung, um aus der Krise herauszukommen.
Verbrennerantriebe gegen Elektroautos: „Das ist Zeitverschwendung“
Zwei Aspekte könnten nach Meinung des Professors dafür sorgen, dass der deutsche Automobilstandort gestärkt wird. Das eine betrifft die Antriebe und den Kampf gegen die Verbreitung von E-Autos: „Ich appelliere an alle, damit aufzuhören, die jeweils andere Technologie totzureden. Das ist Zeitverschwendung. (...) Schlussendlich wird der globale Markt entscheiden.“
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Der zweite Punkt ist die Entspannung der wirtschaftspolitischen Rivalität zu China. Dabei wird auch Kritik an der EU laut: „Es wäre inkonsequent, sich für Freihandel einzusetzen, solange wir vorn liegen und sobald man ins Hintertreffen gerät, baut man Handelsbarrieren auf. Das passt nicht zur Marktwirtschaft. Ein Handelskrieg hat noch nie dazu geführt, dass es besser wird.“ (PF)
* In einer früheren Version stand 1,72 Millionen Euro
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