Wahlprogramme im Vergleich
Radikale Pläne bei Migration und Asyl? Das wollen die Parteien nach der Bundestagswahl umsetzen
Wenige Wochen vor der Bundestagswahl positionieren sich die Parteien mit ihren Wahlprogrammen. Bei Migration und Asyl gibt es gravierende Unterschiede.
Berlin – Plötzlich ging es ganz schnell: Quasi im Eiltempo eroberten die HTS-Rebellen Syrien, vertrieben Ex-Machthaber Baschar al-Assad und streben eine neue Ordnung im Bürgerkriegsland an. Weltweit war die Freude unter Syrerinnen und Syrern groß, doch zugleich brach in Deutschland eine Debatte über Rückführungen aus. Vertreter der Union forderten etwa Charterflüge und Interessensgruppen warnten vor möglichen Lücken bei Engpassberufen. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl sind Migration und Asyl somit wieder zu großen Wahlkampfthemen geworden. In ihren Wahlprogrammen positionieren sich die Parteien teilweise eindeutig. Ein Vergleich.
Transparenzhinweis
Vor der Bundestagswahl 2025 beschließen die Parteien zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihr Wahlprogramm. Dieser Beitrag wird regelmäßig um die Positionen einzelner Parteien ergänzt. Aktuell werden die Wahlprogramme von SPD, CDU/CSU, AfD und Grüne verglichen. Die Wahlprogramme sind teilweise noch in der vorläufigen Fassung und von den Parteien vor der Bundestagswahl 2025 noch nicht beschlossen.
Migration und Asyl in Deutschland: Syrien-Lage befeuert Themen vor Bundestagswahl
Nicht zuletzt durch die neue Lage in Syrien ist das Thema Migration vor der Bundestagswahl aktueller denn je. Eine Rückkehr syrischer Geflüchteter in ihre Heimat könnte sich einer Analyse zufolge für die deutsche Wirtschaft negativ auswirken und die Fachkräftelücke vergrößern. Etwa 80.000 Syrer arbeiten hierzulande in sogenannten Engpassberufen, wie aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht. Unter ihnen sind auch mehr als 4000 Kfz-Mechatroniker, doch auch Tausende syrische Ärzte sind hierzulande tätig.
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„Syrische Beschäftigte sind wichtig für den deutschen Arbeitsmarkt. Sie tragen in nennenswertem Umfang dazu bei, den Fachkräftemangel in Deutschland abzufedern“, sagte IW-Ökonom und Studienautor Fabian Semsarha. Aus seiner Sicht wird der Beitrag syrischer Fachkräfte in der Diskussion über eine mögliche Heimkehr oft unterschätzt. „In vielen Berufen dürfte es schwierig werden, die Stellen neu zu besetzen, wenn die Menschen das Land verlassen.“ Von der Politik fordert er daher eine klare Bleibeperspektive für erwerbstätige Syrer. Fest steht: Vor der Bundestagswahl polarisiert das Thema Migration und mögliche Maßnahmen nach der Neuwahl könnten weitreichende Folgen für das Leben in Deutschland haben. Auch beim Mindestlohn haben die Parteien in ihren Wahlprogrammen unterschiedliche Vorstellen.
Migration und Asyl im SPD-Wahlprogramm: Partei setzt vor Bundestagswahl auch auf Integration
In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl plant die SPD im Bereich Migration verschiedene Maßnahmen, die sowohl die Integration von Zuwanderern als auch die Steuerung von Migration umfassen. Die Sozialdemokraten wollen die Integrationskurse ausbauen und deren Finanzierung sicherstellen, um die Erstintegration zu verbessern. Zugleich sprechen sie sich für ein Partizipationsgesetz aus, um die gleichberechtigte Teilhabe von Migranten in allen relevanten Bereichen zu fördern. Zudem soll die Fachkräfteeinwanderung vereinfacht und der Schutz vor Diskriminierung ausgebaut werden.
Die SPD setzt sich für eine geordnete Migration auf den Arbeitsmarkt ein und will gleichzeitig die irreguläre Migration besser kontrollieren. Zudem soll das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) umgesetzt und Asylverfahren beschleunigt werden. Im SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl heißt es beim Thema Migration außerdem, dass die Familienzusammenführung für subsidiär Schutzbedürftige soll weiterhin ermöglicht werden soll. Weitere Maßnahmen zielen auf die Bekämpfung von Fluchtursachen und Schleuserkriminalität ab. Zudem machen sich die Sozialdemokraten für humanitäre Verantwortung stark. Die SPD betont, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und Vielfalt als Bereicherung betrachtet. Allerdings: Es soll einen Paradigmenwechsel hin zu einer geordneten Migration auf den Arbeitsmarkt geben.
