Diskussion nach EM-Spiel
Eklat um Wolfsgruß von Türkei-Spieler: Verbot der Grauen Wölfe in Deutschland gefordert
In Deutschland werden Stimmen nach einem Verbot der Grauen Wölfe immer lauter. Bundesinnenministerin Faeser hat jedoch einem Verbotsantrag noch nicht zugestimmt.
Berlin – Nach dem Eklat um den Wolfsgruß des türkischen Nationalspielers Merih Demiral nach dem EM-Spiel gegen Österreich am Dienstag werden Stimmen nach einem Verbot der Grauen Wölfe in Deutschland immer lauter. „Wenn ein Fußballspieler in Deutschland ungestraft den Gruß der Rechtsextremisten zeigen kann, muss das ein Weckruf sein für die Bundesregierung. Die Ampel muss die faschistische Terrororganisation Graue Wölfe endlich verbieten. Dann wäre auch das Zeigen des Wolfsgrußes strafbar“, sagte die Bundesgeschäftsführerin der Linkspartei, Katina Schubert, dem Tagesspiegel.
Der nationalistische Wolfsgruß durch den türkischen Nationalspieler empört auch die Grünen. „Auch außerhalb des Stadions muss die Toleranz ggü. grauen Wölfen enden. Wer eine Brandmauer gegenüber der AfD fordert, muss sie auch gegenüber dem türkischen Faschismus errichten“, schreibt Bundesagrarminister Cem Özdemir auf X. Die Botschaft des Wolfsgrußes der türkischen Nationalisten, auch als Graue „Ülkücü-Bewegung“ genannt, sei rechtsextrem und stehe für Terror und Faschismus.
Grauen Wölfe gefährden Zusammenleben in Deutschland
Auch die Kurdische Gemeinde Deutschland (KGD) fordern ein Verbot der Grauen Wölfe. „Wir sind als Kurdische Gemeinde Deutschland wie alle Opfer des türkischen Rechtsextremismus in der Türkei über das Zelebrieren von Faschismus und Rassismus bei der EM mehr als entsetzt. Die Grauen Wölfe sind zutiefst rassistisch und antisemitisch und gefährden mit ihrer menschenverachtenden Ideologie auch das friedliche Zusammenleben in Deutschland. Daher fordern wir die Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf, endlich ein Verbot der Grauen Wölfe samt ihrer Folgeorganisationen und den Erkennungszeichen mit dem Wolfsgruß zu verbieten“, sagte der KGD-Bundesvorsitzende Ali Ertan Toprak im Gespräch mit fr.de von IPPEN.MEDIA.
Wolfsgruß sei Angriff auf Fußball, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) fordert nach dem Wolfsgruß des türkischen Nationalspielers ebenfalls Konsequenzen. Schließlich sei das Zeigen des faschistischen Wolfsgrußes durch Demiral nicht nur ein Angriff auf den Fußball, sondern auf Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat, heißt es in einer Mitteilung der IGFM. Auch hier ist die Forderung klar:
„Die rechtsextreme Gruppierung der Grauen Wölfe ist eine Gefahr für Demokratie, Freiheit und Sicherheit in der Türkei und auch in Deutschland. Nicht nur der Völkermord an Armeniern, Aramäern und Pontos-Griechen wird geleugnet, auch werden Angehörige von Minderheiten und Aktivisten in Deutschland weiterhin mit dem Tode bedroht. Die IGFM befürwortet daher ein Verbot der Grauen Wölfe als Organisation sowie das Zeigen des Wolfsgrußes in Deutschland“, sagte Valerio Krüger, Sprecher des Vorstands der IGFM im Gespräch mit unserer Redaktion.
Ideologie der Grauen Wölfe nicht mit Demokratie und Menschenrechten vereinbar
Eine ähnliche Reaktion zeigt auch der Zentralrat der Armenier in Deutschland. „Wir sind schockiert darüber, dass ein solches Zeichen des Hasses und der Gewalt auf einer internationalen Bühne in Deutschland gezeigt wird, ohne dass es Konsequenzen seitens der politischen Entscheidungsträger gibt“, erklärte Jonathan Spangenberg, Vorsitzender des ZAD. „Die Grauen Wölfe stehen für eine Ideologie, die mit Demokratie und Menschenrechten unvereinbar ist und in der Vergangenheit zu unermesslichem Leid geführt hat. Wir fordern, ähnlich wie in Österreich und Frankreich, ein sofortiges Verbot des Wolfsgrußes. Darüber hinaus fordern wir die Bekämpfung der rechtsextremen Grauen Wölfe, die in hunderten Vereinen in Deutschland ungehindert ihre Ideologie des Hasses verbreiten.“
Auf X hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch ebenfalls zu dem Thema geäußert. Unsere Sicherheitsbehörden haben türkische Rechtsextremisten in Deutschland fest im Blick. Die Grauen Wölfe stehen unter der Beobachtung des Bundesamts für Verfassungsschutz. Einem Verbotsantrag hat Faeser bislang aber nicht zugestimmt.
Graue Wölfe seit Jahrzehnten in Deutschland organisiert
Die Ülkücü Bewegung oder auch Grauen Wölfe sind nicht nur wegen ihres Nationalismus gefährlich, warnte der im deutschen Exil lebenden türkische Journalist Cevheri Güven im Gespräch mit fr.de. „Die Nationalisten sind seit Jahrzehnten in Europa organisiert. Hunderte von Nationalisten, die an politischen oder mafiösen Morden in der Türkei beteiligt waren, haben illegal in Europa gelebt. Abdullah Çatlı, Alaattin Çakıcı, Oral Çelik und Mehmet Ali Ağca sind die bekanntesten von ihnen“, so Güven und warnt vor einem Erstarken in Europa.
„Im vergangenen Mai organisierte die MHP jedoch ein zweitägiges Strategiecamp in Kızılcahamam, Ankara. In diesem Camp wurde darüber diskutiert, dass die nationalistische Bewegung in Europa stark an Macht verloren hat, dass die Nationale Vision und die AKP begonnen haben, die Jugend in Europa zu dominieren, und was die nationalistische Bewegung dagegen tun sollte. Es wurde beschlossen, dass die Aktivitäten in Europa, vor allem in Deutschland, wieder verstärkt werden und dass dafür Ressourcen bereitgestellt werden sollten“, sagt der Exiljournalist, der im Visier der türkischen Nationalisten steht.
Wolfsgruß führt immer mehr zur diplomatischen Krise mit der Türkei
Doch die Causa Wolfsgruß bei der Fußball-EM wird immer mehr zum Politikum. Die Kritik von Faeser an der Geste des türkischen Nationalspielers sei „fremdenfeindlich“, hatte das türkische Außenministerium mitgeteilt. Der Wolfsgruß sei zudem ein „historisches und kulturelles Symbol“. Am Mittwoch wurde sogar der deutsche Botschafter in Ankara ins Außenministerium einbestellt. Das Auswärtige Amt hat einen Tag mit der gleichen Maßnahme reagiert und den türkischen Botschafter einberufen. Die Einbestellung eines Botschafters gilt als scharfes diplomatisches Mittel.
Hinter den Kulissen wird darüber gesprochen, dass eine „hochrangige Delegation“ aus der Türkei sich am Samstag das EM-Viertelfinalspiel gegen die Niederlande in Berlin anschauen möchte. Außenminister Hakan Fidan und sogar Präsident Recep Tayyip Erdogan sollen ebenfalls unter den Zuschauern sein. (erpe)
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