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Nach Ausrufung des Kriegsrechts

Putsch, Amtsenthebung, Mord: Die lange Liste von Südkoreas gescheiterten Präsidenten

Wie geht es weiter mit Yoon Suk-yeol? Ein Blick in die Geschichte Südkoreas zeigt: Die meisten Präsidenten des Landes nahmen ein ungutes Ende.

Hinter Südkorea liegen sechs Stunden Ausnahmezustand, vor dem Land liegen unsichere Zeiten. Nachdem Präsident Yoon Suk-yeol am späten Dienstagabend das Kriegsrecht ausgerufen und wenig später nach Druck des Parlaments wieder zurückgenommen hat, ist unklar, wie es in dem asiatischen Land weitergeht. Der Druck auf Yoon, zurückzutreten, wächst: Die Gewerkschaften haben zum Streik aufgerufen, Tausende Menschen gingen am Mittwoch auf die Straßen, im Parlament wurde ein Amtsenthebungsverfahren gestartet.

Südkorea – offiziell die Republik Korea – wurde 1948 auf der Südhälfte der koreanischen Halbinsel gegründet; etwa zeitgleich entstand im Norden die Demokratische Volksrepublik Korea, auch bekannt als Nordkorea. Die Teilung geht auf das Ende des Zweiten Weltkriegs und den Abzug der japanischen Besatzungsmacht zurück: Nach der Kapitulation Japans wurde Korea in eine sowjetische nördliche und eine US-amerikanische südliche Besatzungszone aufgeteilt. Nach dem Koreakrieg, der 1953 mit einem Waffenstillstand eingefroren, aber nie beendet wurde, blieb die Teilung bestehen.