Illegale Migration stoppen: Klare Position im Wahlprogramm von CDU und CSU vor Bundestagswahl
Die CDU/CSU plant in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl eine Reihe von Maßnahmen zur Migrationspolitik, die auf eine „grundsätzliche Wende“ abzielen. Als Hauptziel heißt es, dass illegale Migration gestoppt, die humanitäre Aufnahme begrenzt und die Kontrolle über die Migration zurückgewonnen werden soll. Die CDU/CSU-Pläne sehen vor, dass die deutschen Staatsgrenzen kontrolliert werden. Zudem sollen konsequente Zurückweisungen an der Grenze durchgesetzt werden. Die Asylverfahren könnten beschleunigt und Rückführungen konsequenter durchgeführt werden. Dazu sollen weitere Länder als sichere Herkunftsländer eingestuft und auch wieder nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden.
Beim Thema Migration schreibt die Union aus CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl, dass der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt und alle freiwilligen Aufnahmeprogramme beendet werden sollen. Zudem sollen die Sozialleistungen für Ausreisepflichtige am Grundsatz „Bett, Brot und Seife“ ausgerichtet und eine Bezahlkarte flächendeckend und restriktiv eingeführt werden. Die CDU/CSU will das europäische Asylrecht ändern. Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden. Zugleich betont die Union, dass sie ihrer humanitären Verantwortung gerecht werden will, indem sie jährlich ein begrenztes Kontingent von schutzbedürftigen Menschen direkt aus dem Ausland aufnimmt, nachdem das Konzept der sicheren Drittstaaten erfolgreich verwirklicht wurde. Weitere Punkte, die die Union im Wahlprogramm zum Thema Migration plant:
- Zusammenarbeit mit Herkunftsländern: Es sollen verstärkt Rücknahmeabkommen mit den Hauptherkunftsländern geschlossen werden.
- Integration: Es sollen verpflichtende Integrationsvereinbarungen eingeführt werden, die klare Schritte zur Integration aufzeigen und Etappenziele setzen.
- Die Express-Einbürgerung der Ampel und die generelle Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft sollen rückgängig gemacht werden.
- Zugewanderte, die antisemitische Straftaten begehen, sollen ihren humanitären Schutz verlieren und abgeschoben werden.
- Die CDU/CSU will die europäische Grenzschutzagentur Frontex unterstützen, die Zahl der Rückführungen zu erhöhen und tritt auch in Europa für schärfere Regeln ein.
AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl: Deutliche Kehrtwende bei Migration und Asyl
In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl plant die AfD beim Thema Migration eine deutliche Kehrtwende zur jetzigen Politik. Einreisen soll nur noch, wem dies erlaubt ist. Migrationspolitische Regelungen, die nicht im Interesse Deutschlands liegen, sollen zurückgenommen werden. Wer kein Bleiberecht besitzt und sich illegal in Deutschland aufhält, soll abgeschoben werden. Zudem will die AfD das Asylrecht wieder national regeln. Es soll keine Einreise zum Zweck der Asylgewährung geben, wenn Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat einreisen. Dublin-Rücküberstellungen sollen durchgesetzt werden.
In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl plant die AfD beim Thema Migration zahlreiche Maßnahmen, um das „Asylparadies Deutschland“ wieder zu schließen. Unter anderem sollen Asylverfahren außerhalb Deutschlands gestellt und bearbeitet, pauschale Zuwanderungskontingente und Umverteilungsquoten abgeschafft und die Förderung für die zivile Seenotrettung im Mittelmeer eingestellt werden. Im AfD-Wahlprogramm heißt es zudem, dass Asyl nur bei nachgewiesener Identität und Staatsangehörigkeit beantragt werden können soll. Bei Falschangaben zur Identität soll das Asylverfahren entfallen. Zudem soll die Zahl sicherer Herkunftsstaaten ausgeweitet werden.
Zahlreiche Maßnahmen zu Migration geplant: Das steht im AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl
Weitere Maßnahmen, die die AfD beim Thema Migration und Asyl im Wahlprogramm zur Bundestagswahl plant, sind folgende:
- Der Schutzstatus soll bei Reisen von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten in ihr Herkunftsland entfallen.
- Der grundsätzliche Anspruch auf Nachzug für Familienangehörige subsidiär Schutzberechtigter soll entfallen.
- Für anerkannte Asylbewerber soll es erst nach zehn Jahren ein dauerhaftes Bleiberecht geben.
- Staatliche Förderung von NGOs im Bereich der Asylverfahrensberatung und -betreuung soll eingestellt werden.
- Keine Arbeitserlaubnis für Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber außerhalb verpflichtender gemeinnütziger Arbeitsgelegenheiten.
- Für die Dauer des Asylverfahrens sollen Asylbewerber in zentralen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden.
