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„Aufrührerische Verschwörung“

Sturm aufs Kapitol: 22 Jahre Haft für früheren Chef der rechtsradikalen „Proud Boys“

Enrique Tarrio
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Enrique Tarrio, ehemaliger Chef der rechtsradikalen „Proud Boys“, bei einer Kundgebung in Portland, Oregon.

Enrique Tarrio wird im Mai wegen „aufrührerischer Verschwörung“ verurteilt. Nun steht das Strafmaß fest. Der Richter zeigt kein Erbarmen.

Washington, D.C. - Der ehemalige Chef der rechtsradikalen Miliz „Proud Boys“ ist wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol in den USA zu 22 Jahren Haft verurteilt worden. Bezirksrichter Timothy Kelly verhängte das Urteil gegen den 39-jährigen Enrique Tarrio wegen „aufrührerischer Verschwörung“ bei dem Aufstand von Fans des damaligen Präsidenten Donald Trump. Es handelt sich um die bislang höchste Strafe im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol.

Der 39-jährige Tarrio und vier weitere Mitglieder der Proud Boys waren bereits im Mai schuldig gesprochen worden. Die vier anderen erhielten in der vergangenen Woche Haftstrafen zwischen zehn und 18 Jahren. Die Anklage hatte sogar 33 Jahre Haft für Tarrio gefordert. Dieser hielt sich am 6. Januar 2021 zwar nicht in der Hauptstadt auf, ihm wird aber vorgeworfen, den Angriff von Mitgliedern der Proud Boys auf das Kapitol geleitet zu haben.

