Wirbel um Aschermittwoch-Rede
Nach Honecker-Vergleich in Passau: Grüne werfen Söder „Grenzüberschreitung“ vor
Bayerns Ministerpräsident vergleicht die Umweltministerin mit Margot Honecker. Die Grünen werfen Söder Grenzüberschreitung und sprachliche Enthemmung vor.
Passau — Beim politischen Aschermittwoch der CSU in Passau nahm Ministerpräsident Markus Söder traditionell kein Blatt vor den Mund. Hauptziel der Söder-Rede waren wie so oft in den letzten Monaten die Grünen. Bayerns Landeschef verglich unter anderem Grünen-Chefin Ricarda Lang und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert mit seinem Hund Molly. Der hätte im Gegensatz zu den Berliner Politgrößen eine „abgeschlossene Ausbildung – als Schutzhund“, spottete Söder. Der Öko-Partei warf er unter anderem das Führen eines „Kleinkriegs gegen das Fleisch“ vor. Doch vor allem mit seinem Kommentar zu Umweltministerin Steffi Lemke (Bündnis90/Die Grünen) sorgt Söder für Aufsehen – bei der Ampel-Partei für Empörung.
„Grüne Margot Honecker“: Umweltministerium wehr sich nach Söder-Angriff auf Lemke
„Freiheit für die Fleißigen und nicht immer neue Auflagen, Auflagen, Auflagen“, sagte Söder bei seiner Rede in Passau mit Blick auf Lemke. „Die grüne Umweltministerin Frau Lemke ist da übrigens ein Musterbeispiel – diese grüne Margot Honecker. Die Grünen machen soviel Mist, eigentlich müssten die selbst unter die Düngeverordnung fallen“, rief Söder der Menge in der Dreiländerhalle entgegen.
Der Vergleich von Lemke mit der führenden Frau im DDR-Regime geht für viele Mitglieder der Grünen jedoch zu weit. Gerade auch wegen Lemkes persönlicher Vergangenheit. Das Umweltministerium wehrte sich nach Söders Rede in einem knappen Statement auf dem Kurznachrichtendienst X. „Bundesministerin Steffi Lemke ging 1989 zusammen mit hunderttausenden Menschen auf die Straße, um für Freiheit, Demokratie und gegen das DDR-Regime zu demonstrieren“, heißt es in der Stellungnahme. „Diese Entgleisung von Markus Söder ist ebenso geschichtsvergessen wie grenzüberschreitend.“
Lemke wurde 1968 in Dessau geboren und wuchs in der DDR auf. 1989 zählte die Bundesumweltministerin zu den Gründungsmitgliedern der Grünen Partei in der DDR. Lemke ist neben Bauministerin Klara Geywitz (SPD) die einzige aus Ostdeutschland stammende Bundesministerin im Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Grüne sagen Politischen Aschermittwoch ab: Trittin kritisiert Söder – „befördert genau jene Enthemmung“
Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin (Bündnis90/Die Grünen) gab Söder eine Mitverantwortung für die zunehmende politische Verrohung. „Es führt eine direkte Linie von Passau nach Biberach“, schrieb Trittin auf X. In Biberach (Baden-Württemberg) hatten die Grünen eine Veranstaltung zum politischen Aschermittwoch mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis90/Die Grünen) abgesagt, nachdem es vor dem Veranstaltungsort zu massiven Protesten und Blockaden gekommen war.
Dabei wurde auch die Scheibe eines Fahrzeuges eingeschlagen. „Wer wie Markus Söder die Bürgerrechtlerin Steffi Lemke mit Margot Honecker vergleicht, befördert genau jene Enthemmung, die den rechten Mob gegen Cem Özdemir und Winfried Kretschmann befeuerte“, warf Trittin der CSU vor.
Bayerns Ministerpräsidenten seit 1945




„Kehren Sie zurück zur Mitte“: Lang appelliert nach Honecker-Kommentar an Söder
Zum Ziel von Anfeindungen wurde im Rahmen des Politischen Aschermittwochs auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. Dutzende Störer hatten nach einer Veranstaltung in Schorndorf die Abreise der Grünen-Politikerin behindert. Nach Informationen der dpa wurde Lang dabei mit „Hau ab“- und „Pfui“-Rufen belegt. Sie musste auch härtere Beschimpfungen ertragen. Die Störer verfolgten Lang und ihre Personenschützer rund 50 Meter weit, bis sie von Polizisten gestoppt wurden.
Zuvor hatte die Grünen-Chefin ebenfalls die Äußerungen von Söder scharf kritisiert. Das berichtete der Tagesspiegel. Lemke habe mit ihrem Protest gegen das DDR-Regime etwas bewiesen, von dem Markus Söder offenbar wenig verstehe, so Lang: „Und zwar Rückgrat und Mut.“ Lang kritisierte vor allem Söders Rhetorik gegenüber anderen Parteien. „Nicht der Witz, nicht die Kritik, sondern das Verächtlichmachen des politischen Gegenübers. Der Angriff, der die Person zerstören will. Das führt zum Verfall unserer politischen Demokratie.“
Anschließend rief die Grünen-Vorsitzende den CSU-Chef zur Mäßigung auf: „Lieber Markus Söder, verlassen Sie diesen Weg. Hören Sie auf, sich zum Protagonisten des Verfalls der politischen Kultur in Deutschland (…) zu machen und kehren Sie zurück in die Mitte.“ (fd)
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