Kanzler setzt auf starke Regierung
Merz äußert sich zu Ukraine-„Manifest“ von SPD-Linken – „Russland ist eine Bedrohung“
Gegen höhere Verteidigungsinvestitionen und Gespräche mit Russland: SPD-Linke protestieren in einem Manifest gegen die Ukraine-Politik der Merz-Regierung.
Update, 18.35 Uhr: Kanzler Friedrich Merz setzt ungeachtet von Forderungen aus der SPD nach einem Ende der Aufrüstung und direkten Gesprächen mit Russland auf Einigkeit innerhalb der schwarz-roten Koalition. „Wir sind uns in der Bundesregierung zwischen CDU, CSU und SPD in der Bewertung des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, und in den Konsequenzen, die es daraus zu ziehen gilt, vollkommen einig“, sagte der CDU-Chef bei einem Treffen mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in Berlin. „Und ich setze darauf, dass diese Einigkeit auch bestehen bleibt“, fügte er hinzu.
Angesichts der jüngsten russischen Angriffe auf die Ukraine sagte Merz, jeder, der einigermaßen klaren Blickes sei, müsse erkennen: „Russland ist eine Bedrohung für die Sicherheit der gesamten Allianz“. Mit Blick auf den Nato-Gipfel in Den Haag in zwei Wochen betonte der Kanzler: „Russland ist ein Risiko für die Sicherheit diesseits und jenseits des Atlantiks.“ Deshalb werden man bei dem Gipfel eine langfristige historische Erhöhung der Verteidigungsausgaben beschließen. „Wir werden den europäischen Pfeiler der Nato gemeinsam stärken“, so Merz.
Pistorius kritisiert SPD-„Manifest“ zu Kehrtwende in Ukraine-Politik scharf: „Realitätsverweigerung“
Update, 16.15 Uhr: Boris Pistorius reagiert mit deutlichen Worten auf die Forderung prominenter SPD-Politiker nach einer Kehrtwende der Bundesregierung in der Russland-Politik. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sprach der Verteidigungsminister von einer „Realitätsverweigerung“. Das sogenannte Manifest „missbraucht den Wunsch der Menschen in unserem Land nach Ende des furchtbaren Krieges in der Ukraine. Nach Frieden“, monierte er weiter.
Zugleich betonte Pistorius in Richtung Kreml-Chef Wladimir Putin: „Verhandlungen bricht er ab. Und wenn er sie führt, bombardiert er gleichzeitig mit noch größerer Härte und Brutalität die Städte in der Ukraine.“ Warum die Politik der Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz seiner Meinung nach richtig ist, erklärt er so: „Mit diesem Putin können wir nur aus einer Position der Stärke verhandeln. Nur so werden wir ihn an den Verhandlungstisch bringen.“
So habe es auch Willy Brandt als Regierungschef gehalten: „Annäherung und Verhandlungen auf Augenhöhe. Aber keine Unterwerfung.“ Auch die eigene Verteidigungsfähigkeit sei nötig. Es sei Putin, der eine Konfrontationsstrategie verfolge, nicht Deutschland. „Das vermisse ich bei den Verfassern des Papiers“, kritisiert Pistorius.
Führende SPD-Politiker distanzieren sich von Außenpolitik-Manifest: In weiten Teilen „fragwürdiges Papier“
Update, 12.30 Uhr: Nach der Veröffentlichung eines „Manifestes“ von prominenten SPD-Politikern, in dem sie einen radikalen Kurswechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik von Friedrich Merz (CDU) fordern, hagelt es Kritik aus den eigenen Reihen. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic, hat sich von dem „Manifest“ distanziert.
Ahmetovic sprach am Mittwoch (11. Juni) gegenüber der Nachrichtenagentur AFP in Berlin von einem „inhaltlich in weiten Teilen fragwürdigen Papier“, das „nicht Beschlusslage in der Fraktion oder Partei“ sei. „Es würde im Falle einer Einbringung auf dem Bundesparteitag auch keine Mehrheit finden“, fügte der Außenexperte hinzu.
Der in der SPD-Bundestagsfraktion für Außenpolitik zuständige Ahmetovic erklärte gegenüber AFP, er habe „das Papier von fünf der 120 Mitglieder der Bundestagsfraktion zur Kenntnis genommen“. Die „außen- und sicherheitspolitische Neuausrichtung“ der SPD bleibe aber klar. Zuvor hatte auch Sebastian Fiedler, der innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, das Grundsatzpapier deutlich kritisiert. Es habe ihn „irritiert, verstört und verärgert“, sagte Fiedler den Sendern RTL und n-tv.
Erstmeldung vom 11. Juni, 7.43 Uhr: Es ist ein harter Schlag gegen die Friedenspolitik von Merz und seiner schwarz-roten Koalition: Zahlreiche prominente SPD-Politiker fordern in einem Grundsatzpapier eine sofortige Kehrtwende in der Außen- und Sicherheitspolitik. In dem als „Manifest“ bezeichneten Dokument, das dem Stern-Magazin vorliegt, drängen die Verfasser auf Gespräche mit Russland zum Ende des Ukraine-Kriegs und einen Stopp der Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.
Die Unterzeichner, darunter der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der Außenpolitiker Ralf Stegner, Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans, sowie Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel, vertreten damit eine grundsätzlich vom Kurs der Bundesregierung wie auch der SPD-Führung abweichende Linie.
SPD-Manifest kritisiert Merz: „Militärische Alarmrhetorik“ verstärkt Spannungen zwischen Russland und Nato
In Deutschland und in den meisten europäischen Staaten hätten sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft „vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen“, heißt es in dem Manifest. „Militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit für Deutschland und Europa, sondern führen zur Destabilisierung und zur Verstärkung der wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung zwischen Nato und Russland.“
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Die SPD-Politiker fordern mehrere konkrete Maßnahmen, darunter Gespräche mit Russland. Nötig sei jetzt eine „schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und einer Zusammenarbeit mit Russland“, heißt es.
Manifest der SPD fordert Ende der Aufrüstung: Fünf-Prozent-Ziel der Nato ist „irrational“
Kritik üben die Verfasser zudem an der geplanten massiven Aufstockung der Verteidigungsausgaben. Das Nato-Ziel, die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsstaaten auf fünf Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu erhöhen, halten sie für „irrational“. Für eine „auf Jahre festgelegte Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 3,5 oder fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts gibt es aus ihrer Sicht keine sicherheitspolitische Begründung“.
Hinsichtlich der möglichen Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland erklären sie: „Die Stationierung von weitreichenden, hyperschnellen US-Raketen-Systemen in Deutschland würde unser Land zum Angriffsziel der ersten Stunde machen.“
Ziel des SPD-Manifests kurz vor Nato-Gipfel: Anstoß einer neuen parteiinternen Debatte zur Friedenspolitik
Der Außenpolitiker Stegner, einer der federführenden Autoren des SPD-Manifests, sagte dem Stern, Ziel des Aufschlags sei auch, die parteiinterne Debatte neu zu justieren. Die SPD müsse „Teil der Friedensbewegung“ bleiben. Im Moment werde „ungehemmt“ über den nächsten Landkrieg und über die Wehrpflicht gesprochen. „Gegen diese Form der Militarisierung müssen wir uns als Sozialdemokraten wehren“, sagte er.
Der Text kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Die SPD steht Ende Juni vor einem Bundesparteitag. Fast zeitgleich findet der Nato-Gipfel statt, auf dem sich Deutschland dazu verpflichten will, die Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen (AFP/bg/dpa).
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