CSU-Veranstaltung im „Hollywood“
„Historische Zeiten“: Weber und Stoiber werben für „Schicksalsgemeinschaft Europa“
Am 9. Juni wird ein neues Europa-Parlament gewählt. Die CSU-Spitzenpolitiker Manfred Weber und Edmund Stoiber haben in Mühldorf jetzt über Europa als „Schicksalsgemeinschaft“ gesprochen. Warum die beiden Franz Josef Strauß korrigieren.
- Eine neue „Achse des Bösen“ bedroht Europa und Deutschland
- Erfolg rechtsextremer Parteien könnte das Europäische Parlament handlungsunfähig machen
- Stoiber und Weber fordern Lösungen für die Migration und weniger Bürokratie
Mühldorf – Bei der Europawahl am Sonntag, 9. Juni, geht es nicht nur um die nächste Legislaturperiode im Europaparlament. Es geht um die Zukunft Europas, es geht wieder um die ganz großen, grundsätzlichen Fragen von Demokratie, Friede und Freiheit. Das betonten am Donnerstag (23. Mai) zwei deutsche und europäische Spitzenpolitiker der CSU auf einer Veranstaltung des CSU-Kreisverbandes: der Europaabgeordnete Manfred Weber und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber.
Der Saal 2 im Mühldorfer Kino „Hollywood“ war fast bis auf den letzten Platz besetzt, als sich Weber und Stoiber über „Europa – gestern, heute, morgen!“ unterhielten. Unter den Gästen waren auch der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer, der Landtagsabgeordnete Sascha Schnürer, die Bezirkstagsabgeordneten Claudia Hausberger und Gisela Kriegl sowie zahlreiche Bürgermeister und kommunale Mandatsträger der CSU. Sie erlebten einen beeindruckenden, kurzweiligen, engagierten, teils auch sehr vergnüglichen Abend, der die Brisanz der Weltlage in den Saal holte, während draußen ein Unwetter über Mühldorf hinwegzog.
„Es geht wieder um Grundsatzfragen“
„Es sind wieder historische Zeiten. Es geht wieder um Grundsatzfragen“, betonte immer wieder Weber, der CSU-Vize und zugleich Fraktions- und Parteivorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) ist. Und der 83-jährige, bestens aufgelegte Stoiber, der 1979 als CSU-Generalsekretär den ersten Europawahlkampf erlebt hatte, zog wiederholt die große Linie vom Zweiten Weltkrieg über den Aufbau Deutschlands bis heute: Eine Leistung, die ohne die Europäische Union und ohne „mutige Entscheidungen“ von Politikern nicht möglich gewesen wäre. Nicht ohne Stolz erklärte Weber: „Die CSU war an all diesen Grundsatzentscheidungen beteiligt.“
Ein funktionierendes Europa sei heute wichtiger denn je. Das wurde immer wieder deutlich, als die beiden Spitzenpolitiker – moderiert vom CSU-Kreisvorsitzenden und Landrat Max Heimerl – in Zeiten von Kriegen, Migration und dem Aufstieg der Rechtsextremen den Zustand Europas und der Welt beleuchteten.