Wie es im AfD-Wahlprogramm beim Thema Migration und Asyl heißt, will die Partei ökonomische Anreize senken. Sozialleistungen für Asylbewerber sollen nach Möglichkeit als Sachleistungen erbracht werden. Zudem sollen Leistungen für Ausreisepflichtige auf ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ abgesenkt werden. Bei Ablehnung von Arbeitsgelegenheiten sollen Leistungen für Asylbewerber gekürzt werden. Darüber hinaus fordert die AfD umfassende Rückführungen. Nicht bleibeberechtigte und ausreisepflichtige Personen sollen konsequent abgeschoben werden.
Die AfD ist der Meinung, dass Integration nur mit Integrationsfähigkeit und Integrationswilligkeit funktioniert. Allerdings soll keine Integration Aufenthaltsunberechtigter um jeden Preis geben. Die AfD will die Voraussetzungen zur Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit umkehren und zu dem Rechtszustand zurückkehren, wie er bis 1990 bestanden hat. Den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland für Kinder ausländischer Eltern soll ebenso wie der Einbürgerungsanspruch wegen längeren Aufenthalts im Inland wieder abgeschafft werden. Die AfD begrüßt allerdings die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte. In diesem Zusammenhang soll die Vermischung von qualifizierter Zuwanderung und humanitärem Schutz soll beendet werden.
Migration und Asyl im Grünen-Wahlprogramm: Partei betrachtet Einwanderungt als Bereicherung
Im Wahlprogramm der Grünen findet das Thema Migration und Asyl ebenfalls umfassende Berücksichtigung. Die Partei betrachtet Einwanderung als eine Bereicherung und einen notwendigen Faktor für den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Sie setzen sich für eine Willkommenskultur ein, die Fachkräfte anzieht und Integration fördert. Um den Prozess der Einwanderung zu vereinfachen und zu beschleunigen, wollen die Grünen die Visa-Vergabe vollständig digitalisieren und Wartezeiten verkürzen. Zudem sollen ausländischer Berufs- und Bildungsabschlüsse leichter anerkannt werden.
Das Wahlprogramm der Grünen zur Bundestagswahl betont beim Thema Migration und Asyl die Notwendigkeit, zwischen Arbeitsmigration und Flucht zu unterscheiden, da beide unterschiedlichen Logiken folgen. Die Grünen wollen wirksame Instrumente zur Integration sowohl für Arbeitsmigranten als auch für Asylbewerber schaffen. Um die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, sollen bestehende Arbeitsverbote abgebaut und Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Zudem wollen die Grünen den Familiennachzug ermöglichen und bestehende Einschränkungen aufheben. Weitere Punkte, die die Grünen beim Thema Asyl und Migration im Wahlprogramm zur Bundestagswahl planen, sind folgende:
- Personen, die kein Aufenthaltsrecht haben und bei denen keine Abschiebungshindernisse vorliegen, sollen zügig ausreisen.
- Eine gemeinsame europäische Migrationspolitik mit einer fairen und solidarischen Verteilung von Schutzsuchenden soll gestärkt werden.
- Die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten wird abgelehnt.
- Die Instrumentalisierung von Schutzsuchenden durch Staaten wie Russland und Belarus soll verhindern werden.
- Die Grünen befürworten eine staatliche EU-Seenotrettungsmission und wollen die zivile Seenotrettung weiterhin fördern
- Zudem sollen humanitäre Aufnahme- und Resettlementprogramme unterstützt und sichere Migrationswege ermöglicht werden.
Wahlprogramm beim Thema Migration und Asyl im Vergleich: Teilweise deutliche Unterschiede
In den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl wird deutlich, dass die Positionen der Parteien teilweise deutlich auseinander gehen. Die Grünen etwa streben eine Migrationspolitik an, die auf Humanität, Ordnung und Integration basiert. Die Notwendigkeit der Einwanderung für die deutsche Gesellschaft und Wirtschaft wird betont, zugleich aber auch die Wichtigkeit von fairen Verfahren und einer wirksamen Integration hervorgehoben. Die SPD betont vor der Bundestagswahl im Wahlprogramm, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Aus diesem Grund wird eine Politik bei Migration und Asyl angestrebt, die auf Zusammenhalt, Vielfalt und Chancengerechtigkeit basiert. Beim Bürgergeld gehen in den Wahlprogrammen die Haltungen teilweise deutlich auseinander.
Die Union aus CSU und CSU hingegen setzt beim Thema Migration und Asyl auf eine „grundsätzliche Wende“, die illegale Migration stoppen und die Kontrolle über die Situation zurückbringen soll. Die geplanten Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Migration zu steuern, die Sicherheit zu erhöhen und die Integration in die deutsche Gesellschaft zu fördern. Im Wahlprogramm der AfD gibt es radikale Ansätze, die nach der Vorstellung der Partei dazu beitragen sollen, das „Asylparadies Deutschland“ wieder zu schließen. Die Partei strebt zudem eine nationale Lösung und weniger europäische Abstimmung an. (fbu)