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Diplomatischer Drahtseilakt

Politischer Drahtseilakt: Indiens Ministerpräsident Modi auf Friedensmission in der Ukraine

Indien hat sich lange aus dem Ukraine-Krieg herausgehalten. Trotzdem war Regierungschef Modi kürzlich bei Putin. Nun reist er erstmals nach Kiew.

Indiens Ministerpräsident Narendra Modi ist auf einer für ihn sehr ungewöhnlichen Reise. Am Donnerstag (22. August) ist er zu Sicherheitsgesprächen in Polen, einem der engsten Verbündeten der von Russland angegriffenen Ukraine. Und am Freitag reist Modi das erste Mal nach Kiew, um bei einem siebenstündigen Blitzbesuch unter anderem Präsident Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Es ist der erste Kiew-Besuch eines indischen Premiers in den 30 Jahren diplomatischer Beziehungen beider Länder. Das indische Außenministerium bezeichnete den Termin deshalb vorab als „wegweisend und historisch“. Es sei „nicht die Zeit für Krieg“, sagte Modi in Warschau – und wiederholte damit eine Mahnung, die er einst an Wladimir Putin gerichtet hatte.

Der Westen umwirbt das demokratische Indien, seit 2023 das bevölkerungsreichste Land der Welt, als Gegengewicht zum autoritären China. Im Ukraine-Krieg aber pocht Indien strikt auf seine traditionelle Neutralität – und hält sich nicht an die westlichen Russland-Sanktionen. Neu-Delhi verurteilte die russische Invasion der Ukraine nie. Im Juli war Modi gar bei Putin in Moskau – ausgerechnet an jenem Tag, als russische Bomben ein Kinderkrankenhaus in Kiew trafen. Modi rügte Putin, wenn auch nur indirekt: Der Tod unschuldiger Kinder sei schrecklich; Moskau und Kiew sollten ihren Konflikt durch Dialog und Diplomatie lösen.

Um die Welt aber ging das Foto einer Umarmung der beiden Männer, die Selenskyj heftig kritisierte: „Es ist eine große Enttäuschung und ein verheerender Schlag für die Friedensbemühungen, dass der Anführer der größten Demokratie der Welt den blutigsten Verbrecher der Welt an einem solchen Tag in Moskau umarmt.“

Indien und die Ukraine: Schrittweise Annäherung

Seither führten indische und ukrainische Spitzendiplomaten regelmäßige Gespräche, und Modi traf Selenskyj am Rande des G7-Gipfels in Italien. Seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 hatten die beiden mehrmals miteinander telefoniert. Auch war der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba im April zu Gesprächen in Neu-Delhi. Kurz vor der Abfahrt aus Warschau nach Kiew betonte Modi am Donnerstag noch: „Indien ist zu jeder Unterstützung bereit, die den Ukraine-Konflikt im Gespräch mit befreundeten Staaten zu beenden hilft.“

Handshake am Rande des G7-Gipfels in Italien: Indiens Premier Narendra Modi und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Nun reist Modi erstmals nach Kiew.

„Indien und die Ukraine versuchen seit geraumer Zeit, engere Beziehungen aufzubauen“, sagt Jochen Luckscheiter, Büroleiter der Heinrich Böll-Stiftung in Neu-Delhi. Vor diesem Hintergrund erscheine der Besuch des indischen Premiers in der Ukraine als geplant und „nicht als spontane Reaktion auf die Kritik an Modi während seines Besuchs bei Präsident Putin im Juli.“ Selenskyjs Büro teilte mit, dass er und Modi über bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit sprechen würden, und dass man eine „Reihe von Dokumenten“ unterzeichnen werde. Kiew möchte den Handel mit Indien gerne weiter ausbauen.

Experte: Modi wird sich in in der Ukraine bedeckt halten

Konkret werden Modi und Selenskyj zudem über die Zusammenarbeit in Bereichen wie Landwirtschaft, Pharmazeutika und humanitäre Hilfe sprechen, sagte Luckscheiter IPPEN.MEDIA. „Politisch geht es für Indien aber natürlich auch darum, deutlich zu machen, dass es trotz seiner engen Beziehungen zu Moskau ein Interesse am Ende des Krieges hat – und es sendet damit auch ein Signal an seine westlichen Partner, an die Indien in den vergangenen Jahren deutlich näher gerückt ist.“ Modi werde weiterhin mit beiden Parteien Beziehungen unterhalten, „ohne allerdings Indien direkt als in der Vermittlerrolle zu positionieren.“

An der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz hatte Indien nur mit einer niedrigragigen Delegation teilgenommen und das Abschlussdokument nicht unterschrieben. Die US-Regierung akzeptiert zwar bislang Indiens Balanceakt zwischen dem Westen und Russland, reagierte auf Modis Moskau-Besuch allerdings mit „Enttäuschung“.

Modis Reise nach Kiew werde nun wahrscheinlich eine negative Reaktion Russlands hervorrufen, erwartet Shashi Taroor, früherer UN-Untergeneralsekretär und Außen-Staatssekretär Indiens – „so wie sein Besuch in Moskau die USA irritierte“. Taroor sieht in der Reise einen komplizierten Drahtseilakt. Modi müsse seine privaten Botschaften hinter den Kulissen so kalibrieren, dass sie auf die Sorgen Kiews und Moskaus eingehen, und zugleich die Reise als „eine mutige neue Initiative darstellen“, schreibt Taroor. „Sollte dies gelingen, wäre es ein geopolitischer Triumph. Sollte der Besuch jedoch schiefgehen, könnte er Indiens Ansehen in der Welt unabsehbaren Schaden zufügen.“ Auch Luckscheiter geht davon aus, dass Modi sich in seinen Äußerungen und Schritten in Kiew bedeckt halten wird, um sich einen Handlungsspielraum zu sichern.

Ukraine möchte Indien aus der Umarmung Russlands lösen

Auch die Ukraine hat über die Wirtschaftsbeziehungen hinaus handfeste Interessen am Besuch Modis. „Für die Ukraine geht es natürlich darum, Indien von seinen engen Beziehungen mit Russland abzubringen“, sagt Luckscheiter – durch die Einblicke in die Lage vor Ort werde Kiew aber „bestenfalls einen graduellen Perspektivwechsel bei Modi anzustoßen vermögen“, erwartet er. Zu lang und tiefgehend seien Indiens Beziehungen zu Russland.

86 Prozent der indischen Militärausrüstung stammen laut Taroor aus Russland, Ersatzteile von dort seien für Neu-Delhi nach wie vor unverzichtbar. Zudem profitiert Indien von billigen Ölimporten aus Russland. Seit Kriegsbeginn hat sich deren Volumen knapp verzwanzigfacht, Putins Reich ist zum wichtigsten Öl- und Gaslieferanten Indiens geworden.

Trotzdem hat Indien ein ernsthaftes Interesse an einem Ende des Ukraine-Krieges. Ein Grund ist laut Luckscheiter, dass der Krieg aus indischer Sicht die Aufmerksamkeit Europas bindet. „Aus indischer Perspektive ist die größte sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit der Nachbar China und nicht Russland.“ Vom Kriegsende erhoffe sich Neu-Delhi mehr Engagement von Europa, um dieser Herausforderung in der eigenen Region besser zu begegnen.

Rubriklistenbild: © Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

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