Naivität ablegen
Angesichts der Entwicklungen auf der Welt müsse Europa selbständiger werden, vermehrt für die eigene Sicherheit sorgen. Stoiber erinnerte an die amerikanischen Soldaten, die gegen Nazi-Deutschland „für unsere Freiheit“ gekämpft haben, „weil wir es nicht konnten“. Jetzt müsse Deutschland aber selber mehr leisten. „Die Welt ist im Umbruch.“
„Es gibt wieder eine Achse des Bösen“, warnte Weber und nannte Iran, Nordkorea, Russland und China. „Ich habe den Eindruck, die Bösen haben einen Plan und wir schauen nur zu. Legen wir die Naivität ab. Russland und China haben größere Ambitionen.“
Europa muss sich verteidigen können
Stoiber forderte einen „stärkeren europäischen Pfeiler in der NATO“. Und kritisierte die mangelnde Hilfe Deutschlands für die Ukraine oder beim iranischen Raketenangriff auf Israel: „Wir sind die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt und können nicht helfen. Das muss sich ändern.“
Ein Rezept gegen den Populismus
„Wie können wir die AfD klein halten?“, fragte Heimerl. Der erste Schritt ist für Weber, die Teilnahme an der Europawahl. „Europa ist nicht perfekt, aber es ist das beste, das wir je hatten. Daher müssen wir es gegen die Nazis verteidigen. Wenn wir Mut hätten, mit den großen Fragen unserer Zeit wieder groß zu argumentieren, dann ist das das beste Mittel gegen den Populismus.“
Sollten die rechtsextremen Parteien bei der Europawahl Erfolg haben, dann „könnten wir mit einem dysfunktionalen Parlament aufwachen“, dessen demokratische Mitte keine Mehrheit mehr hätte, das nicht mehr handlungsfähig wäre, so Weber. Die Rechtsextremen hätten kein Interesse an einem funktionierenden Europa oder an einer Lösung der Migration: „Die AfD lebt nur vom Misserfolg.“
„Wir haben die Belastungsgrenze überschritten“
Doch genau die Migration müsse gelöst werden, so Stoiber: „Jeden Tag kommen über tausend Flüchtlinge. Ich bin für die Menschen da, die in Not sind, aber ich muss sie bei uns integrieren können.“ Und Weber ergänzte unter dem Applaus der Zuhörer: „Wir haben die Belastungsgrenze überschritten.“
„Wann gehen die Zahlen zurück?“, hakte Heimerl nach.
Weber verwies auf den Migrationsdeal, den er nur mit knapper Mehrheit durch das Europäische Parlament gebracht habe. Dieser regele die Aufnahme an der Außengrenze und schnelle Verfahren. Weiter müsse der europäische Grenzschutz Frontex gestärkt und ein Pakt der Mittelmeerstaaten geschlossen werden. Einen Zeitpunkt wollte Weber auch auf Nachfrage nicht nennen. „Ich kann nur sagen, dass wir zum ersten Quartal dieses Jahres bereits von Tunesien deutliche Rückgänge haben, weil wir das Tunesien-Abkommen schon abgeschlossen haben.“ Stoiber nannte dagegen einen Zeithorizont von zwei Jahren.
Bürokratieabbau erfordert ein Umdenken
Ein weiteres großes Thema: die Bürokratie. Um ihr Herr zu werden, hielt Stoiber ein flammendes Plädoyer für ein Umdenken der Politiker: „Wir regeln zu viel, was wir nicht verwalten können. Wir müssen auch mit 70 Prozent zufrieden sein.“ Es brauche nicht immer die unerfüllbare hundert Prozent Lösung. „Wir machen zu viel. Wir müssen bescheidener werden mit unseren Vorgaben.“
Abschließend rief Heimerl ein Zitat von Franz Josef Strauß in Erinnerung: „Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft.“
Ein Strauß-Zitat erntet Widerspruch
Sowohl Stoiber wie auch Weber wollten das so nicht mehr uneingeschränkt stehen lassen. „Europa ist unsere Gegenwart“, sagte Stoiber. Und Weber ergänzte mit Blick auf die weltweiten Entwicklungen: „Europa ist unser Schicksal. In der Welt da draußen werden wir als Deutsche in der Welt von morgen keine Rolle mehr spielen.“ Daher gelte es gemeinsam den European Way of Life mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung und sozialer Marktwirtschaft zu verteidigen. „Das ist unsere Zukunft. Deswegen: Schicksalsgemeinschaft Europa, stolze Bayern, stolze Deutsche und stolz auf Europa sein.“
Mit einem langen Applaus und Gastgeschenken von der Vorsitzenden der Frauen-Union Mühldorf-Polling, Inge Bazelt, schloss ein Abend, den der Mühldorfer CSU Ortsvorsitzende Milot Spörl eröffnet hatte. Und während sich die Besucher im Foyer zu einem Ratsch zusammenfanden, standen Stoiber und Weber noch geduldig für zahlreiche Interviews und Erinnerungsfotos zur Verfügung, ehe sie sich – zumindest das Unwetter über Mühldorf hatte sich inzwischen verzogen – auf den Heimweg machten.

