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Angst vor schweren Krawallen

„Es ist erniedrigend“ – Wahlkampf in Frankreich geprägt von Rassismus und Gewalt

Die Angst vor der Eskalation des Wahlabends in Frankreich steigt. Bereits im Wahlkampf kam es zu gewaltsamen Übergriffen mit teils schweren Verletzungen.

Paris – Die Wahlen in Frankreich sind geprägt von Gewalt gegen Kandidierende sowie Wahlhelferinnen und Wahlhelfer. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin sagte gegenüber dem französischen Sender BFMTV-RMC, dass er während der „kurzen“ Wahlkampfphase 51 Angriffe auf Kandidierende, Stellvertretende oder Helferinnen und Helfer registriert habe.

Bei den „teils äußerst schweren Angriffen“ sei es zu insgesamt 30 Festnahmen gekommen, so Darmanin. Manche sollen nach den Attacken ins Krankenhaus gebracht worden sein. Laut BFMTV ereigneten sich die meisten Überfälle beim Anbringen von Plakaten.

Frankreich bereitet sich nach einem von Gewalt geprägten Wahlkampf auf Proteste vor.

„Es ist schon erniedrigend“ – 77-Jähriger wird vor Frankreich-Wahl beim Plakate-Aufhängen überfallen

Einer der Betroffenen ist Bernard Dupré. Der 77-Jährige engagiert sich bei dem Bündnis Ensemble, dem auch die Partei Renaissance von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angehört. Dupré sei beim Plakate-Aufhängen überfallen worden, berichtete er dem Sender. „Ich hatte meinen Kofferraum geöffnet und da kam eine Person auf mich zu und nahm die Plakate aus meinem Auto“, erzählt er. Der Mann habe die Plakate zerrissen, woraufhin Dupré eingeschritten sei. „Ich wurde geschlagen. Er nahm die restlichen Plakate und rannte weg.“

Wenige Stunden später hätten sich ein 26-jähriger Mann und Anhänger der linkspopulistischen Partei La France insoumise (zu Deutsch „unbeugsames Frankreich“) der Polizei gestellt. Der Vorfall sei zur Anzeige gebracht worden, berichtete BFMTV.

Für Dupré ist eine solche Tat nicht nachzuvollziehen. „Es ist schon erniedrigend, wenn man mit 77 Jahren angegriffen wird, weil man in einem Land, das sich demokratisch nennt, Plakate aufhängt“, sagte er dem Sender.

Regierungssprecherin angegriffen – Gewalt vor Wahl in Frankreich am Sonntag eskaliert

Es trifft jedoch nicht nur Wahlhelfer und Wahlhelferinnen. So soll auch Frankreichs Regierungssprecherin Prisca Thevenot beim Anbringen von Plakaten angegriffen worden sein. Dabei habe einer ihrer Wahlhelfer einen Kieferbruch erlitten und sei neben einem weiteren Helfer ins Krankenhaus gebracht worden, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. „Gewalt ist keine Antwort. Ich führe meinen Wahlkampf weiter“, schrieb Thevenot am Donnerstag (4. Juli) als Reaktion auf den Überfall auf X.

Doch nicht nur die Gewalt mache ihr Sorgen. Als Frau mit Migrationshintergrund beschäftige sie auch der zunehmende Rassismus in Frankreich. „Als Mutter zweier Kinder macht mir das Angst“, sagte Thevenot laut AFP. Ein Kandidat des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), der Partei von Marine Le Pen, habe ihr gesagt, sie solle „auf ihre Insel zurückkehren“. Thevenonts Eltern stammen aus dem ostafrikanischen Inselstaat Mauritius.

