Teil 3 - Rückkehr aus Garmisch
Tournee-Tagebuch: Von Betrugsvorwürfen und Tischtennis-Entspannung
Im Tagebuch zur Vierschanzentournee gibt Wintersport-Reporter Tobias Ruf exklusive Einblicke hinter die Kulissen. Hier gibt es das Skispringen-Highlight aus einem anderen Blickwinkel. Im dritten Teil geht es um die Rückkehr aus Garmisch-Partenkirchen.
Liebe Vierschanzentournee-Fans,
Ich freue mich, dass Ihr mich auf meinem Weg von Oberstdorf bis Bischofshofen begleitet. In meinem Tagebuch möchte ich euch ein Sportevent näherbringen, das mir ganz besonders am Herzen liegt.
Ich bin zurück aus Garmisch-Partenkirchen und habe eine Geschichte im Gepäck, die für viel Diskussionsstoff hinter den Kulissen sorgt. Es geht um die Dominanz der Österreicher bei dieser Vierschanzentournee. Nicht jeder glaubt, dass das mit rechten Dingen zugeht.
Schon beim Betreten des Presseraums an der Olympiaschanze wird getuschelt. Die Worte ‚Anzüge‘, ‚Schummeln‘ und ‚Dominanz‘ sind allgegenwärtig. Die starken Leistungen der Adler unseres Nachbarlandes rufen bei einigen Protagonisten im Umfeld der Tournee eine gewisse Skepsis hervor.
Maren Lundby, ehemalige Weltklasespringerin und heutige Expertin im norwegischen TV, sagt, dass die Dominanz verdächtig ist und im materiellen Bereich „irgendwas sei“. Ihr Landsmann Halvor Egner Granerud, 2022 selbst der Gewinner der Vierschanzentournee, formuliert es defensiver. „Es ist ungewöhnlich, dass eine Nation auf diese Art und Weise dominiert, wie die Österreicher das tun“, wird er in der österreichischen Kronen-Zeitung zitiert.
Konkret geht es um die Anzüge der ÖSV-Springer. Obwohl die Anzüge regelmäßig und genau kontrolliert werden, sollen sie nicht regulär sein. Sie sollen einen so entscheidenden Vorteil mit sich bringen, dass sich die bisherigen Ergebnisse damit erklären lassen.
Was ich von den Betrugsgerüchten halte? Ehrlich gesagt, nicht viel. Es mag sein, dass die Österreicher besonders wettbewerbsfähige Anzüge entwickelt haben und dadurch auch einen leichten Vorteil gegenüber der Konkurrenz haben - Skispringen ist ein Sport, in dem das Material eine sehr große Rolle spielt.
Die Leistungen aber nur damit erklären zu wollen, ist in meinen Augen eine billige Herangehensweise. Schon seit Jahren wird in Österreich auf allen Ebenen herausragend gearbeitet. In fast jeder Jugendklasse dominiert Rot-Weiß-Rot seit vielen Jahren die Konkurrenz. Aus einem stimmigen System sind Top-Talente wie Daniel Tschofenig erwachsen. Jan Hörl zeigt seit Jahren sein großes Potenzial und war schon bei der letzten Vierschanzentournee einer der Protagonisten.
Stefan Kraft ist einer der erfolgreichsten Skispringer seiner Generation. Und auch ein Michael Hayböck ist in guter Form immer ein Kandidat fürs Podest. Österreich verfügt über eine goldene Generation, die es bei dieser Vierschanzentournee geschafft hat, zum Höhepunkt der Saison in Bestform zu sein - eine Tatsache, von der sich die deutsche Mannschaft übrigens eine dicke Scheibe abschneiden sollte.
Ein wichtiger Faktor ist neben der sportlichen Klasse auch die nötige Leichtigkeit, die die Mannschaft von Cheftrainer Andreas Widhölzl an den Tag legt. Gestern bin ich vor dem Springen an den Teamcontainern vorbeigelaufen und spürte sofort, dass teamintern verdammt viel richtig läuft.
Tschofenig und Hörl sind Konkurrenten um den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee - es wäre der größte Erfolg ihrer Karriere. Ganz entspannt spielten sie eine Runde Tischtennis. Sie lachten, unterhielten und duellierten sich auf der Platte. Das Teamgefüge stimmt - genau wie die sportliche Klasse und eben auch das materielle Setup.
Statt sich mit neidischen Blicken auf die Konkurrenz zu beschäftigen, sollte die eine oder andere Nation vielleicht mal eher prüfen, wo im eigenen Lager Optimierungsbedarf besteht.
Ich wünsche einen guten Start ins neue Jahr,
Euer Tobias Ruf
In der kommenden Ausgabe blicke ich dann auf das Springen in Innsbruck zurück und habe weitere spannende Einblicke mit dabei.
Gibt es etwas, was Ihr schon immer über die Vierschanzentournee wissen wolltet? Schreibt mir gerne eine Mail unter tobias.ruf@ovbmedia.de. (Quelle: chiemgau24.de, truf)