Nordkorea – Kim Jong-uns abgeschottete Diktatur

Menschen an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Nordkorea ist das wohl geheimnisvollste Land der Erde: eine totalitäre Diktatur, in der der Einzelne nichts zählt, ohne Freiheiten und Menschenrechte, abgeschottet vom Rest der Welt. Schätzungsweise 26 Millionen Menschen leben in dem Land, das im Norden an China und Russland grenzt und im Süden an das freiheitliche, demokratische Südkorea. Nordkoreas Grenzen sind für die meisten Menschen unüberwindbar – kaum einer kommt rein, noch weniger Menschen kommen raus.  © Ed Jones/afp
Die Skyline von Pjöngjang
Hauptstadt sowie kulturelles und wirtschaftliches Zentrum des Landes ist Pjöngjang. Rund drei Millionen Menschen leben in der nordkoreanischen Metropole, die so anders ist als die anderen Mega-Städte Asiens. Pjöngjang ist grau, geprägt von Hochhäusern, gesichtslosen Wohnblöcken und gigantischen Monumenten, die der herrschenden Kim-Familie huldigen sollen. Wer in der Hauptstadt leben darf, ist privilegiert: Hier ist die Stromversorgung besser als auf dem Land, die Regale der Geschäfte sind voller, es gibt Freizeitparks, Kinos, Theater. © Olaf Schuelke/Imago
Kim Jong-un auf einem Pferd
Beherrscht wird Nordkorea seit 2011 von Kim Jong-un, einem Diktator, der skrupellos vor allem ein Ziel verfolgt: den eigenen Machterhalt und den seiner Sippe. Nordkorea ist das einzige kommunistische Land der Welt mit einer Erb-Monarchie, in der die politische Macht vom Vater auf den Sohn übergeht. Die sogenannte „Paektu-Blutlinie“ kontrolliert das Land seit dessen Gründung im Jahr 1948. Die Macht der Kims ist unanfechtbar, Aufstände gab es nie, dafür sorgt die lückenlose Überwachung und Kontrolle der gesamten Gesellschaft. © KCNA via KNS/afp
Sowjetische Soldaten in Pjöngjang
Korea war über Jahrhunderte ein geeintes Land. Die Geschichte der Teilung beginnt erst im 20. Jahrhundert: Von 1910 bis 1945 ist Korea eine japanische Kolonie, nach der Niederlage der Japaner besetzen sowjetische Truppen den Norden des Landes, der Süden wird von amerikanischen Truppen besetzt. Weil Verhandlungen über eine Vereinigung der beiden Landesteile scheitern, gründen sich 1948 auf der koreanischen Halbinsel zwei Staaten. © Jacob Gudkov/Imago
Szene des Koreakriegs
Zwei Jahre später dann die Tragödie: Der Korea-Krieg bricht aus. Kim Il-sung, Machthaber im Norden, schickt seine Truppen in den Südteil des Landes, um Korea mit Gewalt zu vereinen. Wenige Wochen später greifen die UN-Truppen unter Führung der USA den Norden an, stoßen bis an die chinesische Grenze vor. Das beunruhigt Peking – das nun auf der Seite von Nordkorea in den Krieg eingreift. 1953 wird ein Waffenstillstand verhandelt, das Land bleibt entlang des 38. Breitengrades geteilt. Ein Friedensvertrag wurde bis heute nicht unterzeichnet. © Imago
Familie Kim
Kim Il-sung, der Gründer und erste Präsident Nordkoreas, ist ein Machthaber von Stalins Gnaden. Geboren 1912, ist er als junger Mann im Widerstand gegen die japanische Besatzungsmacht aktiv. 1940 geht er ins Exil in die Sowjetunion, wo er schließlich zum späteren Machthaber Nordkoreas aufgebaut wird. Ab 1948 etabliert Kim einen auf ihn zugeschnittenen Personenkult. Mit brutalen Säuberungsaktionen entledigt er sich seiner Gegner. Politisch pendelt sein Land zwischen China und der Sowjetunion, vor allem, nachdem sich die beiden kommunistischen Führungsmächte ab Ende der 50er-Jahre zunehmend voneinander entfremden. © Imago
Kim Il-sung und Kim Jong-il
Schon in den 1970ern beginnt Kim Il-sung, seinen Sohn Jong-il zu seinem Nachfolger aufzubauen. Als er 1994 stirbt, übergibt er Kim Jong-il ein verarmtes Land. Mit dem Untergang der Sowjetunion wenige Jahre zuvor hat Nordkorea seinen wichtigsten und engsten Partner verloren, es stürzt in eine wirtschaftliche Krise, auf die eine fatale Hungersnot folgt. Hunderttausende Menschen verhungern. Unter Kim Jong-il, der 1941 oder 1942 geboren wurde, verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt, das Land schottet sich immer mehr ab. Vor allem die USA sowie Südkorea – das sich seit den 80ern zur Demokratie gewandelt hat – werden zu Feindbildern. © KCNA via KNS/afp
Fernsehbilder vom ersten nordkoreanischen Atomtest 2006
Unter Kim Jong-il beginnt die beispiellose Aufrüstung des bettelarmen Landes. Wichtigstes Ziel Kims ist es, Nordkorea zur Atommacht zu machen. 2006 gelingt ihm das, Nordkorea testet erstmals eine Atombombe. Die Welt ist geschockt, die Vereinten Nationen erlassen Strafmaßnahmen, denen insgesamt neun weitere Sanktionsrunden folgen. Heute ist Nordkorea eine Atommacht, die wohl Dutzende Sprengkörper besitzt. © Jung Yeon-Je/afp
Kim Jong-un beobachtet einen Raketentest
Zudem testet das Land regelmäßig ballistische Raketen, auf denen die nuklearen Sprengköpfe montiert werden können. So kann das Regime mit seinen Atomwaffen sogar die USA erreichen – zumindest in der Theorie, denn noch ist unklar, wie leistungsfähig die Raketen tatsächlich sind. © KCNA via KNS/afp
Donald Trump und Kim Jong-un an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Kim Jong-il stirbt 2011. Ihm folgt einer seiner Söhne nach: Kim Jong-un. Der treibt das Raketen- und Nuklearprogramm seines Vaters weiter voran. Als Hauptfeinde hat er Südkorea und die USA ausgemacht, die sein Regime regelmäßig mit drastischen Beleidigungen überzieht. Unter US-Präsident Donald Trump sieht es für einen kurzen Moment so aus, als könnten sich die Spannungen zwischen Nordkorea und dem Westen abkühlen – dreimal treffen sich Kim und Trump, auch Südkoreas damaliger Präsident kommt mit Kim zu einem Gipfeltreffen zusammen. © Brendan Smialowski/afp
Passanten in Pjöngjang währen der Corona-Pandemie
Doch die diplomatischen Initiativen scheitern 2019. Ein Jahr später sucht die Corona-Pandemie die Welt heim. Auch Nordkorea schließt seine Grenzen – und schottet sich gegen das Virus so hermetisch ab wie kein anderer Staat weltweit. Trotzdem meldet das Regime im Mai 2022 erste Corona-Fälle. Auch nach dem Ende der Pandemie bleibt Nordkorea ein international isoliertes Land. © Imago
Putin und Kim in Russland
Enge Beziehungen unterhält das Regime in Pjöngjang heute vor allem zu seinen beiden nördlichen Nachbarn China und Russland. Zu Wladimir Putin pflegt Kim ein besonders gutes Verhältnis, denn Russlands Präsident benötigt Nordkoreas Unterstützung für seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine – als Lieferant von Waffen und Munition. Im Herbst 2023 treffen Putin und Kim in Russlands Fernem Osten zusammen, es ist Kims erste Auslandsreise seit der Pandemie. © KCNA via KNS/afp
Kim Jong-un und seine Tochter Ju-ae
Kim Jong-un wurde 1982, 1983 oder 1984 geboren, hat also möglicherweise noch viele Jahre vor sich. Nordkoreas Diktator ist allerdings bei schlechter Gesundheit. Er gilt als Kettenraucher und Alkoholiker und ist sichtbar übergewichtig. Was, wenn er stirbt? Experten glauben, dass Kim seine Tochter Ju-ae zu seiner Nachfolgerin aufbauen will. Seit November 2022 zeigen Staatsmedien das Mädchen, das wohl 2012 oder 2013 zur Welt gekommen ist, regelmäßig an der Seite ihres mächtigen Vaters. © KCNA via KNS/afp
Kim Yo-jong
Aber auch Kims Schwester Kim Yo-jong gilt als mögliche Erbin auf den Thron. Die Macht, die die Kims seit bald 80 Jahren innehaben, dürften sie jedenfalls so schnell nicht aus der Hand geben. © Jorge Silva/afp