Massives Polizeiaufgebot für Frankreich-Wahl angekündigt – Innenminister trifft Vorkehrungen

Aufgrund der gewaltbereiten Übergriffe blickt Frankreich mit Sorge auf den Wahlabend am Sonntag (7. Juli). Die Angst ist groß, dass radikale Kräfte an dem Abend für Chaos sorgen. „Unsere große Sorge ist, dass der Juni 2024 wie der Juni 2023 sein wird“, sagte ein französischer Handelsvertreter der Bild-Zeitung. Damals führte der Tod eines 17-Jährigen im Pariser Vorort Nanterre durch die Polizei zu extremen Ausschreitungen. Dabei wurden laut französischer Informationen etwa 700 Polizistinnen und Polizisten verletzt und knapp 1000 Häuser zerstört oder in Brand gesetzt.

Marine Le Pen hat Frankreich-Wahl 2027 im Blick – trotz Ausschluss

Frankreich: Rassemblement National von Marine Le Pen.
In Frankreich ist der Rassemblement National unter Marine Le Pen (im Bild) in den vergangenen Jahren zu einer führenden Kraft aufgestiegen. So feierte der RN bei der Europawahl 2024 einen klaren Erfolg.  © François Lo Presti/afp
Europawahl - Frankreich
Das starke Ergebnis der rechtsnationalen Partei veranlasste den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron anschließend dazu, das Parlament aufzulösen.  © Ludovic Marin/dpa
Jean-Marie Le Pen
Die Geschichte des Rassemblement National begann Anfang der Siebziger. Am 5. Oktober 1972 gründeten Jean-Marie Le Pen (hier eine Aufnahme von 2022) und Pierre Bousquet die rechtsextreme Splittergruppe Front National.  © Joel Saget/afp
1. Mai in Paris
Der 1928 geborene Le Pen (hier ein Bild von 2017) tat sich früh als Demagoge hervor, der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt wurde und den Holocaust als ein „Detail der Geschichte“ abtat. Bousquet (1919 bis 1991) war ein ehemaliger Kollaborateur, der als Rottenführer in der Waffen-SS gedient hatte. Fremdenfeindliche Parolen waren über viele Jahre Markenzeichen der Partei. © Thibault Camus/dpa
Jean-Marie Le Pen
In den 1980er Jahren wurde der FN bei zwei Parlamentswahlen hintereinander mit mindestens einem Abgeordneten in die Nationalversammlung gewählt. Der Durchbruch gelang im Jahr 2002, als Jean-Marie Le Pen als Zweitplatzierter aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hervorging.  © Joel Saget/afp
Le Pen
Es kam zur Stichwahl, die der amtierende Präsident Jacques Chirac deutlich gewann. Fünf Jahre später verlor Le Pen viele Stimmen und schied im ersten Wahlgang aus.  © Joel Saget/AFP
Marine Le Pen
Einen großen Einschnitt gab es im Januar 2011. Der FN ging nach einem Führungswechsel andere Wege. Die neue Parteivorsitzende trug allerdings einen bekannten Namen: Marine Le Pen. Die studierte Juristin kam 1968 nahe Paris als jüngste Tochter Jean-Marie Le Pens zur Welt.  © Bernard Patrick/Imago
Marine Le Pen/dpa
Mit acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen – es handelte sich um einen Anschlag auf ihren Vater. Die Mutter dreier Kinder arbeitete als Anwältin und führte zunächst die Rechtsabteilung der Front National. Ihre zwei Ehen gingen auseinander. © Pascal Pavani
Jean-Marie Le Pen
Marine Le Pen bemüht sich seither, der einst radikal rechten Partei einen moderateren Anstrich zu verpassen. Das ging mit einer Entmachtung ihres Vaters einher.  © Kenzo Tribouillard/afp
Le Pen
Im April und Mai 2015 eskalierten die schon länger bestehenden Spannungen zwischen der Parteivorsitzenden und ihrem Vater. Am 20. August 2015 wurde Jean-Marie Le Pen wegen „schwerer Verfehlungen“ aus der Partei ausgeschlossen.  © Kenzo Tribouillard/AFP
Le Pen Bannon
Anderseits suchte Le Pen im Jahr 2018 die Nähe des früheren Trump-Beraters Steve Bannon. Damals firmierte die rechtsextreme Partei noch unter dem Namen Front National. Später verpasste Le Pen ihr aber einen neuen Namen: Seither ist die Partei als Rasseblement National bekannt. © Philippe Huguen/AFP
Marine Le Pen
Seither ist es Marine Le Pen gelungen, aus der Schmuddelecke zu kommen und sich als staatstragende Politikerin zu inszenieren. Ihre Strategie ist als „Dédiabolisation“ (Entteufelung) bekannt.  © Francois Nascimbeni/AFP
Marine Le Pen
Le Pen verbannte das alte rassistische Vokabular und gibt mittlerweile eher bedachte Worte von sich. Le Pens Kurs hat , in den vergangenen Jahren bis in die bürgerliche Mitte hinein wählbar gemacht.  © Thomas Samson/afp
