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Der ungewöhnliche Werdegang eines Trostbergers

Von Obing bis nach Kansas: Tim Desers Gegenspieler spielt jetzt mit Weltstar Lionel Messi

Tim Deser aus Obing finanziert sich sein USA-Studium durch College-Fußball.
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Tim Deser aus Obing finanziert sich sein USA-Studium durch College-Fußball.

Für Tim Deser beginnt im September die neue Saison. Der 21-Jährige studiert in den USA am College und spielt in der Fußball-Mannschaft. Wieso er den Schritt in die USA gewählt hat und was er mit Lionel Messi zu tun hat, verriet er im Interview.

Obing – Von Obing bis nach Kansas – der fußballerische Werdegang von Tim Deser ist definitiv kein gewöhnlicher. Der 21-Jährige ist im August 2020, mit damals 18 Jahren, auf das Peninsula College in Port Angeles nahe Seattle gewechselt, um dort „Sport and Exercise Science“ zu studieren. Zuvor war der in Trostberg geborene Deser im Nachwuchsleistungszentrum von Wacker Burghausen und für zwei Jahre beim TSV 1860 Rosenheim aktiv. Seit Januar 2023 ist Deser an der Fort Hays State Universität in Hays in Kansas. Wieso er den Schritt in die USA gewählt hat und wie hoch das Niveau in Nordamerika ist, verriet Deser in einem Interview.

Wie kam es zum Wechsel von Obing in die USA?

Tim Deser: Ich hatte nach meiner Fachhochschulreife in Traunstein den Entschluss gefasst, in den USA zu studieren und das mit Fußball zu verbinden. Alles lief dann über eine Agentur mit Hauptsitz in Köln. Mir war es wichtig, ein Stipendium zu bekommen. So wird mein Studium größtenteils finanziert.

Bedenken schnell verflogen

Was haben Ihre Eltern gesagt?

Deser: Mein Vater, der mich als Fußballer immer schon begleitete, weil er selbst Spieler und Trainer war, fand die Idee gut, meine Mutter hatte schon einige Bedenken. Aber ich habe sie beruhigt und dann haben mich beide in Port Angeles besucht und gesehen, dass alles bestens passt. Ein Spiel haben sie leider nicht gesehen, weil gerade Pause war, aber einige Trainingseinheiten. Aber meine Eltern und mein Bruder verfolgen die Spiele immer im Livestream.

Jetzt sind Sie hier in Obing zurück, ist gerade Pause?

Deser: Ja, momentan sind Semesterferien, beim Fußball läuft Ende August die Vorbereitung an, aber ich bin verletzt, habe mir im Februar den Meniskus gerissen. Wir haben in der Halle trainiert, da bin ich irgendwie am Boden hängen geblieben, es ist ganz dumm hergegangen. Ich wurde Mitte April operiert, will aber zeitnah wieder ins Training einsteigen und schnellstmöglich ins Mannschaftstraining. Seit 10. August bin ich wieder in Kansas. Davor hatte ich täglich Reha und Trainingsaufbau gemacht. Ich bin zuversichtlich, dass alles wieder passen wird.

Ihre erste schwere Verletzung?

Deser: In Rosenheim hatte ich mal eine Schulterverletzung, die mich wochenlang aus der Bahn geworfen hat. Es war genau in dem Jahr, in dem ich in die USA gegangen bin. Aber ich bin zurückgekommen, so wie es jetzt auch der Fall sein wird – hoffentlich. Beschwerden habe ich keine mehr.

Saison von September bis Dezember

Wie läuft der Spielbetrieb am College in den USA?

Deser: Wir bereiten uns im August vor, spielen ab September bis Mitte November immer am Wochenende und während der Woche, quasi alle drei Tage. Das ist sehr intensiv. Wir haben auch weite Strecken zu absolvieren, fahren stets mit dem Bus, oftmals bis zu fünf Stunden. Einmal ging es quer durch die USA von Washington runter bis Oregon, das sind schon riesige Distanzen. Nach der regulären Saison beginnen die Playoffs, die bis Dezember dauern können. Da geht es dann richtig zur Sache. Ab Dezember ist Off-Season, das heißt, es wird nur trainiert und es gibt einige Testspiele.

