Beim Almauftrieb am Königssee
Wolf und Bär bestimmendes Thema: Bauern wütend und in Sorge
Schönau am Königssee - Der diesjährige Auftakt zum Almauftrieb am Königssee stand ganz im Zeichen der Großraubtiere Wolf und Bär, die im Mittelpunkt der Diskussionen zwischen einer Vielzahl von politischen Vertretern und jenen des Bayerischen Bauernverbands standen. Vor diesem Ereignis wurden die Kühe von Landwirt Stefan Resch auf Booten über Bayerns berühmten sieben Kilometer langen Gebirgssee befördert.
Mit einer großen Zahl von Helfern treibt Landwirt Stefan Resch seine Kühe durch die Seestraße in Richtung Königssee. Auf einem Boot werden sie über den bei Urlaubern beliebten Königssee transportiert - um den Almsommer auf den Wiesen im Nationalpark Berchtesgaden zu verbringen.
Wolf und Bär bestimmendes Thema beim Almauftrieb
Doch das, was auf Bildern so idyllisch wirkt, ist es spätestens seit diesem Jahr nicht mehr. Denn die Almbauern haben Angst, ihre Tiere dorthin zu bringen, seitdem sie in der Region vermehrt Wolfsrisse und -sichtungen zu beklagen haben, und keiner weiß wie das alles weitergeht. Seit kurzem ist auch noch der Braunbär da.
„Die Bauern haben die Schnauze voll”, sagt der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, Günther Felßner. Der Mittelfranke spricht ein bisschen wie Markus Söder, verhalten lobt er sogar dessen Bemühen im Kampf gegen den Wolf. Zufrieden ist er mit dem politisch Erreichten aber keinesfalls. Die Bauern klagen, weil vieles im Umbruch ist.
Präsident des Bauernverbandes in Sorge
„Es geht hier um Menschen, um unsere Almwirtschaft”, verdeutlicht Felßner. Er befürchtet, Bayern könnte langfristig „sein Gesicht verlieren, sollte die Weidewirtschaft verschwinden”. 1440 Hektar Fläche bewirtschaften die Almbauern in der Region. „Es gibt 55 bestoßene Almen”, sagt Kreisobmann Hans Gruber. Wiederkäuerlastig sei das Berchtesgadener Land. 31500 Rinder gibt es hier, knapp 5000 Schafe, 5000 Schweine, wobei die meisten davon Aufzuchtferkel sind.
Die große Sorge, die derzeit viele herumtreibt: Es gibt immer mehr Bauern, die aufhören oder ihre Tiere diesen Sommer erst gar nicht auf die Almen bringen. Ohne Hirten und ohne Aufsicht wären die Nutztiere sich selbst überlassen. Bauernpräsident Felßner sagt deutlich, aber überspitzt, was andere denken: „Ein Almauftrieb auf den Speiseteller des Wolfs.”
Auch Michaela Kaniber äußert Unmut
Staatsministerin Michaela Kaniber gefällt die derzeitige Entwicklung überhaupt nicht. Denn die Region lebt von den Almbauern, von der Bewirtschaftung der Kulturlandschaft. Touristen kommen zum Wandern, weil es oben am Berg schön ist. Ohne Tiere würden die Flächen zuwachsen: Kulturlandschaft ade. Als Landwirtschaftsministerin ist ihr die Entwicklung alles andere als recht. Aber das leidige Thema um Freiweideflächen, unmögliche Herdenschutzzäune und mögliche Wolfsentnahmen kommt nicht zur Ruhe.
Im Landkreis Berchtesgadener Land ist man im Begriff, ein Netzwerk aufzubauen. Landkreis- und grenzübergreifend soll es sein. „Wir wollen mit einer Stimme sprechen”, sagt Landrat Bernhard Kern. An ihm liegt es nun, die Order zu geben, einen Wolf im Fall der Fälle zu entnehmen. Der Hass der Tierschützer wäre ihm gewiss.
Morddrohungen wegen Diskussion um Beutegreifer
Es habe bereits mehrere Morddrohungen gegeben, bestätigt Ralf Huber. Bio-Bauer Huber ist Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes im größten bayerischen Regierungsbezirk Oberbayern. Die Entwicklung gehe in die komplett falsche Richtung. „Bei einer Morddrohung: Da brauchen wir nicht mehr weiterreden.” Das Ende der Fahnenstange sei erreicht. Auch Landesbäuerin Christine Singer sagt: „Uns wird Hass und Hetze entgegengebracht.” Verständnis dafür hat niemand.
Konsequenzen gezogen hat hingegen bereits mancher: Die Wolfsbeauftragte der Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein, Gabi Thanbichler, weiß, wovon sie spricht. Wolfsmeldungen werden aktuell nur noch anonym an die Öffentlichkeit gegeben: „Weil alle Angst haben.” Man wolle niemanden unnötigen Entgleisungen aussetzen.
Der jahrelange Kampf macht die Bauern müde
Anja Fagerer ist ebenfalls beim Almauftrieb mit dabei. Die Landwirtin betreibt in Piding gemeinsam mit ihrem Mann einen Bio-Ziegenhof. 230 Ziegen stehen bei ihr im Stall. „Es geht hier eindeutig um unsere Zukunft”, sagt sie. An ihrem Körper trägt sie zwei Schilder. Vorne steht: „Muss sich ein Reporter einen Rottweiler kaufen und unterhalten, damit er seiner Arbeit nachgehen kann? Vom Bauern wird es verlangt!”
Anja Fagerer hatte 2015 selbst einen Ziegenriss zu beklagen. Am Jochberg fand die Familie nach 15 Stunden „das komplett abgefieselte Tier”. Seitdem setzt sie sich im Besonderen für die Belange der Landwirte ein. Der jahrelange Kampf macht müde. Auch Regina Hasenknopf betreibt in Bischofswiesen eine Landwirtschaft. “Ich traue mich aktuell nicht, meine Kühe draußen zu lassen”, sagt sie.
Almwirtschaft in Gefahr
Den Tod der Almwirtschaft wünscht sich keiner der Beteiligten. Doch die Gemüter sind erhitzt, weil die Situation so verworren ist: „Sind die in der Politik eigentlich alle bescheuert? Ihr tut nichts. Ihr redet immer nur”, schimpft ein aufgebrachter Zuhörer. Klar für ihn ist: Der Wolf hat höhere Priorität als der Landwirt. „Er ist wichtiger als unsere Bauern.”
Bauernpräsident Günther Felßner sagt: „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem sich unsere Leute von den Almen zurückziehen.”
kp