6. Januar 2021 - der Sturm aufs Kapitol in Bildern

Donald Trump bei seiner Rede am 6. Januar 2021 in Washington DC
Alles begann mit einer Rede von Donald Trump. Der noch amtierende Präsident hatte seine Anhängerinnen und Anhänger nach Washington DC gerufen, um dort gegennnnnnn die Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten zu demonstrieren. Der hatte die Wahl im November gewonnen, am 6. Januar sollten dann die Wahlmänner der Bundesstaaten Bidens Sieg in Washington DC bestätigen. Eigentlich ein formaler, zeremonieller Akt. In Trumps Wahrnehmung aber wohl die letzte Chance, die Niederlage gegen Biden noch zu verhindern. Seine tausenden Zuhörer forderte Trump auf, „gemeinsam zu Kapitol“ gehen um „unser Land zurückzuerobern“. © Brendan Smialowski/afp
Tausende Menschen finden sich am 6. Januar auf den Stufen des Kapitols in Washington DC ein
Der Mob aus MAGA-Fans gehorchte Donald Trump und zog in Richtung Kapitol. Gegen 12 Uhr Ortszeit fanden sich tausende Menschen auf den Stufen zu den Parlamentsgebäuden ein. Viele trugen Camouflage-Kleidung und Gasmasken. Trump-Flaggen und Devotionalen waren überall zu sehen. Entgegen seiner Ankündigung war der abgewählte US-Präsident aber nirgends zu sehen. Das Sicherheitspersonal, bestehend aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Secret Service, soll Trump eine Teilnahme an der Demonstration verboten haben. © Roberto Schmidt/afp
Ein Galgen, wohl für Mike Pence, ist vor den Stufen des Kapitols in Washington DC am 6. Januar zu sehen.
Donald Trumps Getreue hatten es aber nicht nur auf die Demokraten und Joe Biden abgesehen. Auch Mike Pence geriet ins Visier des Mobs. Trump hatte in den Tagen zuvor von seinem Vizepräsidenten gefordert, die Wahl von Biden nicht zu ratifizieren – eine formale Aufgabe, die im politischen System der USA dem Vize zufällt. Pence weigerte sich, was Trumps Fans zu dem Schlachtruf „Hang Mike Pence“ (Hängt Mike Pence“) inspirierte. Ihre Forderung unterstrich der Mob mit selbstgebastelten Galgen vor dem Kapitol. © Andrew Caballero-Reynolds/afp
Der Maga-Mob prügelt sich am 6. Januar vor dem Kapitol in Washington DC mit der Polizei
Vor dem Kapitol traf der Mob auf hoffnungslos unterbesetzte Sicherheitskräfte. Die Polizei war machtlos und konnte die Barrikaden vor dem Kapitol nicht lange halten. Gegen 12.30 durchbrach der wütende Mob schließlich die Absperrungen. Zwei Stunden hatte die Polizei endgültig aufgegeben und die Trump-Fans verschafften sich Zugang zu den Parlamentsgebäuden. © Joseph Prezioso/afp
Mike Pence und Nancy Pelosi im Kapitol in Washington DC am 6. Januar
Während draußen die Schlacht zwischen MAGA-Fans und Kapitolspolizei tobte, lief im US-Senat die Sitzung, in der Joe Biden endgültig zum Präsidenten erklärt werden sollte. Kurz nachdem der Mob sich Zugang zu den Gebäuden verschafft hatte, unterbrachen Vizepräsident Mike Pence und Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Sitzung. Der Plenarsaal wurde von den Sicherheitskräften evakuiert. © Erin Schaff/afp
Anhänger von Donald Trump in den Gebäuden des Parlaments auf dem Kapitol in Washington DC am 6. Januar
Im Kapitol begannen die Anhänger Donald Trumps in den heiligen Hallen der amerikanischen Demokratie zu randalieren. Zahlreiche Kunstwerke wurden zerstört, die Wände mit Exkrementen beschmiert und ein Rednerpult gestohlen, das kurz darauf auf Ebay zum Verkauf angeboten wurde. Währenddessen verbarrikadierten sich Abgeordnete, die nicht rechtzeitig evakuiert werden konnten, in einzelnen Räumen des Kapitols. © Roberto Schmidt/afp
Richard Barnett im Büro von Nancy Pelosi beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar in Washington DC in den USA
Die Anhänger von Donald Trump hatten es besonders auf das Büro von Nancy Pelosi abgesehen. Richard Barnett war unter denen, die sich Zugang zu den Räumen der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses verschaffte. Dort machte Barnett Fotos von sich im Stuhl Pelosis, veröffentlichte diese auf Facebook und schrieb Pelosi beleidigende Nachrichten auf den Schreibtisch. Kurze Zeit nach dem Sturm aufs Kapitol wurde Barnett verhaftet. © Saul Loeb/afp
Jake Angeli, der QAnon Schamane beim Sturm aufs Kapitol in Washington DC am 6. Januar
Zweifelhafte Berühmtheit erlangte am 6. Januar 2021 auch Jake Angeli. Der sogenannte „QAnon-Schamane“ beteiligte sich in Kriegsbemalung und mit Fellmütze inklusive Hörnern am Sturm aufs Kapitol. Tage später wurde Angeli festgenommen und des vorsätzlichen Betretens oder Verbleibs in gesperrten Gebäuden oder Geländen ohne rechtmäßige Befugnis sowie des gewaltsamen Betretens und des ordnungswidrigen Verhaltens auf dem Gelände des Kapitols angeklagt. Die Fahndung sei aufgrund der „einzigartigen Kleidung und den umfangreichen Tätowierungen auf seinem Oberkörper“ leicht gefallen, gaben die Behörden im Anschluss an. © Saul Loeb/afp
Anhänger Donald Trumps beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar in den Gebäden des Parlaments in Washington DC.
Überall in den Gebäuden tummelten sich stundenlang die Anhänger Donald Trumps. Der abgewählte US-Präsident zögerte, die Nationalgarde zur Unterstützung der Kapitolpolizei zu entsenden und weigerte sich zunächst, den Mob per Videobotschaft zur Ruhe zu bringen. Erst vier Stunden, nachdem die Türen des Kapitols eingeschlagen worden waren, wandte sich der noch amtierende Präsident an die Demonstranten. Nur halbherzig verurteilte er die Gewalt des Tages und lobte die Randalierer noch als „große Patrioten“. © Saul Loeb/afp
Nationalgardist im Einsatz beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar in Washington DC
Erst gegen 16.30 Uhr, also zweieinhalb Stunden, nachdem das Kapitol gestürmt worden war, wurde die Nationalgarde geschickt. Wer diesen Einsatz, den die Kapitolpolizei zwei Stunden zuvor bereits beantragt hatte, letztlich genehmigt hat, ist nicht bekannt. Laut offizieller Anrufliste hat Donald Trump von 11 Uhr bis 18 Uhr kein einziges Telefonat geführt. Die Theorie liegt nahe, dass Mike Pence letztlich den Einsatz der Nationalgarde in die Wege geleitet hatte. Den Sicherheitskräften gelang es gegen 17.30 Uhr, den Mob aus den Parlamentsgebäuden im Kapitol zu drängen. © Olivier Douliery/afp
Anhänger von Donald Trump beim Sturm aufs Kapitol in Washington DC am 6. Januar
Die Bilanz des Kapitolsturms am 6. Januar in Washington DC fällt verheerend aus. Insgesamt kamen zehn Menschen ums Leben, fünf davon Polizisten. Vier dieser Männer begangen in den Tagen nach dem Sturm Suizid. 140 weitere Sicherheitsbeamte und unzählige Demonstranten wurden verletzt. Bis heute laufen Gerichtsverfahren gegen Beteiligte des Aufstands. Doch für Donald Trump ändert das alles nichts. Bis heute hat er seine Wahlniederlage nicht akzeptiert und lässt seit dem 6. Januar keine Gelegenheit aus, den Beinahe-Sturz der Demokratie in den USA kleinzureden. © Samuel Corum/afp