Marine Le Pen
Die dreimalige Präsidentschaftskandidatin drängte zwar offenen Rassismus zurück, vertritt aber weiter radikale Positionen gegen Einwanderung. Ihre Vorstellungen für Frankreich bleiben auch heute noch deutlich rechts und nationalistisch.  © Ali Al-Daher/AFP
Olga Givernet
Zudem zeigen Studienergebnisse, dass im RN der Antisemitismus noch immer weit verbreitet ist. Die Renaissance-Parlamentarierin Olga Givernet (im Bild) reagierte entsprechend: „Der RN hat ein sauberes Schaufenster, aber die Küche dahinter ist immer noch schmutzig wie eh.“ © Niviere David/Imago
Marine Le Pen mit André Ventura und Tino Chrupalla
In ihrem Bemühen um Salonfähigkeit hat sich Marine Le Pen auch von der deutschen AfD abgegrenzt. Die gilt selbst für RN-Leute als zu extremistisch. Im November 2023 war das noch anders: Beim Treffen rechter Gruppen in Lissabon stand sie noch in einer Reihe neben dem portugiesischen Chega-Politiker André Ventura (Mitte) und AfD-Co-Chef Tino Chrupalla. © Paulo Spranger/Imago
Le Pen zu Besuch bei Putin
Zum Ukraine-Krieg vertreten RN und AfD hingegen nach wie vor sehr ähnliche Positionen. So lehnt Marine Le Pen jegliche Wirtschaftssanktionen gegen das Russland von Präsident Wladmir Putin ab. © Mikhail Klimentyev/dpa
Gabriel Attal
Waffenlieferungen für die Ukraine bedeuten für Le Pen das „Risiko eines dritten Weltkriegs“. Premierminister Gabriel Attal (im Bild) konterte in einer Ukraine-Debatte im Februar 2024: „Wenn Sie 2022 gewählt worden wären, würden wir heute Waffen nach Russland liefern, um die Ukrainer zu zermalmen.“  © Ludovic Marin/afp
Marine Le Pen und Wladimir Putin
Tatsächlich stand in Le Pens Präsidentschaftsprogramm von 2022 der folgende Satz: „Ohne Furcht vor amerikanischen Sanktionen wird eine Allianz mit Russland in gewissen Themen angestrebt.“ Trotzdem wollte sich der RN im Wahlkampf ein wenig von Putin absetzen. Die Partei ließ damals 1,2 Millionen Wahlkampfplakate vernichten, die ein Bild von Marine Le Pen beim Händeschütteln mit Putin zeigten. © Emmanuel Dunand/afp
Marine Le Pen
Zu Russland hat sie dennoch ein wesentlich besseres Verhältnis als zu Deutschland. Die deutsch-französische Partnerschaft will sie rasch beenden. Zwischen Berlin und Paris bestehe eine „tiefe und unheilbare Differenz der Doktrinen“, heißt es in Le Pens Programm. Das Nato-Kommando würde sie nach einem Wahlsieg 2027 verlassen. An dessen Stelle wünscht sich Le Pen für Europa ein russisch-französisches Kommando. © Lou Benoist/afp
Emmanuel Macron
Ohnehin richtet sich der Blick in Frankreich schon längst auf die Präsidentschaftswahl 2027. Nach zwei Amtszeiten kann Emmanuel Macron, der Le Pen zweimal in der Stichwahl besiegte, nicht mehr antreten.  © Sebastien Dupuy/AFP
Marine Le Pen
Wer eine Chance gegen Le Pen hätte, ist unklar. Doch im März 2025 kam dann die vorläufige Wende: Wegen der Veruntreuung von EU-Geld schloss ein Gericht Le Pen verurteilt. Der umstrittenste Teil der Strafe ist, dass sie fünf Jahre lang nicht bei Wahlen antreten darf.  © Guillaume Souvant/afp
Protestkundgebung des Rassemblement National
Diese Strafe war sofort in Kraft getreten – anders als eine teils auf Bewährung ausgesetzte Haftstrafe und obwohl Le Pen gegen das Urteil Berufung einlegte. Das Berufungsgericht hat eine Entscheidung im Sommer 2026 ins Auge gefasst.  © Julien De Rosa/dpa
Marine Le Pen
Le Pen wandte sich dann an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Doch das Straßburger Gericht wies ihren Antrag, den gegen sie verhängten vorläufigen Ausschluss von Wahlen auszusetzen, einstimmig ab, da Le Pen keinerlei nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung drohe, die durch die Menschenrechtskonvention geschützt sei. © Lionel Bonaventure/AFP
Le Pen sieht Bardella als möglichen Präsidentschaftskandidat
Inzwischen hat Le Pen ihren politischen Ziehsohn Jordan Bardella aufgefordert, sich auf eine Kandidatur vorzubereiten – für den Fall, dass sie selbst nicht antreten kann. Noch ist aber offen, wen der RN bei der Präsidentschaftswahl 2027 ins Rennen schicken wird. Die Frage, wer in den ehrwürdigen Élysée-Palast einziehen wird, bleibt damit völlig offen.  © Michel Euler/dpa

