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Zeichen der Hilflosigkeit

Putins „grenzenlose“ Freundschaft mit China in Gefahr? Xi ratlos im Umgang mit Nordkorea

Nicht mehr China ist Nordkoreas engster Partner, sondern Russland. In Peking registriert man das mit Sorge – und reagiert hilflos.

Peking – Seine Nachbarn kann man sich nicht aussuchen, das gilt für Mieter und Hausbesitzer ebenso wie für Staaten. Einen Nachbarn wie Nordkorea etwa wünscht man wohl nicht mal seinem ärgsten Feind. Das Land, in dem seit Jahrzehnten die Kim-Dynastie herrscht, testet in schöner Regelmäßigkeit ballistische Raketen (zuletzt am Montagmorgen), bedroht mit seinen Atomwaffen die westliche Welt und lässt seine eigene Bevölkerung hungern.

Wie umgehen mit einem solchen Staat? China, Nordkoreas größter Nachbar und lange Zeit sein engster Verbündeter, scheint zunehmend ratlos. Jahrelang hatte die Regierung in Peking internationale Sanktionen gegen das Kim-Regime mitgetragen, zuletzt aber Strafmaßnahmen der UN mit einem Veto verhindert. Die Begründung: Über Sanktionen setze sich Nordkorea ohnehin hinweg. Eine Argumentation, die zeigt, wie hilflos Peking im Umgang mit Kim Jong-un geworden ist.

Zusammenarbeit zwischen Nordkorea und Russland: China agiert hilflos

Auch auf die jüngste Annäherung zwischen Kim und Russlands Präsident Wladimir Putin blickt man in Peking ziemlich ratlos. Und das, obwohl auch Russland und China in den vergangenen Jahren enger zusammengerückt sind. So verbindet Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping offiziell eine „grenzenlose Freundschaft“, seinen Krieg gegen die Ukraine könnte der Kreml-Herrscher ohne die tatkräftige Unterstützung aus Peking nicht so führen, wie er es derzeit tut. Das Bündnis zwischen Kim und Putin aber schmälert den Einfluss, den Peking auf das Kim-Regime noch hat.

Nach mehr als drei Jahren Corona-Isolation hatte Kim Jong-un sein Land im September erstmals verlassen, dabei China links liegen gelassen – und sich mit Putin in Russlands fernem Osten getroffen. Es war der Beginn einer unheilvollen Allianz: Seit Monaten schon liefert Pjöngjang den Russen Waffen und Munition, die auf den Schlachtfeldern in der Ukraine zum Einsatz kommen. Im Gegenzug unterstützt Putin den nordkoreanischen Diktator mit Know-how und Technologie für dessen Rüstungsprogramm.

Vor wenigen Wochen dann Putins Gegenbesuch in Pjöngjang: Beide Seiten unterzeichneten ein Abkommen, in dem sie sich ihrer gegenseitigen Unterstützung im Falle eines Angriffs versichern. Die offizielle Reaktion aus Peking wirkte wie ein weiteres Eingeständnis der Hilflosigkeit. „Die Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea ist eine Angelegenheit zwischen zwei souveränen Staaten“, erklärte ein Sprecher des Außenamts. „Uns liegen keine Informationen über die betreffende Angelegenheit vor.“

Pakt zwischen Putin und Kim: nicht im Interesse Chinas

In der Tat ist unklar, was genau der Pakt zwischen Kim und Putin bedeutet, das Abkommen ist äußert schwammig formuliert. Genau darin liegt für Peking das Problem, glaubt die Nordkorea-Expertin Patricia M. Kim. „Es besteht die ernste Sorge, dass Nordkorea durch eine russische ‚Sicherheitsgarantie‘ oder zumindest den Anschein einer solchen ermutigt werden könnte, seine Provokationen zu verstärken“, schreibt Kim in einem Beitrag für die US-Denkfabrik Brookings Institution. „Weil es davon ausgeht, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten vorsichtiger reagieren werden, wenn sie eine mögliche russische Reaktion in Betracht ziehen müssen.“