Sturm aufs Kapitol: 22 Jahre Haft für Ex-Chef rechter „Proud Boys“

Richter Kelly begründete das hohe Strafmaß gegen Tarrio damit, dass dieser der „höchste Anführer der Verschwörung“ gewesen sei. „Jener Tag hat unsere zuvor ungebrochene Tradition friedlicher Machtübergaben gebrochen“, sagte Richter Kelly bei der fast vierstündigen Strafmaßverkündung in Washington, D.C. Der Richter zeigte sich auch unbeeindruckt von der Reue, die der Beschuldigte im Gerichtssaal bekundete. Mit teilweise tränenerstickter Stimme bezeichnete Tarrio den 6. Januar 2021 als „furchtbaren Tag“ und flehte den Richter um Gnade an.

Insgesamt hatten rund 200 Mitglieder der Proud Boys an der gewaltsamen Erstürmung des US-Kapitols teilgenommen. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Fans zuvor bei einer Rede mit der Falschbehauptung aufgewiegelt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Als Folge der Krawalle kamen damals fünf Menschen ums Leben.

Justizminister Merrick Garland erklärte, die „Proud Boys“ hätten bei dem Anschlag eine zentrale Rolle gespielt. Tarrio habe nun erfahren, welche Strafe eine Verschwörung zur gewaltsamen Verhinderung der rechtmäßigen Machtübergabe nach sich ziehe. Zuvor waren bereits andere Mitglieder der Gruppe zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

Donald Trump muss sich wegen der Attacke aufs Kapitol vor Gericht verantworten

Auch Trump muss sich im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol vor Gericht verantworten. Dem früheren Präsidenten wurde Anfang August von der Bundesjustiz wegen seiner Versuche angeklagt, den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2020 nachträglich zu kippen und sich damit an der Macht zu halten. Er muss sich im März wegen Wahlverschwörung vor Gericht verantworten. In einem weiteren Verfahren gegen Trump und 18 weitere Mitangeklagte um mutmaßliche Wahlbeeinflussung im Bundesstaat Georgia steht noch kein Termin für den Prozessbeginn fest. (cs/afp)

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