Wie groß ist der Kader?

Deser: Unser Kader umfasst 30 Spieler, die kommen aus allen Nationen und Kontinenten – es geht schon international zu. Wir haben aktuell Spieler aus den USA, aus Argentinien, Paraguay, Neuseeland, England, Norwegen und Japan. Aber alle arbeiten für das eine Ziel, in der Division den ersten Platz zu erreichen und dann für die Playoffs gerüstet zu sein. Alles wird mit großem Aufwand betrieben, wir haben vier, fünf Trainer, Psychologen, Ärzte, Physiotherapeuten – alle kümmern sich um einen.

Zum Start in den USA spielten sie im Junior-College, heißt zwei Jahre Studium und zwei Saisons Fußball.

Deser: Richtig, beim Studium ist das quasi die Basis, man kann ganz normale Fächer belegen, wie Englisch oder Mathematik. Das ändert sich nach zwei Jahren. Jetzt in Kansas geht es in den Vorlesungen fachspezifisch weiter, es ist eben alles ausgerichtet auf Sportwissenschaften.

Wie sieht so ein Tag am Campus aus?

Deser: Um 6.30 bin ich im Kraft- und Übungsraum, danach gibt es Frühstück, dann stehen Vorlesungen mit kurzer Pause bis Mittag an. Ab 15 Uhr geht es auf das Fußballfeld, dann wird zwei bis drei Stunden trainiert. An Spieltagen gibt es morgens oft noch eine leichte Trainingseinheit und nach einem Spiel wird das Programm auch etwas reduziert.

„Das ist schon ein gutes Gefühl“

Und wie haben Sie abgeschnitten?

Deser: Im Junior College waren wir in den gesamten USA im Ranking an Position fünf. Wir haben zwei Mal unsere Division gewonnen. Wir waren die beste Mannschaft in der Liga, sind dann aber zwei Mal leider in den Playoffs gleich rausgeflogen. Da entscheidet ein Spiel und bei einer schlechten Tagesform bist du weg. Ein Rückspiel gibt es nicht. Insgesamt gibt es hier vier Divisionen, die ersten drei kommen jeweils in die Playoffs. Der Divisionssieger überspringt die erste Runde, die Zweiten und Dritten spielen ums Weiterkommen. Ich habe in den zwei Jahren nur vier Spiele verloren – das ist schon ein gutes Gefühl.

Und Ihre persönliche Bilanz?

Deser: Ich habe praktisch immer gespielt, wurde zwei Mal ins All-Star-Team gewählt. Im zweiten Jahr war ich Kapitän und bin auch Spieler des Jahres an meiner Uni geworden. Ich habe drei Tore geschossen und es auf zehn Assist gebracht. Als Nummer sechs geht es aber hauptsächlich darum, Tore zu verhindern. Mein letztes Tor fürs Peninsula College werde ich nie vergessen, es war ein Freistoß aus 40 Metern.

Wie lief der Wechsel von Washington nach Kansas ab?

Deser: Alle Spiele werden ja im Netz übertragen, es gibt sehr viel Video-Material. Ich habe mir dann die besten Szenen zusammengeschnitten und quasi ein Bewerbungsvideo erstellt. Der Einstieg war natürlich mein Freistoßtor. Meine Agentur hat mir dann wieder geholfen und das Video an verschiedene Unis geschickt. Dann kamen ein paar Angebote, beim besten haben wir dann zugeschlagen.

Hoher sportlicher Druck

Wie unterscheiden sich die beiden Unis?

