Frankfurter-Rundschau-Exklusiv
Nahost-Eskalation zwischen Israel und Iran: Deutschland in der „Schmollecke“
Reichen mahnende Worte aus Deutschland im Nahost-Konflikt zwischen Israel und Iran aus? Die Meinungen von Experten gehen auseinander.
Und damit ist die Gewaltspirale in vollem Gang. Nachdem Israel am Freitag (13. Juni) mehrere Ziele im Iran angegriffen hat, folgt Schlag auf Gegenschlag. Bei Raketenangriffen starben nach Angaben der Regierung im Iran bis jetzt mehr als 120 Menschen, Hunderte wurden verletzt. In Israel gab es nach offiziellen Angaben mehr als 20 Todesopfer und über 100 Verletzte.
Die internationalen Reaktionen: gemischt. UN-Generalsekretär António Guterres ließ mitteilen, er verurteile „jegliche militärische Eskalation im Nahen Osten“. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft Israel derweil vor, die Welt in eine „Katastrophe“ zu stürzen. Und US-Präsident Donald Trump forderte den Iran zu einer diplomatischen Lösung auf.
Der zyprische Präsident Nikos Christodoulides wiederum teilte am Sonntag mit, der Iran habe sein Land gebeten, Botschaften an Israel zu übermitteln. Zypern liegt als EU-Land so nah an der Kriegsregion wie kein anderes – und sieht sich nun in einer Art Vermittlerrolle.
Und Deutschland?
Deutschland antwortet auf Situation zwischen Israel und Iran: Passive Reaktionen von Politikern
Bislang schwebt die Bundesregierung noch irgendwo im großen Feld der Unentschlossenheit. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte am Wochenende beide Seiten dazu aufgerufen, „von Schritten abzusehen, die zu einer weiteren Eskalation führen und die gesamte Region destabilisieren können.“ Bundesaußenminister Johann Wadephul bat bei einem Besuch in der Region darum, Gespräche mit Iran zu führen, so wie Deutschland Gespräche mit Israel führe. Verteidigungsminister Boris Pistorius begrüßte seinerseits den „Präventivschlag“ Israels.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war 2015, damals als Außenminister, beim Atomabkommen mit dem Iran aktiv an diplomatischen Verhandlungen beteiligt. Die Frage unserer Redaktion, ob sich Deutschland erneut aktiver als Vermittler einbringen sollte, könne er in seinem jetzigen Amt nicht beantworten, so eine Sprecherin. Klar aber ist: Bislang ist die Bundesregierung passiv.
Allerdings habe Deutschland ohnehin keinen Einfluss, sagte Nahostkenner und Extremismusexperte Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project am Rande einer Diskussionsrunde des Tagesspiegel in Berlin: „Wir sind nur Zaungäste. Deutschland hat sich nach dem Ausstieg der Amerikaner aus dem Iran-Atomabkommen 2018 in die Schmollecke zurückgezogen, wir spielen nicht mehr mit.“ Anders sieht das der Politikberater Cornelius Adebar. Man müsse zumindest laut darüber nachdenken, dass die Attacke Israels ein „nicht provozierter Angriff“ war und zumindest völkerrechtlich bedenklich sein könnte, so Adebar in der Runde. „Wenn wir völkerrechtliche Bedenken nicht mal erwähnen, macht sich Deutschland unglaubwürdig.“
Nahost-Eskalation: Hat „in der Vergangenheit eine Reihe von Fehleinschätzungen in der Iran-Politik gegeben“
Ulrich Schlie, Professor für Sicherheits- und Strategieforschung am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie an der Universität Bonn, sagte im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau: „Generell sollten wir uns in der Rolle des Vermittlers nicht überschätzen.“ Es habe schon in der Vergangenheit eine Reihe von Fehleinschätzungen in der Iran-Politik gegeben, die mitverantwortlich dafür seien, „dass wir uns heute in einer derart gefährlichen Situation befinden.“ Israel habe mit seinem konsequenten Vorgehen gegen den Iran eine Antwort auf eine existenzielle Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit gegeben, so der Politologe.
„Dies sollte gerade uns Europäern zu denken geben. Erfolgreiche Diplomatie setzt die Fähigkeit voraus, Mut zu zeigen und auch militärische Stärke demonstrieren zu können. Wer jetzt nach Verhandlungen ruft, sollte sich zunächst diesen Zusammenhang vergegenwärtigen und sich mit den diplomatischen Fehlern der Vergangenheit auseinandersetzen.“
Forderung von SPD-Abgeordnetem Yüksel: „Die Sicherheit unserer Bürger muss oberste Priorität haben“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Serdar Yüksel hat derweile eine klare Forderung an die Merz-Regierung: Deutschland müsse umgehend Maßnahmen zur Evakuierung deutscher Staatsbürger aus beiden Ländern ergreifen, so der Politiker im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. „Es ist zu erwarten, dass der Krieg zwischen Israel und Iran länger anhalten wird. In dieser kritischen Situation sitzen zahlreiche deutsche Staatsbürger sowohl in Israel als auch im Iran fest.“
Andere europäische Länder hätten bereits mit der Evakuierung begonnen. „Wir können nicht tatenlos zusehen, während unsere Mitbürger in Gefahr sind. Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung schnell und entschlossen handelt, um die Sicherheit und Rückkehr unserer Staatsbürger zu gewährleisten.“ Die Bundesregierung müsse alle notwendigen Ressourcen mobilisieren sollte, um eine schnelle und sichere Evakuierung zu ermöglichen. „Wir müssen alles daran setzen, um unseren Bürgern in dieser schwierigen Lage zu helfen. Die Zeit drängt.“
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