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Behörden überlastet
Ukraine-Geflüchtete: Eine Deadline naht auch in Deutschland – und wohl ein Dilemma
Deutschland hat rund 1,2 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine erfasst. Ihnen droht 2026 eine Deadline. Ein Experte erklärt die Perspektiven.
Berlin – Selten in den vergangenen gut drei Jahren schien der weitere Fortgang des Ukraine-Kriegs so unklar wie jetzt. Und doch muss Europa wohl davon ausgehen, dass Russlands Angriff auf die Ukraine noch Jahre andauert. Schicksalhaft ist der Fortgang natürlich vor allem für die Ukraine – und die rund vier Millionen ukrainischen Geflüchteten in der EU. Sie leben aktuell nicht nur wegen der Kriegssorge in Unsicherheit. Denn Anfang März 2026 läuft eine EU-weite Regelung für ihren Aufenthalt aus.
Bis dahin gewährt der „vorübergehende Schutz“ Geflüchteten aus der Ukraine pauschal – ohne umständliche Einzelfallprüfung – Aufenthaltsrecht. Wie es danach weitergeht: vorerst unklar. Der Migrationsexperte Dr. Jan Schneider warnt im Gespräch mit dem Münchner Merkur, so einige Menschen aus der Ukraine könnten in ihren Aufenthaltsländern auf mittlere Sicht „durch das Raster fallen“. Spätestens bei einem Ende des Krieges drohe auch aus ethischer Sicht ein Dilemma, meint der Experte des Sachverständigenrats Migration zudem.
Streit um Arbeitsquote von Ukrainern – war Deutschlands Kurs letztlich „nachhaltiger“?
Ein Kernthema ist schon jetzt: Arbeit. Zuletzt habe sich der Anteil der ukrainischen Geflüchteten mit sozialversicherungspflichtigen Jobs in Deutschland deutlich erhöht, sagt Schneider im Gespräch am Rande des „Cafe Kyiv“, einer Ukraine-Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer hätten zunächst Sprachkurse absolviert und auch Abschlüsse anerkennen lassen. Erfreulich sei nun vor allem die Entwicklung bei höher qualifizierten Stellen – womöglich sei Deutschlands oft gescholtener Kurs „nachhaltiger“ gewesen als der anderer EU-Länder. Fachkräfte sind schließlich gesucht.
Unter der aktuellen Regelung dürfen laut Schneider gleichwohl alle geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiten, auch ohne besondere Qualifikation. Beziehungsweise: Sie müssen das als Bürgergeld-Empfänger im Zweifelsfall sogar. „Sie sind verpflichtet, eine Beschäftigung aufzunehmen, wenn das Jobcenter oder die Bundesagentur für Arbeit ihnen einen Job vermitteln, so wie jeder andere auch“, erklärt Schneider. Das gelte im Übrigen für alle anderen offiziell anerkannten Geflüchteten.
Doch wenn die EU-Regelung nach dem 4. März 2026 endet, könnte theoretisch das Ende des Aufenthalts in Deutschland (und anderen EU-Ländern) drohen. Selbst für Hochqualifizierte oder Studierende unter den Ukraine-Geflüchteten gibt es keine pauschale EU-weite Bleibe-Option. Zwar gibt es beispielsweise die „Blaue Karte“ für Fachkräfte oder die Möglichkeit zur Studienplatzsuche in der EU zu weilen – aber der Wechsel aus dem „vorübergehenden Schutz“ in diese Regelungen ist untersagt. Es bräuchte zuerst eine nationale Aufenthaltserlaubnis.