Südkorea: Von der Teilung zur Militärdiktatur

In Nordkorea herrscht seit 1948 die Familie Kim in einer Art kommunistischen Erbdiktatur, derzeit hat Kim Jong-un in Pjöngjang das Sagen. Südkorea hingegen ist heute eine Demokratie, das Magazin Economist führt das Land in seiner Rangliste der weltweiten Demokratien auf Platz 22 und damit noch vor Frankreich und Spanien. Doch der Weg hin zur Demokratie war weit für die Südkoreaner, über lange Jahre seiner Geschichte war Südkorea eine Militärdiktatur. Und auch nach der Demokratisierung Ende der 1980-er war die südkoreanische Politik turbulent. Ein Überblick:

Erster Präsident des Landes war Syngman Rhee. Rhee war ein Schützling der USA, mutierte aber schon wenige Jahre nach seiner Wahl zum autoritären Herrscher. Zweimal wurde er wiedergewählt, die Wahlen gelten aber als manipuliert. Studentenproteste im Jahr 1960 führten schließlich zu seinem Sturz. Sein Nachfolger Yun Bo-seon war nur zwei Jahre im Amt, bevor er 1962 in einem Putsch von Generalmajor Park Chung-hee aus dem Amt entfernt wurde. Park regierte bis zu seiner Ermordung durch seinen eigenen Geheimdienstchef im Jahr 1979 als Diktator. Ihm folgte Premierminister Choi Kyu-hah, der sich aber nur ein knappes Jahr im Präsidentenamt halten konnte, bevor auch er aus dem Amt geputscht wurde.

Südkoreas Präsident Yoon rief das Kriegsrecht aus – und nahm den Beschluss kurz darauf wieder zurück.

Südkoreas schwieriger Weg zur Demokratie

Hinter dem Putsch steckte Chun Doo-hwan, ein Armeegeneral, der von 1980 bis 1988 als Militärdiktator über Südkorea herrschte. Chun war unter anderem für das Gwangju-Massaker verantwortlich, bei dem kurz nach seiner Machtübernahme Hunderte Demonstranten ermordet wurden. Für seine Beteiligung an dem Massaker wurde er 1996 zum Tode verurteilt, im Jahr darauf allerdings begnadigt.

In die letzten Jahre von Chuns Herrschaft fällt der Beginn der südkoreanischen Demokratiebewegung; 1988 kam es zu freien Präsidentschaftswahlen. Sieger wurde Roh Tae-woo, ein enger Vertrauter von Chun. 1996, drei Jahre nach seiner Zeit als südkoreanischer Präsident, wurde Roh wegen Korruption sowie wegen seiner Beteiligung an Menschenrechtsverbrechen während der Chun-Ära zu 17 Jahren Haft verurteilt, schließlich aber ebenfalls begnadigt.

Erst mit der Wahl von Kim Young-sam im Jahr 1993 war der Wandel Südkoreas von der Diktatur zur Demokratie abgeschlossen. Kim war während der Jahre der Diktatur einer der wichtigsten Oppositionspolitiker im Land, machte als Präsident allerdings keine gute Figur. So fiel in seine Amtszeit etwa der Niedergang der südkoreanischen Wirtschaft während der Asienkrise 1997. Auch sein Nachfolger Kim Dae-jung war während der Chun-Diktatur in der Opposition, ins Präsidentenamt wurde er 1998 gewählt. Im Jahr 2000 erhielt er den Friedensnobelpreis.

Südkorea unter Yoon Suk-yeol: ungewisse Zukunft

Im Jahr 2003 wurde Roh Moo-hyun zum ersten südkoreanischen Präsidenten, der nach der japanischen Besatzungszeit geboren wurde. Unter Roh wurde Südkorea zur zehntgrößten Volkswirtschaft der Welt. Einige Monate nach dem Ende seiner Amtszeit wurden Vorwürfe der Bestechlichkeit gegen Roh laut, der daraufhin Selbstmord beging. Rohs Nachfolger Lee Myung-bak (regierte 2008 bis 2013) wurde 2018 zu 15 Jahren Haft verurteilt, unter anderem wegen der Annahme von Schmiergeldern.

Lees Nachfolgerin Park Geun-hye hielt sich nur vier Jahre im Amt, ehe sie durch ein Amtsenthebungsverfahren entmachtet und schließlich wegen Korruption und Machtmissbrauchs zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde. Ihr Nachfolger Moon Jae-in begnadigte sie 2001, auch Lee ist mittlerweile auf freiem Fuß – er wurde vom aktuellen Amtsinhaber Yoon Suk-yeol begnadigt. Dessen politische Zukunft ist derzeit ungewiss. (sh)

Rubriklistenbild: © Ahn Young-joon/AP/dpa

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