Philipp Nawrath im Interview
Biathlon: „Ich bin ich nicht ans Limit gegangen - Daraus habe ich hoffentlich gelernt“
Philipp Nawrath ist eine wichtige Säule im deutschen Biathlon. In der Vorsaison sorgte er für Furore. Im Interview spricht er über den ungewöhnlichen Weg zum ersten Weltcupsieg, eigene Fehler und die Debatte um eine umstrittene Regeländerung.
Altenberg - Der vergangene Biathlon-Winter hatte für Philipp Nawrath gleich zwei Highlights parat. Am 2. Dezember gewann er den Sprint von Östersund und feierte damit seinen ersten Weltcupsieg. Zudem übernahm er das Gelbe Trikot im Gesamtweltcup.
Dabei deutete im Mai 2023 nicht viel darauf hin, dass der Allgäuer seine bislang erfolgreichste Saison absolvieren würde. Im Rahmen der Deutschen Meisterschaften in Altenberg hat chiemgau24.de mit dem 31-Jährigen gesprochen.
Biathlon: Nawrath im Interview - Aus der Not entsteht der größte Erfolg
Herr Nawrath, wie ist Ihre Vorbereitung bislang gelaufen?
Philipp Nawrath: Sehr gut. Ich konnte mein Programm komplett absolvieren, war weder krank noch verletzt. Daher bin ich sehr zufrieden.
2023 haben Sie sich im Mai den Fuß gebrochen und mussten Ihr Training anpassen. Es folgte die erfolgreichste Saison ihrer Karriere. Hat sich durch die zwangsläufige Umstellung von 2023 ihre Herangehensweise an die diesjährige Vorbereitung geändert?
Nawrath: Das Trainerteam und ich haben damals nach kreativen Lösungen gesucht und sind damit gut gefahren. Deswegen haben wir die Elemente, die mir damals sehr geholfen haben, in mein reguläres Training übernommen. Wir haben beispielsweise viel mit Intervallen gearbeitet, das hat sich bis heute bewährt. Aber grundsätzlich trainiere ich natürlich wieder anders, als es mit dem gebrochenen Fuß der Fall war.
Biathlon: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass mir die Fehler von 2022 nicht mehr passieren“
Sie haben das Weltcupticket für den Saisonstart in Kontiolahti sicher. Vor zwei Jahren waren Sie in der gleichen Situation. Es folgte eine Saison, die nicht zufriedenstellend verlief. Welche Lehren haben Sie aus der damaligen Entwicklung gezogen?
Nawrath: Dass ich mich nicht auf Erfolgen ausruhen darf. Unterbewusst bin ich damals in der Vorbereitung nicht ans Limit gegangen. Das hat sich in der Saison dann gerächt. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass ich daraus gelernt habe und mir die Fehler von 2022 in diesem Jahr nicht mehr passieren. Ich darf nicht nachlassen, selbst wenn es gerade gut läuft.
Wie hat sich das Selbstverständnis mit dem ersten Weltcupsieg und dem Gelben Trikot verändert?
Nawrath: Das erreicht zu haben, ist ein tolles Gefühl. Ich habe in erster Linie mir gezeigt, dass ich die Fähigkeiten habe, ganz vorne zu stehen. Eigentlich hatte ich gehofft, dass dadurch eine Art Flow entsteht und es mir noch öfter gelingt. Das ist dann nicht eingetroffen. Aber letztlich überwiegt das Positive und das Selbstvertrauen ist gewachsen.
Der Weltverband IBU plant, die Zuteilung der Startgruppen in Sprint- und Einzelrennen zu ändern. Die besten Athleten sollen künftig ihre Startgruppe nicht mehr frei wählen können, sondern müssen zwangsläufig in die dritte Gruppe. Was halten Sie davon?
Nawrath: Ich halte das für keine gute Idee. Es ist meist ein Vorteil, in der ersten oder zweiten Gruppe starten zu dürfen und das erarbeitet man sich durch gute Leistungen. Ginge es nach der geplanten Regel, würden gute Leistungen nicht mehr belohnt werden. Das kann nicht Sinn der Sache sein.
Stehen Sie mit der IBU in Kontakt?
Nawrath: Ja. Unser internationaler Athletensprecher Sebastian Samuelsson hat eine Petition gestartet, die viele Athleten unterschrieben haben. Ich hoffe, dass die IBU die Regel noch einmal überdenkt.
Die IBU verspricht sich durch diese Änderung einen längeren Spannungsbogen innerhalb des Rennens. Klingt auf den ersten Blick doch gut . . .
Nawrath: Ich kann den Ansatz schon verstehen. Für kleinere Nationen ist das sicher ein Vorteil und die Spannung wird länger aufrechterhalten. Auf der anderen Seite könnte eine Entwicklung einsetzen, dass die Fans erst später einschalten, da die Top-Athleten nicht zu Rennbeginn zu sehen sind.
Im vergangenen Winter wurde viel über das Material diskutiert. Ab wann merkt ein Athlet, ob der Ski gut läuft oder nicht?
Nawrath: Die erste Zwischenzeit ist der wichtigste Indikator. Man spürt vorher schon, ob der Ski gut läuft oder nicht. Da weiß man aber nicht, ob es an den Verhältnissen oder am eigenen Material liegt.
Wie geht man damit um, wenn das Material nicht gut ist?
Nawrath: Im Idealfall entsteht eine ‚Jetzt-erst-recht-Mentalität‘. Das sagt sich leichter, als es auf der Strecke dann tatsächlich ist. Aber ich versuche, aus der Situation immer das Beste herauszuholen. Wenn ich mir zu viele negativen Gedanken mache, wird der Ski auch nicht schneller.
Wie sieht die interne Kommunikation aus, wenn man mit seinem Ski nicht zufrieden ist?
Nawrath: Wir haben innerhalb des Teams Ansprechpartner, die dann mit den Technikern und der sportlichen Leitung kommunizieren.
Wer hat diese Rolle inne?
Nawrath: Zum einen ist Roman Rees unser gewählter Athletensprecher und auch Johannes Kühn als ältester im Team spricht die Dinge immer klar und offen an. Bis zur vergangenen Saison war Benedikt Doll noch unser Ansprechpartner, aber der hat seine Karriere ja beendet. Das Ganze ist aber keine Einbahnstraße, die Kommunikation im Team ist uns sehr wichtig, und wenn wir gutes Material haben, sprechen wir das auch explizit an und bedanken uns bei den Technikern. (Quelle: chiemgau24.de, truf)