AOC wird zur Symbolfigur
Trumps Regierung betrachtet AOC als neue Anführerin der Demokraten
Die Republikaner machen Alexandria Ocasio-Cortez zur „Anführerin der Demokraten“ – und heben sie damit ins politische Rampenlicht.
Washington, DC – Während die Demokraten in den USA sich nach der Wahlschlappe noch sortieren, haben die Republikaner offenbar bereits die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez als neues Gesicht der Partei auserkoren. Die Sprecherin des Weißen Hauses bezeichnete die 35-Jährige als „Anführerin der Demokraten“ – faktisch zwar falsch, aber womöglich ein Lapsus mit Kalkül.
Demokratische Führungsfrage ist offen: Republikaner rücken AOC in den Fokus
US-Präsident Donald Trump beruft sich derzeit auf ein 227-Jahre altes Gesetz, um Migranten ohne rechtliche Anhörung zu deportieren. Zuständig für die umstrittenen Ausweisungen ist die Einwanderungs- und Zollbehörde ICE, an der Ocasio-Cortez, auch bekannt unter ihren Initialen AOC, unlängst deutliche Kritik übte: „Ich bin der Meinung, dass ICE – eine Behörde, die erst 2003 im Zuge des Patriot Acts gegründet wurde – eine außer Kontrolle geratene Behörde ist, die nicht existieren sollte“, zitiert Fox News aus einer Spenden-E-Mail der Politikerin.
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Abigail Jackson, holte am Mittwoch (28. Mai) zum Gegenschlag aus: „AOC, Parteivorsitzende der Demokraten, fordert die Abschaffung von ICE. Währenddessen holen die tapferen Männer und Frauen von ICE gefährliche, kriminelle, illegale Einwanderer von unseren Straßen und schützen amerikanische Bürger.“ Im Englischen sprach Jackson von AOC als „Democrat party leader“. Vorsitzender der demokratischen Partei, des sogenannten Democratic National Committee, ist Ken Martin. Mit welchem Kandidaten die Demokraten bei der kommenden Präsidentschaftswahl ins Rennen gehen, ist noch völlig offen.
Trendwende bei den Demokraten? AOC in Umfragen vorn
Die Mehrheit der Wähler und Wählerinnen sieht derzeit offenbar AOC als Gesicht der demokratischen Partei, wie eine Umfrage des Instituts co/efficient im Mai ergab. 26 Prozent der Befragten nannten die New Yorker Abgeordnete als Führungsfigur. Mit deutlichem Abstand folgte US-Senator Bernie Sanders, der auf zwölf Prozent kam. Die Kongressabgeordnete Jasmine Crocket lag mit acht Prozent auf Platz drei. Die Option „niemand“ wählten 26 Prozent der Befragten.
Dahinter rangierten die frühere Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris (6 Prozent), Ex-Verkehrsminister Pete Buttigieg (5 Prozent) und Fraktionsführer Hakeem Jeffries (5 Prozent), mit einer Fehlerquote von 3,27 Prozent. Umfragen sind immer Momentaufnahmen, können jedoch einen Hinweis auf Trends geben. Im Fall von AOC deuten Beobachter die jüngsten Ergebnisse als den Aufstieg der Demokratin innerhalb ihrer Partei.
Eine Yale-Erhebung hatte im April Menschen gefragt, für wen sie in den Vorwahlen der demokratischen Partei stimmen würden. Damals erreichte AOC nur Platz zwei: 21 Prozent der Befragten hätten ihr die Stimme gegeben, 27,5 Prozent hätten noch vor einem Monat Kamala Harris gewählt.
AOC und Bernie Sanders gegen Trump und die Superreichen
Ocasio-Cortez bezeichnet sich selbst als demokratische Sozialistin und gehört wie US-Senator Bernie Sanders zum linken Lager ihrer Partei. Mit der Forderung nach der Abschaffung der ICE gilt sie manchen auch als Wählerschreck. Andererseits mobilisiert die 35-Jährige junge Menschen wie kaum eine anderen in ihrer Partei: AOC folgen zwölf Millionen Menschen auf der Plattform X, neun Millionen auf Instagram und vier Millionen auf TikTok. Zusammen mit Sanders ist AOC eine der deutlichsten Trump-Kritikerinnen der Demokraten.
Derzeit reisen die beiden „im Kampf gegen die Oligarchie“ durch die USA und warnen vor Trump und den Superreichen. „Wir stehen in Amerika an einem Scheideweg“, mahnte die Politikerin jüngst in Salt Lake City. „Oligarchie oder Demokratie – beides zugleich ist nicht möglich.“ Dass die Republikaner die New Yorker Politikerin nun als „leader“ der Demokraten bezeichnen, ist wohl kein Zufall. Womöglich will die Trump-Regierung damit Ängste unter den konservativen Wählern schüren, indem sie AOCs progressive Ansichten mit der Agenda der Demokraten gleichsetzen.
Bei der Wählerschaft könnte das verfangen: Ein Großteil der US-Amerikaner (59 Prozent) befürwortet laut einer Umfrage des Pew Research Center vom März die verstärkten Abschiebungen unter der Trump-Regierung. Die verstärkte Militärpräsenz an der Südgrenze des Landes halten demnach 58 Prozent der Befragten für richtig. Ob Ocasio-Cortez überhaupt Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei werden will, ist indes nicht bekannt. Beobachter halten es für wahrscheinlicher, dass sie einen Sitz im US-Senat anstrebt. AOC selbst hat bislang nichts ausgeschlossen – auch das Weiße Haus nicht.
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