Neues Gutachten
„Gesichert rechtsextremistische Bestrebung“? Verfassungsschutz nimmt ganze AfD ins Visier
Bislang ist die AfD als „Verdachtsfall“ des Rechtsextremismus eingestuft. Das Bundesamt für Verfassungsschutz will die Einstufung verschärfen.
Köln – Bislang gilt nur ein Teil der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“, etwa mehrere Landesverbände der Jugendorganisation Junge Alternative in Ostdeutschland. Dazu nahmen der Landesverfassungsschutz in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die Einstufung für die jeweiligen Landes-AfDs vor. Doch schon bald könnte das für die gesamte Partei gelten.
Recherchen der Süddeutschen Zeitung (SZ) zufolge arbeitet das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bereits seit Längerem daran, die komplette AfD als „gesichert extremistische Bestrebung“ einzustufen. Bislang wird die Gesamt-Partei lediglich als sogenannter Verdachtsfall des Rechtsextremismus geführt.
Neues AfD-Gutachten: Verfassungsschutz will gesamte AfD als „gesichert rechtsextrem“ einstufen
Laut SZ, die sich auf interne E-Mails und Vermerke des Nachrichtendienstes bezieht, arbeitet ein Team des Bundesamts seit mehreren Monaten an einem neuen Gutachten zur AfD. Demnach ist spätestens seit März 2023 von einem „AfD-Folgegutachten 2023“ die Rede. Das letzte stammt aus dem Frühjahr 2021.
Im vergangenen April kursierte demnach in der Behörde ein erster Entwurf einer Gliederung. Das Dokument listet die schon bekannte Kritik des Verfassungsschutzes an Rassismus und Autoritarismus in der AfD auf. Es enthält unter der Überschrift „Entwicklung der Partei seit März 2022“ aber auch einen neuen Punkt: „Verhältnis zu Russland“.
Debatte über AfD-Verbot – Demonstrationen gegen Rechts
Angesichts der Radikalität der AfD rätseln Politik und Gesellschaft, wie mit der Partei umzugehen ist. Nach Bekanntwerden des Geheimtreffens zwischen AfD-Mitglieder:innen und Rechtsextremen in Potsdam formieren sich landesweit Demonstrationen gegen Rechts. In der Politik verschärfte sich zuletzt die Debatte über ein mögliches Verbot. Dieses gilt allerdings als umstritten.
So äußerten sich Spitzenpolitiker zurückhaltend. „Ich bin kein Freund von einem Verbot der AfD“, sagte etwa Bundeskanzler Olaf Scholz dem Spiegel. Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte NDR, dass man kein Verbotsverfahren anstreben sollte, „wenn man sich nicht hundertprozentig sicher“ sei. Ein Scheitern wäre ein „PR-Sieg für die AfD“. Innenministerin Nancy Faeser sagte im SWR, sie schließe ein Verbotsverfahren nicht aus.
Gericht verzögert neues Extremismus-Gutachten zu AfD
Das neue Gutachten hätte eigentlich schon fertig sein sollen. Eine entsprechende interne Absprache wurde nach SZ-Informationen im vergangenen Mai von Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und dessen Stellvertreter Sinan Selen abgesegnet.
Das Bundesamt wolle nur noch die für März anberaumte Verhandlung am Oberverwaltungsgericht in Münster abwarten, wo die vor allem im Osten Deutschlands beliebte AfD selbst gegen ihre Beobachtung klagte. In internen Verfassungsschutz-Mails heißt es dazu, die zu erwartenden „Erwägungen“ des Gerichts sollten im neuen Gutachten noch „möglichst berücksichtigt werden“.
Verfassungsschutz wartet für Gutachten noch Ergebnis von AfD-Klage ab
Der Verfassungsschutz will laut SZ noch reagieren können, falls das Gericht unerwartete, neue Fragen hat. Falls aber alles dabei bleibt, dass die Justiz - so wie schon in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln im Frühjahr 2022 - dem Verfassungsschutz grundsätzlich beipflichtet, würde dem neuen Gutachten nichts im Wege stehen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte entsprechende Meldungen weder bestätigen noch dementieren. „Zu behördeninternen Arbeitsabläufen nimmt das BfV grundsätzlich keine Stellung. Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutrifft oder nicht“, antwortete die Behörde am Sonntag (25. Februar) auf eine SZ-Anfrage. (mt)
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