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Von Klimawandel bedroht

Trump greift nach Grönland: So ist das Leben auf der größten Insel der Welt

US-Präsident Trump greift nach Grönland – obwohl das zu Dänemark gehört. So sieht es auf der Insel vor Ort aus.

Große Aufregung um Grönland: Der designierte US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, die Insel übernehmen zu wollen. Die gehört aber zu Dänemark. Trump hat wirtschaftliche und sicherheitspolitische Ziele im Sinn, wird aber international für seine Aussagen stark kritisiert. Wie sieht es auf der Insel aus, die jetzt so im Fokus ist. Autor Niklas Franzen war für die Frankfurter Runschau vor Ort, noch bevor der zukünftige US-Präsident sein Vorhaben ankündigte. So ist das Leben auf der größten Insel der Erde:

Arno Hammann steigt einen Hügel hinauf und lässt den Blick über den Fjord schweifen. Regen prasselt, ein eisiger Wind pfeift. Am Ufer stehen mehrere Holzhütten, Teil einer Forschungsstation. Der Kobbefjord liegt etwa 40 Bootsminuten von Grönlands Hauptstadt Nuuk entfernt. Hammann, ein 45-jähriger Deutscher, und seine Kollegen nehmen hier Langzeitbeobachtungen zu Klima und Ökologie vor.

Hammann deutet auf einen Berg, der in dichten Wolken verborgen liegt. „Dahinter befindet sich ein Gletscher, der jedes Jahr weiter schmilzt.“ Die Methode zur Messung: Stangen werden tief ins Eis gebohrt. Während die Stangen auf gleicher Höhe bleiben, sinkt die Eisoberfläche kontinuierlich ab. Für Hammann steht fest: eine direkte Folge der globalen Erwärmung.

Grönlands Eispanzer schmilzt: „Wirkt wie ein Eiswürfel im Getränk“

Heute ist das Wetter zu schlecht für Messungen. Hammann zieht sich in eine der Hütten zurück und setzt sich mit einer Kollegin bei einer Tasse Kräutertee an den Tisch. Die Forschungsstation gehört zum „Greenland Ecosystem Monitoring“-Projekt, das überwiegend Dänemark finanziert. Am Fjord werden zahlreiche Faktoren überwacht: Temperatur, Wind, Niederschlag, Schneehöhen.

Der deutsche Forscher Arno Hammann im Einsatz auf Grönland.

Die Arktis erwärmt sich viel schneller als der Rest der Welt. Grönland wird oft als „Ground Zero des Klimawandels“ bezeichnet. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede innerhalb der Arktis. Während etwa in Nordrussland die Temperaturen stark gestiegen sind, zeigen die Daten aus Südwestgrönland keine vergleichbare Erwärmung. Hammann erklärt: Die Energie, die durch den CO₂-Anstieg im globalen Klimasystem gehalten wird, fließe hier weniger in die Erwärmung der Luft, sondern vor allem in das Schmelzen des Eises. 84 Prozent Grönlands sind von einem Eisschild bedeckt, das an seiner dicksten Stelle drei Kilometer misst. „Der Eispanzer wirkt wie ein Eiswürfel in einem Getränk“, sagt Hammann.

Laut einer im Januar 2024 im Fachmagazin Nature veröffentlichten Studie hat die größte Insel der Welt in den letzten Jahren 20 Prozent mehr Eis verloren als bisher angenommen. Das Schmelzwasser trägt erheblich zum Anstieg des Meeresspiegels bei und beeinflusst globale Wetterphänomene wie den Golfstrom. Studien zeigen zudem einen Zusammenhang zwischen dem arktischen Eisverlust und Extremwetter in Europa. Darüber hinaus heizt die festgehaltene Energie die Ozeane auf. Das Meereis, Lebensgrundlage und Symbol für das traditionelle grönländische Leben, schmilzt weiter. Dadurch, so erklärt Hammann, wird immer mehr Wasser freigelegt, das aufgrund seiner dunkleren Farbe mehr Sonnenstrahlung absorbiert als das Eis. Das beeinflusse die weltweite Klimadynamik massiv.

Klimawandel lässt Erdbeeren auf Grönland wachsen – aber viele Inuit-Familien trifft er hart

„Wir Inuit sehen und spüren die Klimaveränderungen in unserem Alltag sehr stark“, sagt Sara Olsvig, 46 Jahre, große Brille, Seitenscheitel. Sie sitzt in ihrem Büro im Herzen Nuuks. An den Wänden hängen alte Harpunen, Karten und schwarz-weiß Fotos. Olsvig ist Vorsitzende des Inuit Circumpolar Council, der internationalen Vertretung der Inuit. „Oft wird erwartet, dass indigene Nationen genauso auf den Klimawandel reagieren wie große westliche Staaten. Das ist jedoch nicht möglich.“

Die grönländische Wirtschaft ist stark von der Fischerei abhängig: 98 Prozent der Exporteinnahmen stammen aus dieser Branche. Doch durch die Klimaveränderungen verschieben sich die Fischrouten, was die Kalkulation zunehmend erschwert. Auch für die Jäger hat das schmelzende Eis Konsequenzen. Oft fehlt schlicht das notwendige Eis, um mit den Schlittenhunden auf die Jagd zu gehen. „Das trifft viele Familien hart“, sagt Olsvig.