Nordkorea – Kim Jong-uns abgeschottete Diktatur

Menschen an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Nordkorea ist das wohl geheimnisvollste Land der Erde: eine totalitäre Diktatur, in der der Einzelne nichts zählt, ohne Freiheiten und Menschenrechte, abgeschottet vom Rest der Welt. Schätzungsweise 26 Millionen Menschen leben in dem Land, das im Norden an China und Russland grenzt und im Süden an das freiheitliche, demokratische Südkorea. Nordkoreas Grenzen sind für die meisten Menschen unüberwindbar – kaum einer kommt rein, noch weniger Menschen kommen raus.  © Ed Jones/afp
Die Skyline von Pjöngjang
Hauptstadt sowie kulturelles und wirtschaftliches Zentrum des Landes ist Pjöngjang. Rund drei Millionen Menschen leben in der nordkoreanischen Metropole, die so anders ist als die anderen Mega-Städte Asiens. Pjöngjang ist grau, geprägt von Hochhäusern, gesichtslosen Wohnblöcken und gigantischen Monumenten, die der herrschenden Kim-Familie huldigen sollen. Wer in der Hauptstadt leben darf, ist privilegiert: Hier ist die Stromversorgung besser als auf dem Land, die Regale der Geschäfte sind voller, es gibt Freizeitparks, Kinos, Theater. © Olaf Schuelke/Imago
Kim Jong-un auf einem Pferd
Beherrscht wird Nordkorea seit 2011 von Kim Jong-un, einem Diktator, der skrupellos vor allem ein Ziel verfolgt: den eigenen Machterhalt und den seiner Sippe. Nordkorea ist das einzige kommunistische Land der Welt mit einer Erb-Monarchie, in der die politische Macht vom Vater auf den Sohn übergeht. Die sogenannte „Paektu-Blutlinie“ kontrolliert das Land seit dessen Gründung im Jahr 1948. Die Macht der Kims ist unanfechtbar, Aufstände gab es nie, dafür sorgt die lückenlose Überwachung und Kontrolle der gesamten Gesellschaft. © KCNA via KNS/afp
Sowjetische Soldaten in Pjöngjang
Korea war über Jahrhunderte ein geeintes Land. Die Geschichte der Teilung beginnt erst im 20. Jahrhundert: Von 1910 bis 1945 ist Korea eine japanische Kolonie, nach der Niederlage der Japaner besetzen sowjetische Truppen den Norden des Landes, der Süden wird von amerikanischen Truppen besetzt. Weil Verhandlungen über eine Vereinigung der beiden Landesteile scheitern, gründen sich 1948 auf der koreanischen Halbinsel zwei Staaten. © Jacob Gudkov/Imago
Szene des Koreakriegs
Zwei Jahre später dann die Tragödie: Der Korea-Krieg bricht aus. Kim Il-sung, Machthaber im Norden, schickt seine Truppen in den Südteil des Landes, um Korea mit Gewalt zu vereinen. Wenige Wochen später greifen die UN-Truppen unter Führung der USA den Norden an, stoßen bis an die chinesische Grenze vor. Das beunruhigt Peking – das nun auf der Seite von Nordkorea in den Krieg eingreift. 1953 wird ein Waffenstillstand verhandelt, das Land bleibt entlang des 38. Breitengrades geteilt. Ein Friedensvertrag wurde bis heute nicht unterzeichnet. © Imago
Familie Kim
Kim Il-sung, der Gründer und erste Präsident Nordkoreas, ist ein Machthaber von Stalins Gnaden. Geboren 1912, ist er als junger Mann im Widerstand gegen die japanische Besatzungsmacht aktiv. 1940 geht er ins Exil in die Sowjetunion, wo er schließlich zum späteren Machthaber Nordkoreas aufgebaut wird. Ab 1948 etabliert Kim einen auf ihn zugeschnittenen Personenkult. Mit brutalen Säuberungsaktionen entledigt er sich seiner Gegner. Politisch pendelt sein Land zwischen China und der Sowjetunion, vor allem, nachdem sich die beiden kommunistischen Führungsmächte ab Ende der 50er-Jahre zunehmend voneinander entfremden. © Imago
Kim Il-sung und Kim Jong-il
