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„Halbleiter-Schutzschild“

Zoll-Drohungen: Bringt Donald Trump Taiwans Schutzschild gegen China in Gefahr?

Trump will mit Zöllen die Halbleiter-Produktion von Taiwan in die USA holen. Wie lange schützt die Chip-Industrie das Land noch vor einem China-Angriff?

„Zölle“ sei das „schönste Wort im Wörterbuch“, erklärte Donald Trump im Oktober. Mittlerweile hat der neue US-Präsident die Rangliste seiner Lieblingsbegriffe zwar ein wenig umgestellt – ganz vorne rangieren nun Gott, Liebe und Religion, erst auf Platz vier folgen die Zölle, wie Trump unlängst bei einer Veranstaltung in seinem Golfclub verriet. An seiner Obsession bezüglich der Steuern auf Einfuhren hat sich indes nichts geändert.

Am 1. Februar schon will Trump Zölle auf Importe aus Kanada, Mexiko und China erheben; im Abschiebestreit mit Kolumbien setzte Trump Zoll-Drohungen sogar als Waffe ein, um das südamerikanische Land zur Rücknahme aus den USA ausgewiesener Staatsbürger zu zwingen.

Auch Taiwan könnte schon bald den Zoll-Zorn zu spüren bekommen. „In naher Zukunft werden wir Zölle auf die ausländische Produktion von Computerchips, Halbleitern und Arzneimitteln erheben, um die Produktion dieser wichtigen Güter in die Vereinigten Staaten zurückzuholen“, sagte Trump am Montag vor republikanischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Taiwan habe den USA ihre Chip-Industrie gestohlen, behauptete Trump und drohte mit Zöllen bis 100 Prozent.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Trump-Zölle auf Taiwan-Chips könnten Schutzschild des Landes zestören

Das Märchen vom Industrie-Klau hatte Trump an anderer Stelle schon häufiger erzählt – wahrer wird es dadurch nicht. Denn tatsächlich ist Taiwan vielmehr dank einer genialen Geschäftsidee zur Halbleiter-Supermacht aufgestiegen: Statt sich auf die Entwicklung von Computerchips zu konzentrieren, die noch heute vor allem in den USA stattfindet, fokussierten sich Unternehmen wie TSMC auf die hochkomplexe Fertigung der winzigen Bauteile. So wurde Taiwan in den letzten Jahren zum Weltmarktführer, der etwa 60 Prozent aller Halbleiter und 90 Prozent der besonders fortschrittlichen Chips herstellt.

Ein angeblicher Nebeneffekt dieser Dominanz: Weil Halbleiter heute in so ziemlich jedem technischen Gerät stecken, vom E-Auto bis zum Wasserkocher, ist die Weltwirtschaft auf die Versorgung mit taiwanischen Chips angewiesen. Das weiß auch China –Taiwans großer Nachbar, der sich das Land friedlich, notfalls aber auch mit Gewalt einverleiben will.

Die Theorie vom sogenannten „Halbleiter-Schutzschild“ besagt, dass China wohl kaum einen großangelegten Angriff auf Taiwan starten werde, weil ein Krieg um die Insel die Fertigung und den Export von Chips massiv stören würde. Die gesamte Weltwirtschaft würde in den Abgrund gerissen, auch China selbst wäre massiv betroffen. „Jeder Angriff auf Taiwan würde nicht nur Taiwans Sicherheit bedrohen, sondern auch die weltweite wirtschaftliche Stabilität gefährden. Das ist der Kern des Halbleiter-Schutzschildes“, schreibt Wu Jieh-min von der Academia Sinica in Taipeh.

Nach dieser Lesart würde eine Abwanderung von Teilen der taiwanischen Chip-Industrie in die USA, so wie es Donald Trump sich wünscht, den Schutzschild des Landes beschädigen. Und einen Angriff Chinas wahrscheinlicher machen.

Donald Trump hat Taiwans Chip-Industrie ins Visier genommen.

Für China ist die Angliederung Taiwans eine „historische Mission“

Die große Unbekannte in dieser Gleichung ist allerdings die chinesische Regierung. Die Angliederung Taiwans an die Volksrepublik ist für Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping eine „historische Mission“, für die er wohl auch gewaltige wirtschaftliche Kosten in Kauf nehmen würde. Zudem könnte China versuchen, sich Taiwan auch ohne einen direkten militärischen Angriff einzuverleiben, etwa durch eine Blockade oder eine Quarantäne der Insel. Schon jetzt führt China regelmäßig sogenannte Grauzonen-Aktivitäten durch, um das Land zu zermürben: Fast täglich schickt Peking Kriegsschiffe und Kampfjets in die Nähe des demokratisch regierten Inselstaats, zuletzt durchtrennte offenbar ein Schiff aus China ein wichtiges Unterseekabel vor der Küste des Landes.

Für Taiwan ist die Chip-Industrie nicht nur angebliche Sicherheitsgarantie, sondern vor allem ein Wirtschaftsfaktor. So trugen die Halbleiter-Exporte im Jahr 2022 fast ein Viertel zur taiwanischen Wirtschaftsleistung bei. Taiwan hat sich also – und das ist die Kehrseite der Erfolgsgeschichte – von seiner Chip-Industrie wirtschaftlich massiv abhängig gemacht. Auf Trumps Zoll-Drohung reagierte das Wirtschaftsministerium in Taipeh am Dienstag denn auch mit dem Hinweis, dass sich die Halbleiter-Industrien beider Ländern „in hohem Maße ergänzen“ und beide Länder von der Arbeitsteilung bei Entwicklung und Forschung „profitieren“ würden.

Ohnehin baut der taiwanische Weltmarktführer TSMC schon jetzt eigene Halbleiterwerke in den USA; im Bundesstaat Arizona investiert das Unternehmen die gigantische Summe von 65 Milliarden US-Dollar. Gefertigt werden sollen dort allerdings nicht die fortschrittlichsten Mikrochips – die weltweit leistungsfähigsten Halbleiter sollen auch in Zukunft „Made in Taiwan“ bleiben.

Rubriklistenbild: © Mandel Ngan/AFP

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