Auf der anderen Seite ermöglichen die steigenden Temperaturen eine vorsichtige Rückkehr der Landwirtschaft im Süden. Es gibt nun grönländische Erdbeeren – noch vor einigen Jahren undenkbar. Zudem legt die große Schmelze zuvor unzugängliche Gebiete frei. Aus diesem Grund beobachtet auch die Bergbauindustrie die klimatischen Veränderungen aufmerksam: Immer größere Flächen, unter denen wertvolle Rohstoffe schlummern, sind nun eisfrei. Schiffe können potenzielle Abbaugebiete über längere Zeit ansteuern. Einige träumen auch davon, die Bergbauindustrie auszubauen, um eines Tages unabhängig zu werden. Trotz weitgehender Selbstverwaltung ist Grönland weiterhin Teil der ehemaligen Kolonialmacht Dänemark.

Klimawandel befördert „Last-Chance-Tourismus“ auf Grönland: Sensationsmarketing wäre „unethisch“

Die vielversprechendste Branche ist jedoch eine andere: der Tourismus. Mads Nordlund steht auf der Terrasse seines Hauses. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf die Holzdächer von Nuuk, den alten Kolonialhafen und die Bucht, in der ein einsamer Eisberg treibt. Nordlund, 60 Jahre, gebürtiger Däne, lebt seit Jahrzehnten in Grönland und kennt das Land in- und auswendig. Er ist Leiter der Tourismusagentur Guide to Greenland.

Grönlands Eisberge sind zur schwindenden Attraktion geworden – auch mit der Fähre Sarfaq Ittuk (im Bild) sind Touristen unterwegs.

„Der Klimawandel hat die Arktis auf eine Weise in den Fokus gerückt, wie wir es durch Marketing oder PR-Aktionen allein nie geschafft hätten“, erklärt er. Titelgeschichten in Magazinen warnen vor dem Abschmelzen der Gletscher, auf Klimakonferenzen ist Grönland ein zentrales Thema. „Viele Touristen kommen, um die Eisberge zu sehen, bevor sie verschwunden sind“, weiß Nordlund. Dieses Phänomen ist auch als Last-Chance-Tourism bekannt. Nordlund lehnt sensationsgetriebenes Marketing ab und betont, die Klimaveränderungen nicht als Lockmittel zu nutzen: „Das wäre unethisch.“

Grönland wird im Klimawandel Touri-Ziel – noch profitieren vor allem ausländische Anbieter

Bislang sind es vor allem ausländische Anbieter, die von der Faszination Grönlands profitieren. Ein Gesetz wird allerdings derzeit diskutiert, das den Anteil lokaler Akteure erhöhen soll. Nordlund organisiert Bootstouren zu den Eisfjorden und Walbeobachtungsfahrten, oft mit ehemaligen Fischern und Jägern als Guides. Bisher sind es vor allem Outdoor-Enthusiasten und Kreuzfahrtgäste, die nach Grönland reisen. Wenn die riesigen Schiffe in Nuuk anlegen, drängen sich Menschen mit teuren Outdoor-Jacken und noch teureren Kameras durch die Fischhalle, wo Riesengarnelen, Robbenfleisch und Grindwalköpfe angeboten werden. Die steigenden Temperaturen machen auch Wandertouren und arktische Segeltouren immer beliebter.

Grönland könne viel von Island lernen, glaubt Nordlund. Trotz seiner geringen Bevölkerung ist die Insel zu einem beliebten Touristenziel geworden. 2023 besuchten 2,2 Millionen Menschen das „Land aus Feuer und Eis“. Im gleichen Zeitraum kamen gerade einmal rund 150.000 Tourist*innen nach Grönland. Das Land ist schwer erreichbar, es gibt keine Straßen zwischen den Siedlungen, die Preise sind hoch und Unterkünfte sind rar. Doch zumindest in Nuuk tut sich einiges. Überall wird gehämmert, geschweißt und gesägt. Im November 2024 eröffnete der erste internationale Flughafen des Landes, und der erste Direktflug aus Kopenhagen landete. In Grönland stehen neue Zeiten an.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Ulrik Pedersen

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