Schon in den 1970ern beginnt Kim Il-sung, seinen Sohn Jong-il zu seinem Nachfolger aufzubauen. Als er 1994 stirbt, übergibt er Kim Jong-il ein verarmtes Land. Mit dem Untergang der Sowjetunion wenige Jahre zuvor hat Nordkorea seinen wichtigsten und engsten Partner verloren, es stürzt in eine wirtschaftliche Krise, auf die eine fatale Hungersnot folgt. Hunderttausende Menschen verhungern. Unter Kim Jong-il, der 1941 oder 1942 geboren wurde, verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt, das Land schottet sich immer mehr ab. Vor allem die USA sowie Südkorea – das sich seit den 80ern zur Demokratie gewandelt hat – werden zu Feindbildern. © KCNA via KNS/afp
Fernsehbilder vom ersten nordkoreanischen Atomtest 2006
Unter Kim Jong-il beginnt die beispiellose Aufrüstung des bettelarmen Landes. Wichtigstes Ziel Kims ist es, Nordkorea zur Atommacht zu machen. 2006 gelingt ihm das, Nordkorea testet erstmals eine Atombombe. Die Welt ist geschockt, die Vereinten Nationen erlassen Strafmaßnahmen, denen insgesamt neun weitere Sanktionsrunden folgen. Heute ist Nordkorea eine Atommacht, die wohl Dutzende Sprengkörper besitzt. © Jung Yeon-Je/afp
Kim Jong-un beobachtet einen Raketentest
Zudem testet das Land regelmäßig ballistische Raketen, auf denen die nuklearen Sprengköpfe montiert werden können. So kann das Regime mit seinen Atomwaffen sogar die USA erreichen – zumindest in der Theorie, denn noch ist unklar, wie leistungsfähig die Raketen tatsächlich sind. © KCNA via KNS/afp
Donald Trump und Kim Jong-un an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Kim Jong-il stirbt 2011. Ihm folgt einer seiner Söhne nach: Kim Jong-un. Der treibt das Raketen- und Nuklearprogramm seines Vaters weiter voran. Als Hauptfeinde hat er Südkorea und die USA ausgemacht, die sein Regime regelmäßig mit drastischen Beleidigungen überzieht. Unter US-Präsident Donald Trump sieht es für einen kurzen Moment so aus, als könnten sich die Spannungen zwischen Nordkorea und dem Westen abkühlen – dreimal treffen sich Kim und Trump, auch Südkoreas damaliger Präsident kommt mit Kim zu einem Gipfeltreffen zusammen. © Brendan Smialowski/afp
Passanten in Pjöngjang währen der Corona-Pandemie
Doch die diplomatischen Initiativen scheitern 2019. Ein Jahr später sucht die Corona-Pandemie die Welt heim. Auch Nordkorea schließt seine Grenzen – und schottet sich gegen das Virus so hermetisch ab wie kein anderer Staat weltweit. Trotzdem meldet das Regime im Mai 2022 erste Corona-Fälle. Auch nach dem Ende der Pandemie bleibt Nordkorea ein international isoliertes Land. © Imago
Putin und Kim in Russland
Enge Beziehungen unterhält das Regime in Pjöngjang heute vor allem zu seinen beiden nördlichen Nachbarn China und Russland. Zu Wladimir Putin pflegt Kim ein besonders gutes Verhältnis, denn Russlands Präsident benötigt Nordkoreas Unterstützung für seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine – als Lieferant von Waffen und Munition. Im Herbst 2023 treffen Putin und Kim in Russlands Fernem Osten zusammen, es ist Kims erste Auslandsreise seit der Pandemie. © KCNA via KNS/afp
Kim Jong-un und seine Tochter Ju-ae
Kim Jong-un wurde 1982, 1983 oder 1984 geboren, hat also möglicherweise noch viele Jahre vor sich. Nordkoreas Diktator ist allerdings bei schlechter Gesundheit. Er gilt als Kettenraucher und Alkoholiker und ist sichtbar übergewichtig. Was, wenn er stirbt? Experten glauben, dass Kim seine Tochter Ju-ae zu seiner Nachfolgerin aufbauen will. Seit November 2022 zeigen Staatsmedien das Mädchen, das wohl 2012 oder 2013 zur Welt gekommen ist, regelmäßig an der Seite ihres mächtigen Vaters. © KCNA via KNS/afp
Kim Yo-jong
Aber auch Kims Schwester Kim Yo-jong gilt als mögliche Erbin auf den Thron. Die Macht, die die Kims seit bald 80 Jahren innehaben, dürften sie jedenfalls so schnell nicht aus der Hand geben. © Jorge Silva/afp