Deser: Die kann man gar nicht vergleichen. In Washington waren es rund 1500 Studenten, hier sind es über 10000, rund 8000 davon sind am Campus, die anderen studieren online. Es ging die zwei Jahre am College in Port Angeles sehr familiär zu, ich habe auch heute noch Kontakt zu meinem alten Trainer und zu einigen Spielern. Der Campus hier ist riesig, es sind weite Wege zurückzulegen, zu den Hörsälen, zum Sport, zu meinem Zimmer. Der Einstieg war schon schwierig, so viele neue Gesichter. Gut, dass ich schon zwei Jahre in den USA bin, so fehlt sich sprachlich nichts. Wir haben einen Kunstrasenplatz, weil es im Winter viel Schnee hat und im Sommer sehr heiß ist.

Was ist das Saisonziel?

Deser: Fußball hat hier am College große Tradition. Es gibt ihn seit knapp zehn Jahren und die Mannschaften waren immer sehr erfolgreich. Sie kamen immer ins National Tournament, heißt, sie waren Divisionssieger und haben die Playoffs gewonnen. Sie spielten stets um die Meisterschaft mit. Da wollen wir anknüpfen. Der Druck ist schon hoch, Achtelfinale oder Viertelfinale ist das Ziel. Wir sind ein sehr junges Team, keiner älter als 25.

Wie unterscheidet sich Soccer in den USA von unserem Fußball?

Deser: Da gibt es schon große Unterschiede. Taktisch und fußballerisch ist der Fußball in Deutschland schon viel weiter, aber physisch ist das in den USA schon extrem. Training ist ähnlich, der Stil bei den Spielen ist aber ganz anders. Man darf aus- und einwechseln so oft man will, das heißt, das Tempo ist immer sehr hoch. Wenn du am Platz bist, erwartet der Trainer Vollgas. Tempo rausnehmen, Ball halten, verzögern und so, wie hier, gibt es drüben nicht.

Wie hoch ist das Niveau?

Deser: Ich würde unsere College-Mannschaft mal mit besserer Bayernliga hierzulande vergleichen.

Vorbild? Toni Kroos

Wo sehen Sie ihre Stärken?

Deser: Passen, Spielübersicht, Spielaufbau, Defensivkopfball, was ein Sechser alles können sollte. Ich schieße auch gerne Freistöße und laufe durchschnittlich zwölf bis 13 Kilometer pro Spiel. Das haben wir mal gemessen. Ich sehe mich auch als Führungsspieler, war das auch in den Nachwuchsteams in Burghausen und dort auch zwei Jahre Kapitän, wie später auch in Port Angeles.

Gibt es ein Vorbild?

Deser: Ja, das ist Toni Kroos, ich bin absoluter Fan von ihm, aber nicht von Real Madrid. Als Obinger ist man natürlich Bayern-Fan.

Die Major League Soccer (MLS) ist die höchste Liga in den USA. Haben Sie da Kontakt?

Deser: Nein, aber man schaut natürlich nach oben. Ein Spiel habe ich mal live in Seattle gesehen. Das Stadion war mega. Mit meiner alten Uni hatten wir mal ein Testmatch gegen Washington, es war zu dem Zeitpunkt das beste College-Team der USA. Wir haben 0:9 verloren, aber aus der Mannschaft sind dann fünf Spieler von der MLS gedraftet worden. Der Kapitän ist zu Miami gewechselt. Der spielt jetzt mit Lionel Messi in einem Team. Wahnsinn!

Was sind Ihre Ziele?

Deser: Das Wichtigste ist mein Abschluss zum Bachelor. Das dauert noch eineinhalb Jahre. Ich werde dann nach Obing zurückkehren und will mir einen Job im Athletikbereich suchen, vielleicht mit einer Mannschaft oder in einem Fitnessstudio, hier Erfahrungen sammeln und natürlich Fußball spielen. So Bayernliga oder Landesliga wäre mein Ziel. Viele Burghauser, die mit mir im Nachwuchsleistungszentrum waren, spielen ja hier. Und Kontakte bestehen natürlich noch.

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