Brutale Vorfälle unter Ski-Touristen sorgten für Aufsehen
Straßenschlachten und abgebissene Nase: So schlagen Tirols Après-Ski-Hochburgen zurück
Diesen Winter sorgten mehrere brutale Vorfälle unter Touristen in Tirol und darüber hinaus für negative Schlagzeilen. Manche Orte haben Mittel gegen solche Auswüchse gefunden – andere hingegen suchen sie noch.
Innsbruck – Eine Gruppe niederländischer Touristen geht Ende Jänner in Ischgl auf den Fahrer eines Linienbusses los. Der Mann wird verletzt. Auch ein Gast, der ihm helfen will, muss von einem Arzt behandelt werden. Wenige Tage später geraten in St. Anton mehrere Briten aneinander. Bei der Schlägerei beißt ein 50-Jähriger seinem Kontrahenten (29) die Nasenspitze ab. Der Täter sitzt einige Zeit in Untersuchungshaft.
In der Nacht auf den 18. März prügeln sich im Sölder Zentrum mindestens zehn Deutsche. Es gibt mehrere Verletzte. Am Wochenende zuvor liefern sich Fußballfans aus den Niederlanden vor der Talstation der Dorfbahn in Gerlos eine regelrechte Straßenschlacht. Sie schlagen mit Ski und Snowboards aufeinander ein. Passanten halten die brutalen Szenen in einem Video fest. rosenheim24.de hatte darüber berichtet.
Das ist nur ein Auszug aus einer langen Liste an gewalttätigen Auseinandersetzungen, die sich diesen Winter in Tiroler Tourismus-Destinationen ereignet haben. Oft war auch Alkohol im Spiel. Erst wird fröhlich gefeiert, dann fliegen die Fäuste – besonders im Après-Ski kein unbekanntes Muster. Doch während der vergangenen Monate scheint es besonders oft und heftig aufgetreten zu sein. Einige Party-Hochburgen haben Wege gefunden, das Problem einzudämmen, andere hingegen suchen sie noch.
Anstieg bei Aggression klar zu erkennen
Zahlen, die den Eindruck immer mehr ausufernder Exzesse untermauern würden, gibt es keine. „Wir können nicht seriös beantworten, ob die Gewalt durch Gäste zuletzt zugenommen hat“, sagt Stefan Eder, Sprecher der Tiroler Polizei. „Eine solche Statistik wird nicht geführt.“ Also vielleicht doch alles halb so wild? Nein, sagt Helmut Mall. Der Bürgermeister von St. Anton am Arlberg beobachtet einen deutlichen Anstieg brutaler Zwischenfälle. „Das ist sehr bedenklich. Die Gewaltbereitschaft steigt, die Hemmschwelle sinkt, befeuert durch den Konsum von Alkohol und vermehrt auch Drogen“, meint er. „Da wurde einem die Nase abgebissen. Mich schockiert das zutiefst.“
An der Frage, wie sich derlei Auswüchse in der Gemeinde am Arlberg verhindern lassen, verzweifelt Mall zurzeit. „Wir haben Security im Dorf, Alkoholverbote an öffentlichen Plätzen, die Sperrstunden vorverlegt. Nichts hat wirklich gewirkt, aber das Ganze muss sich einfach beruhigen.“ Der Bürgermeister und andere Verantwortliche denken daher über weitere Maßnahmen wie zusätzliches Sicherheitspersonal oder ein ausgedehntes Alkoholverbot nach. „Nur eine Tafel aufhängen bringt allerdings wenig“, sagt Mall. „Schnaps, Bier und Co. sind der Haken an der ganzen Sache. Vielleicht muss einfach hier ein Umdenken stattfinden.“
Alkoholverbot als Maßnahme
Wenige Kilometer Luftlinie entfernt, in Ischgl, scheint das bereits passiert zu sein. Das glaubt zumindest Thomas Köhle, Geschäftsführer des örtlichen Tourismusverbandes. Im Partybetrieb werde es immer Reibereien geben, sagt er. „Aber bei uns ist feiern und nachts auf die Straße gehen möglich, ohne dabei Angst haben zu müssen, in eine Prügelei zu geraten.“ Von allein kommt das jedoch nicht.
In der Paznauner Urlauber-Hochburg gilt ein Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen, ab 20 Uhr dürfen Skischuhe nicht mehr getragen werden und Busse von Tagesgästen nicht mehr parken. „Bei den Lokalen sind Türsteher im Einsatz. Seilbahn, Tourismusverband und die Gemeinde haben außerdem eine zusätzliche Überwachung mit privaten Securitys organisiert. Alles in allem funktioniert’s.“
Einen eigenen Sicherheitsdienst leistet sich auch Mayrhofen im Zillertal. Bereits seit 15 Jahren ist dieser während der Wintersaison die ganze Nacht über unterwegs. „Dass einmal die Fetzen fliegen, lässt sich nie ganz verhindern. Aber die Securitys sind im Ernstfall schnell vor Ort und können direkt eingreifen“, erklärt Andreas Lackner, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Mayrhofen.
Die Lage habe sich dadurch spürbar entspannt. „Wenn viele Männergruppen da sind, ist das Aggressionspotenzial freilich höher als in Zeiten, zu denen hauptsächlich Familien hier urlauben“, sagt Lackner. „Aber mittlerweile haben wir die Situation gut unter Kontrolle. Das Problem ist keines mehr.“
Von Benedikt Mair – Dieser Artikel erschien zuerst in der Tiroler Tageszeitung.