Athleten skeptisch, Verband beruhigt
Biathlon: Große Unruhe um geplante Änderung - „Das kann nicht Sinn der Sache sein“
Im Biathlon sorgt eine geplante Regeländerung für Wirbel. chiemgau24.de erklärt die Hintergründe und hat mit den Protagonisten gesprochen.
Anif - Schon zur kommenden Saison soll es im Biathlon in zwei Disziplinen eine Regeländerung geben. Hinter den Kulissen wird viel diskutiert. Viele Top-Athleten sprechen sich gegen die geplante Reform aus. chiemgau24.de nennt die Eckdaten, hat mit dem Biathlon-Weltverband IBU (Internationale Biathlon Union) und zwei deutschen Top-Athleten gesprochen.
Was soll sich ändern? Bisher durften sich die Top-15 des Gesamtweltcups ihre Startgruppe aussuchen. Meist wählten sie die erste oder zweite. Künftig sollen die 15 stärksten Athleten der Gesamtwertung verpflichtend in die dritte Startgruppe rücken. Diese beginnt in der Regel mit einer Startnummer um die 50. In der ersten Startgruppe sollen Athleten jenseits der Top-30 im Gesamtweltcup laufen. Die zweite Startgruppe ist für die Plätze 16 bis 30 vorgesehen. Es folgen die Top 15 in Startgruppe 3, in der Startgruppe 4 wird mit verbliebenen Athleten aufgefüllt.
Biathlon: Regeländerung soll für mehr Spannung sorgen - Athleten fürchten Nachteil
Was steckt dahinter? Die IBU will mit der geplanten Änderung für mehr Spannung in Sprints und Einzelrennen sorgen. Bisher waren besagte Rennen meist frühzeitig entschieden, da die stärksten Athleten in der Regel die niedrigeren Startgruppen auswählten. Für die Zuschauer am TV und vor Ort soll der Spannungsbogen vergrößert werden. Zudem könnte die Veränderung die Chancen auf Überraschungen erhöhen. Außerdem soll die Fairness erhöht werden. Die Top-Athleten starten in der identischen Gruppe und finden so sehr ähnliche Bedingungen vor.
Wie reagieren die Athleten? Die Athleten haben die Befürchtung, dass eine höhere Startnummer einen Nachteil darstellt, da die Piste im Laufe des Rennens nachlassen würde. Aus Norwegen gab es Kritik an der geplanten Änderung, auch deutsche Top-Athleten reagierten. Philipp Nawrath äußerte im Gespräch mit chiemgau24.de seine Bedenken.
Biathlon: Nawrath sieht die Änderung kritisch - „Das kann nicht Sinn der Sache sein“
„Ich halte das für keine gute Idee. Es ist meist ein Vorteil, in der ersten oder zweiten Gruppe starten zu dürfen und das erarbeitet man sich durch gute Leistungen. Ginge es nach der geplanten Regel, würden gute Leistungen nicht mehr belohnt werden. Das kann nicht Sinn der Sache sein“, sagte der Allgäuer und ergänzte. „Ich kann den Ansatz schon verstehen. Für kleinere Nationen ist das sicher ein Vorteil und die Spannung wird länger aufrechterhalten. Auf der anderen Seite könnte eine Entwicklung einsetzen, dass die Fans erst später einschalten, da die Top-Athleten nicht zu Rennbeginn zu sehen sind.“
Nawraths Teamkollege Johannes Kühn ist Teil der Athletenkommission und hat sich im Gespräch mit chiemgau24.de folgendermaßen geäußert. „Wir verstehen die Idee des Verbandes, stehen der geplanten Änderung aber kritisch gegenüber. Wir sind in Gesprächen mit der IBU und hoffen, einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden“, sagte Kühn.
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Wie reagiert der Verband? Aus Kreisen der IBU ist zu hören, dass kein Wettbewerbsnachteil für die Top-Athleten entstehen wird. Die Präparierung der Strecken werde inzwischen so professionell durchgeführt, dass es bei gleichbleibenden äußeren Bedingungen kaum Unterschiede zwischen den Startnummern gibt.
Was sagt der Verband? Auf Anfrage von chiemgau24.de übermittelte der Verband folgendes Statement. „Die IBU führt derzeit Gespräche mit ihren Interessengruppen, einschließlich des Athletenkomitees, über die Einführung eines neuen Startgruppensystems. Einige Details werden noch geprüft, daher wäre es verfrüht, über die Ergebnisse der laufenden Diskussionen zu sprechen. Die IBU ist zuversichtlich, ein Startgruppensystem zu implementieren, das noch spannendere Biathlon-Wettkämpfe und damit ein noch besseres Erlebnis für die Fans vor den Fernsehern und in den Stadien garantiert und gleichzeitig faire Bedingungen für alle Athleten gewährleistet.“
Was zeigt die Vergangenheit? Da die Top-Athleten meist in den vorderen Startgruppen vertreten waren, gibt es relativ wenige Vergleichswerte. Die Erfahrungen der Vergangenheit bilden beide Positionen ab. Es gab Rennen, bei denen die Strecke offensichtlich nachgelassen hat und eine niedrigere Startnummer einen Vorteil darstellte. Einige Ergebnisse aus der jüngeren Vergangenheit zeigen aber auch, dass in höheren Startgruppen Top-Resultate möglich sind. Bei der WM in Nove Mesto gewann der Norweger Sturla Holm Laegerid mit der Startnummer 50 die Goldmedaille. Silber ging an den Topfavoriten Johannes Thingnes Boe, der mit Startnummer 26 weit vor Laegreid ins Rennen ging. Beim Sprint im kanadischen Canmore liefen der Norweger Johan-Olav Botn (100) und Danilo Riethmüller (97) aus der deutschen Mannschaft mit sehr hohen Startnummern auf die Plätze 5 und 9.
Wie geht es weiter? Die IBU steht mit den Athleten im Austausch. Beide Parteien suchen nach einer Lösung, die für alle Parteien akzeptabel ist. Beim IBU-Kongress in Belgrad (26. bis 28. September) fällt die Entscheidung, ob die neue Regel kommt. Es deutet vieles darauf hin, dass die Änderung beschlossen wird. In welcher Form sie ausgestaltet sein wird, ist dagegen noch offen. Die neue Saison beginnt am 30. November, das erste Rennen mit neuer Regel würde am 3. Dezember steigen. Das nächste Sommer-Event steigt am 15. September in Dresden. (Quelle: chiemgau24.de, truf)