Aktuell hat Polen die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das Land schmiedet bereits an Nachfolgeregelungen. Zuerst soll ein Fragebogen zur Lage an die Mitgliedsstaaten gehen, im Juni dann der Rat der Justiz- und Innenminister debattieren, kündigte Kamil Kisiel aus Polens Innenministerium in einem Panel des „Cafe Kyiv“ an. Wenn der Ukraine-Krieg weitergehe, könne die Regel durchaus auch zu leicht veränderten Bedingungen verlängert werden, meint er. Hans-Ulrich Benra, Chef der Taskforce Ukraine im Bundesinnenministerium, nannte in der Runde so oder so als Ziel: Wer Arbeit habe, solle in Deutschland bleiben können. Wer in die Ukraine heimkehren wolle, solle die dazu nötigen Mittel erhalten.
Was, wenn der Ukraine-Krieg endet? Experte rät: Geflüchteten Entscheidung selbst in die Hand geben
Dennoch fragt sich: Was wird sein, wenn der Ukraine-Krieg einmal endet? Die Ukraine wird Menschen brauchen, die das Land wieder aufbauen. Doch der Rückkehrwille der Geflüchteten sinkt, wie zuletzt mehrere Studien zeigten. Und tatsächlich sind gerade Hochqualifizierte in den Aufnahmeländern sehr willkommen. Schneider spricht sich dafür aus, den Betroffenen in diesem Dilemma selbst die Optionen „Bleiben“ oder „Rückkehr“ an die Hand zu geben. Ohnehin könne man Hochqualifizierte nicht einfach in die Ukraine schicken: „Die können ja de facto gehen, wohin sie wollen“, sagt Schneider – jedenfalls mit einem Jobangebot und wenn sie die Einreisevoraussetzungen erfüllen.
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Nützlich könnten aber „Anreizsysteme“ sein, damit heutige Geflüchtete ihr Know-how und Potenziale beim Wiederaufbau der Ukraine einbringen können, sagt der Experte. Ein Modell sei „zirkuläre Migration“: In Deutschland lebende Ukrainerinnen und Ukrainer könnten etwa in Wiederaufbau-Projekten mitwirken und frei zwischen den Ländern reisen. Angesichts des Wohlstandsgefälles brauche es dafür aber wohl Fördergelder.
Flucht aus der Ukraine: Behörden in Deutschland und Polen schon jetzt überlastet
Bis dahin gibt es aber auch noch banale Probleme zu lösen. Die Anfang 2026 auslaufende Regel zum „temporären Schutz“ erlaubt es den Behörden der Aufnahmeländer etwa, die Aufenthaltsdokumente der Ukrainerinnen und Ukrainer ohne gesonderte Eintragung oder Update pauschal weiter anzuerkennen – selbst, wenn das eingetragene Ende der Aufenthaltsdauer überschritten ist. Diese Regel sei aber vielen potenziellen Arbeitgebern unbekannt, klagte Oleksandra Bienert in der Debatte mit Kisiel und Schneider.
Die Vorsitzende der „Allianz Ukrainischer Organisationen“ forderte mehr Aufklärung für die Wirtschaft. Sonst könnten Personalabteilung wegen vermeintlich abgelaufener Aufenthaltsdokumente zurückschrecken. Die Probleme für die Behörden könnten aber noch deutlich größer ausfallen – wenn die pauschale Regelung endet.
Nicht nur Deutschland tut sich bereits jetzt schwer: Benra bestätigte Überlastung in den deutschen Ausländerbehörden – Kisiel einen massiven „Rückstau“ bei der Fallbearbeitung in den polnischen Regionen. Schon jetzt tun sich die offiziellen Stellen also mit Rat für die Geflüchteten schwer. Eventuell nötige Einzelfallprüfungen scheinen da sehr unrealistisch. Für die EU drängt also die Zeit.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, mit der EU-„Blue Card“ gebe es eine Option für hochqualifizierte Geflüchtete, nach dem „vorübergehenden Schutz“ direkt längerfristiges Aufenthaltsrecht in der EU zu erhalten. Das ist nicht korrekt – tatsächlich ist der direkte Wechsel aus dem „vorübergehenden Schutz“ in aus EU-Richtlinien resultierende Aufenthaltstitel untersagt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.