Tausende Tote und Verwundete
Skurrile These kursiert: Planen Russlands Kommandeure im Ukraine-Krieg auf Basis falscher Karten?
Laut Berichten russischer Militärblogger haben die Befehlshaber von Moskau-Autokrat Wladimir Putin oft keinen Überblick über die tatsächliche Lage in der Ukraine.
Donbass - Russland plant den nächsten Großangriff auf Awdijiwka. Diesmal hat die Armee von Moskau-Machthaber Wladimir Putin angeblich 40.000 Soldaten zusammengezogen, um die Kleinstadt mit vormals 32.000 Einwohnern im Donbass endlich einzunehmen. Insofern es denn tatsächlich gelingt, während die ukrainischen Streitkräfte am östlichen Ufer des Dnipro bei Cherson im Süden Druck machen.
Ukraine-Krieg: Russische Kommandeure haben laut Militärbloggern oft keinen Überblick
Ein Ende des Ukraine-Kriegs ist in dieser Gemengelage nicht in Sicht, während die Russen auf der Krim jetzt sogar ganze Kriegsschiffe im Hafen verlieren. Ob Putin deshalb atomwaffenfähige Interkontinental-Raketen testen lässt? Um von den militärischen Misserfolgen auf dem ukrainischen Schlachtfeld und dem Sterben seiner Landsleute dort abzulenken?
Wie russische Militärblogger jetzt behauptet haben, kennen sich seine Kommandeure auf diesem Schlachtfeld häufig gar nicht richtig aus. So würden sie auf falsche Karten vertrauen und die realen Positionen sowie Stellungen des Gegners oftmals nicht einschätzen können. Davon berichtet die US-amerikanische Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) unter Berufung auf mehrere russische Blogger. Die Informationen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Führte auch das dazu, dass die russische Invasionsarmee bei Awdijiwka seit Mitte Oktober tausende Soldaten durch Tod oder Verwundung sowie hunderte gepanzerte Fahrzeuge verloren hat? Etliche Videos und Fotos in den sozialen Netzwerken sowie Berichte von Militärbloggern und Faktenchecks verschiedener Medien sollen diese These belegen.
Russische Armee: Falsche Schlachtfeld-Karten aus der Ukraine?
Jene russischen Militärblogger behaupteten, dass Putins Kommandeure möglicherweise operative und taktische Entscheidungen anhand von Karten des Schlachtfelds in der Ukraine treffen, die von der taktischen Realität abweichen, schreibt das viel zitierte ISW in seiner täglichen Analyse vom 8. November. Die US-Denkfabrik schätzt das Kriegsgeschehen aus der Ferne anhand von Berichten der Blogger, durchgesickerten Informationen westlicher Behörden und offiziellen Meldungen sowie veröffentlichter Satellitenbilder aus den betroffenen ukrainischen Regionen ein. Und: Der ThinkTank lag oft richtig, insbesondere was den Frontverlauf im völkerrechtswidrig angegriffenen Land betraf.
Awdijiwka
Awdijiwka ist eine Kleinstadt mit vormals 32.500 Einwohnern in der Oblast Donezk im Osten der Ukraine. Die einstige Industriestadt liegt knapp 15 Kilometer nördlich des Stadtzentrums der Großstadt Donezk (rund 920.000 Einwohner). Sie war für ihre Kokerei zur Herstellung von Koks und Rohgas aus Kohle bekannt. Im März wurde Awdijiwka durch russische Angriffe weitgehend zerstört, nachdem es bereits seit 2014 immer wieder Ort des militärischen Konflikts im Donbass war - so auch im Oktober und November 2023 wieder.
Ein russischer Militärblogger meinte ferner, berichtet das ISW, dass der russische Generalstab Schlachtfeld-Karten verwende, die mit der taktischen Realität in den Schützengräben und zerbombten Siedlungen nichts zu tun hätten. Wo stehen die Ukrainer? Wo haben sie ihre Artillerie platziert? Wo warten ihre aus dem Westen gelieferten Panzer auf den nächsten Einsatz? Dies bleibt der Analyse zufolge nicht selten im Verborgenen, Attacken werden wohl vereinzelt auf gut Glück angeordnet.
Russlands Einmarsch in der Ukraine: Fehleinschätzungen auch bei Awdijiwka im Donbass?
Was völlig fahrlässige russische Angriffe wie bei Awdijiwka erklären würde, wo ganze Panzerverbände auf offenem Feld direkt ins ukrainische Artilleriefeuer fuhren, ohne selber Stellungen angreifen zu können. Videos bei X (vormals Twitter) sollen das ebenfalls zeigen. Diese lassen sich ebenfalls nicht unabhängig verifizieren, das Gezeigte wirkt zumindest authentisch. Ein anderer russischer Militärblogger fragte laut ISW in einem Fall, warum russische Streitkräfte große ukrainische Truppenkonzentrationen nahe der Front nicht angegriffen haben. Weil die Kommandeure diese gar nicht erkannt hatten?
Latest on #Ukraine: https://t.co/lrk3wxhJGb
— Institute for the Study of War (@TheStudyofWar) November 9, 2023
Key Takeaways ⬇️
1/5 Ukrainian forces continued counteroffensive operations near #Bakhmut and in western #Zaporizhia Oblast on November 8. pic.twitter.com/f5AjsGmGob
Noch ein russischer Militärblogger schreibt, dass es in der Vergangenheit umgekehrt Angriffsbefehle auf Bataillons- und Regimentsebene gegeben habe, um die Karten des Generalstabs tatsächlich einzuhalten. Das dies aber nicht immer gelungen sei. Kommandeure würden Anreize bekommen, die dargestellten taktischen Fortschritte wirklich zu erzielen, weil der Generalstab zunehmend positive Berichte von der Front für das Kreml-Regime brauche, heißt es ferner. Wie das ISW weiter berichtet, erzielten die Ukrainer Anfang November bei Robotyne im Süden ihres Landes dagegen Fortschritte, nachdem ihre Offensive dort zwischenzeitlich zum Erliegen gekommen war. Doch: Kommen solche Informationen in Moskau überhaupt an? (pm)
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