Eine Eskalation auf der koreanischen Halbinsel wäre aber kaum in Pekings Interesse: China wünscht sich Stabilität in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, nicht zuletzt, weil die Wirtschaft des Landes ins Stottern geraten ist. Schon jetzt heizt Kim die Lage an, auch verbal. So erklärte er vor einigen Monaten Südkorea zum feindlichen Staat. In Seoul werden deshalb die Stimmen laut, die eine eigene Atombombe fordern. Für China ein Schreckensszenario.

Kim Jong-un mag zwar ein unangenehmer Nachbar sein, ein Zusammenbruch seines Regimes wäre für Peking aber eine Katastrophe. Denn dann kämen wohl viele Millionen Flüchtlinge über die Grenze, zudem dient Nordkorea aus chinesischer Sicht als Pufferstaat zu Südkorea, wo Zehntausende US-Soldaten stationiert sind. Sollte Kim die Lage eskalieren, könnten sich die USA gezwungen sehen, ihr Engagement in der Region weiter auszubauen. Russland dürfte es begrüßen, wenn die USA auf einem weiteren Schlachtfeld kämpfen müssten; für Peking wären noch mehr amerikanische Soldaten auf der Halbinsel ein Albtraum.

Welchen Einfluss hat China auf Nordkorea?

Zwar verfolgt China dasselbe Ziel wie Nordkorea und Russland, nämlich ein Ende der weltweiten US-Dominanz. „Ein wesentlicher Unterschied zwischen Peking und seinen beiden Partnern besteht darin, dass Peking ein solches Ziel anstrebt, ohne die Welt in Brand zu setzen“, schreibt Expertin Kim. Peking aber entgleitet die Situation zusehend. Gut möglich, dass Xi schon bald nach Pjöngjang reist, um Kim Jong-un auf Linie zu bringen – Analysten erwarten jedenfalls ein Treffen zwischen den beiden autoritären Herrschern noch im Jahr 2024.

Welchen Einfluss Xi Jinping auf Kim hat, ist allerdings unklar. Schon einmal nämlich hat Kim gezeigt, dass er auf chinesische Befindlichkeiten keine Rücksicht nimmt: Zum bislang letzten Mal ließ Kim am 3. September 2017 eine Atombombe testen – just an jenem Tag, an dem Xi Jinping im südchinesischen Xiamen die Staatschefs des BRICS-Bündnisses empfing. Es war ein herber Gesichtsverlust für den chinesischen Staatschef, den er dem nordkoreanischen Diktator wohl kaum verziehen hat.

Rubriklistenbild: © Vladimir Smirnov/AFP

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