Um solche Krawalle zu vermeiden, setzt Frankreichs Außenminister Darmanin auf ein massives Polizeiaufgebot. Laut der Nachrichtenagentur Reuters werden alleine in Paris und Umgebung 5000 Polizeibeamte stationiert. Damit solle sichergestellt werden, dass „radikale Rechte und die radikale Linke die Situation nicht ausnutzen, um Chaos zu verursachen“, sagte Darmanin dem Sender France 2.

Neuwahlen in Frankreich – Macron reagiert auf verheerendes EU-Wahlergebnis

Dass Frankreich so plötzlich wieder wählt, hängt vor allem mit den EU-Wahlen zusammen. Dort musste das Bündnis von Frankreichs Regierungspartei Renaissance eine schwere Niederlage einfahren. Als klarer Gewinner stellte sich der rechtspopulistische Rassemblement National heraus.

Macron reagierte darauf, indem er zur Neuwahl des französischen Parlaments aufrief. Aufgrund der Spontanität blieb den Parteien und Politikern wenig Zeit zur Vorbereitung. Nach einem ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag (30. Juni) musste Macron eine weitere Niederlage hinnehmen. Seine Partei rutschte auf den dritten Platz. Der RN konnte erneut einen Wahlsieg feiern und erhielt die meisten der abgegebenen Stimmen. Letzte Umfragen vor der Stichwahl in Frankreich am Sonntag sagen ebenfalls einen Sieg für Le Pen voraus. Das öffentliche Urteil lautet: Emmanuel Macron hat sich verzockt. (nhi)

Rubriklistenbild: © Louise Delmotte/Kay Nietfeld/Stephane De Sakutin/dpa (Montage)

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