„Die Atmosphäre ist gigantisch“
24h-Rennen auf dem Nürburgring: Das braucht es, um die „Grüne Hölle“ zu bezwingen
Die 24 Stunden auf dem Nürburgring gehören zu den prestigeträchtigsten Langstreckenrennen der Welt. Der Bruckmühler Rennfahrer Benjamin Mazatis war 2024 dort am Start und verrät, was es braucht, um die „Grüne Hölle“ zu bezwingen.
Nürburgring – Am Samstag (21. Juni) um 16 Uhr ist es so weit: Die 53. Ausgabe der ADAC Ravenol 24 Stunden auf dem Nürburgring geht an den Start. 141 Fahrzeuge in 20 Klassen liefern sich auf der längsten Rennstrecke der Welt ein Spektakel, das seinesgleichen sucht. In einer Kombination der berüchtigten 20 Kilometer langen Nordschleife und dem fünf Kilometer langen Grand-Prix-Kurs jagen die Rennboliden durch die „Grüne Hölle“, wie Formel-1-Legende Jackie Stewart die Rennstrecke am Fuße der Nürburg in der Eifel einst taufte.
„Die Atmosphäre ist gigantisch“, schwärmt der Bruckmühler Automobilrennfahrer Benjamin Mazatis vom Langstrecken-Klassiker und fügt an: „Das ist wirklich speziell und ein einmaliges Event, das sich auch deutlich von anderen Rennveranstaltungen abhebt und wahrscheinlich nur mit den 24 Stunden von Le Mans gleichzusetzen ist.“
Benjamin Mazatis: „Jeder kleinste Fehler endet gleich in der Leitplanke“
In der GT3, der leistungsstärksten Klasse, die auf der Nordschleife unterwegs ist, holte Mazatis 2024 im Walkenhorst-Aston-Martin Vantage GT3 mit der Startnummer 35 den 19. Platz und hat sich damit einen großen Traum erfüllt. „Die Strecke ist extrem lang und sehr herausfordernd, weil du kaum Auslaufzonen hast. Das heißt, jeder kleinste Fehler endet gleich in der Leitplanke. Und ja, wenn man ehrlich ist, so ein bisschen verrückt muss man da schon sein“, sagt Mazatis und lacht. Aber es ist das Zusammenspiel aus der fahrerischen Herausforderung und den Zuschauern, das das Event für den Bruckmühler so besonders macht: „Wenn es Nacht wird und du riechst im Auto, wie die Zuschauer grillen, oder die Lichter, wenn Party an der Strecke ist – du darfst dich natürlich nicht ablenken lassen, aber du bekommst es schon mit.“
Über 24 Stunden kann viel passieren, und am Ende gewinnt das Auto, das sich am wenigsten Fehler auf dem 25,278 Kilometer langen Rundkurs mit seinen 87 Kurven und einem Höhenunterschied von 290 Metern leistet. Das wechselhafte Wetter in der Eifel tut das Übrige. „Teilweise musst du im Regen auf Slicks fahren, weil ein großer Teil der Strecke trocken ist und ein, zwei Kurvenpassagen nass sind“, erzählt Mazatis. „Man sagt im Motorsport: Man kann dieses Rennen nicht gewinnen. Das Rennen lässt dich gewinnen“, erzählt er weiter. Bei einem Langstreckenrennen wie den 24 Stunden auf dem Nürburgring geht es nicht darum, eine schnelle Runde zu fahren oder in den ersten Kurven möglichst viele Autos zu überholen. Stattdessen kommt es für die Fahrer darauf an, fehlerfrei und materialschonend zu fahren – und sich am besten auf die wechselnden Bedingungen einzustellen. „Du musst halt wirklich über 24 Stunden die Rundenzeit auf ein bis zwei Zehntel konstant fahren“, weiß Mazatis.
Nachtfahren, eine Kunst für sich
12 Stunden bei Tageslicht und 12 Stunden durch die Dunkelheit heißt auch, körperlich und mental durchzuhalten. Zwar wechseln sich drei Fahrer immer wieder ab, trotzdem gehen die G-Kräfte und die mentale Ermüdung auf die Substanz. „Man hat zwar das Adrenalin, aber das Fahren kostet Körner. Es gibt zwar Leute, die durchmachen, aber aus der Erfahrung ist es immer besser, wenn du wirklich schaffst, mal für 90 Minuten zu ruhen“, sagt der ehemalige Formel-4-Pilot. Das Fahren bei Nacht ist laut Mazatis eine Kunst für sich, die der Bruckmühler mittlerweile aber verinnerlicht hat: „Bei meinen ersten 24-Stunden-Rennen habe ich in der Nacht versucht, so viel zu sehen, wie möglich. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass man nicht so viel sehen braucht. Du kennst die Strecke, du kannst sie mehr oder weniger im Kopf durchgehen, die nächste Kurve schon visualisieren, und dann nimmst du einfach nur die Reize, die du siehst, auf und dann weißt du schon, wo die nächste Kurve ist. Das hat mir brutal geholfen, und ich war dadurch sehr schnell in der Nacht.“
Im Blindflug durch die Dunkelheit
Bei Regen in der Dunkelheit geht es dann mehr oder weniger im Blindflug jenseits der 250 km/h durch Hatzenbach, Fuchsröhre, Schwalbenschwanz und Co., wie die Streckenabschnitte auf der Nordschleife genannt werden. „Im Regen lebst du davon, dass du siehst, wo das Wasser über die Strecke fließt oder wo vielleicht das Wasser steht. Das siehst du natürlich in der Nacht nicht“, sagt Mazatis. Da eine Umrundung für die schnellsten Fahrzeuge in etwa acht Minuten dauert, ändern sich die Streckenbedingungen meist von Runde zu Runde. „Ja, es ist ein Prozess, das macht das Ganze tricky. Auf der Nordschleife ist jede Runde wirklich individuell. Sie wird ja nicht umsonst die Grüne Hölle genannt. Du darfst nicht nachdenken. Du musst dich immer nur auf die nächste Kurve fokussieren.“
Für Mazatis gibt es in diesem Jahr zwar kein Cockpit beim 24-Stunden-Rennen, trotzdem lässt er sich das Spektakel nicht entgehen: „Wie auch bei Le Mans werde ich die 24 Stunden am Nürburgring im Livestream verfolgen und im Simulator meine Runden fahren, als ob ich live dabei wäre. Mein großes Ziel ist es, nächstes Jahr wieder in einem GT3-Rennwagen zu sitzen und um den Gesamtsieg zu fahren. Dieses Rennen ist die ultimative Herausforderung für jeden Rennfahrer!“
