„Immense Wirkung“
„Menschenverachtend“: ARD reagiert auf Kritik an Tagesschau-Foto von Alice Weidel
Wie die Tagesschau den Livestream zum Sommerinterview mit AfD-Parteichefin Alice Weidel angekündigt hat, war „naiv“, kritisiert eine Medienexpertin.
Im Vordergrund AfD-Parteichefin Alice Weidel, eingerahmt von zwei sympathisch lächelnden jungen Menschen: Mit diesem Foto kündigte die Tagesschau auf Instagram ihren Twitch-Livestream zum bevorstehenden ARD-Sommerinterview mit Weidel an (siehe unten). „Weshalb gibt man einer gesichert rechtsextremen Partei diese Plattform?“, ärgern sich mehrere Instagram-Nutzer in den Kommentaren.
Auch auf LinkedIn gibt es Kritik an der „hübsch ausgeleuchteten“ Alice Weidel. Elena Kountidou, Geschäftsführerin der Neuen Deutschen Medienmacher*innen schreibt, die Social-Media-Kachel der Tagesschau sei ein „Symbolbild für das, was aktuell in den Medien schiefläuft.“ Sie kritisiert das Foto der AfD-Politikerin in den öffentlich-rechtlichen Medien (die auch von jungen Menschen Kritik bekommen) als einen „naiven Aufmacher“, betont, wie wichtig es für den ÖRR sei, „nicht als Bühne für menschenverachtende Narrative“ zu dienen.
Foto-Collage von Alice Weidel erzeugt eine „visuelle Normalisierung“
„Die Bildkachel vermittelt eine Botschaft der Akzeptanz und Unbedenklichkeit und erzeugt eine visuelle Normalisierung“, sagt Kountidou BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media. „In einer Zeit, in der soziale Medien stark von visuellen Inhalten geprägt sind, haben solche Bilder eine immense Wirkung auf die Wahrnehmung der Öffentlichkeit und tragen zu einer unbewussten Verharmlosung von AfD-Politikern und Politikerinnen bei.“
„Journalistische Aufgabe ist es, die Folgen einer Normalisierung des Rechtsextremismus zu zeigen und nicht zu ihrer Normalisierung beizutragen“, sagt Kountidou. Sie frage sich, was sich die ARD-Redaktion bei dieser Kachel gedacht habe und ob ihr die Gefahr einer Fehlinterpretation oder Normalisierung durch solche Bildkacheln, insbesondere bei jungen Zielgruppen, bewusst sei. Und welche internen Richtlinien es bei den ÖRR für die visuelle und textliche Präsentation von einer Partei gebe, die demokratische Werte untergrabe.
Kritik an Foto von Alice Weidel zum Sommerinterview – ARD reagiert
Wir haken bei der ARD nach und bekommen die Antwort, dass es sich bei der Kachel „um eine Standard-Ankündigung“ handele. „Das Foto der Moderatorin und des Moderators ist immer gleich. In der Bildmontage wird die Person, die das Sommerinterview gibt, hinzugefügt. So geschehen auch in der Ankündigung zum Sommerinterview mit Friedrich Merz, die ebenfalls vorab auf den Socialmediakanälen der Tagesschau veröffentlicht wurde“, sagt eine ARD-Sprecherin BuzzFeed News Deutschland (siehe unten).
„Sollte man das identische Layout für alle Politiker und Politikerinnen nehmen? Nein. Nicht bei einer Partei, die Pressefreiheit und Demokratie systematisch delegitimiert sowie den ÖRR abschaffen will“, findet Kountidou. Bestimmte Dinge gingen bei dieser Partei einfach nicht – nicht in diesem Bild- und Sprachstil. Ein missverstandener Anspruch auf Ausgewogenheit könne dazu führen, dass extremistische Positionen als legitimer Teil des demokratischen Meinungsspektrums erschienen. „Dies birgt die Gefahr, demokratiefeindliche Haltungen zu normalisieren – insbesondere in reichweitenstarken Formaten.“
Rechtsextreme verbreiteten gezielt Desinformation und Verschwörungserzählungen, gefährdeten marginalisierte Gruppen und würden das Vertrauen in demokratische Institutionen sowie in den Journalismus untergraben. Deshalb müsse man sich fragen, ob neutrale bis positive Social-Media-Kacheln oder Sommerinterviews das geeignete Format für sie seien. Die Medienfachfrau wünscht sich von den öffentlich-rechtlichen Medien, „neue Formate für den professionellen Umgang mit Rechtsextremen“, eine menschenrechtsbasierte Haltung in Redaktionen und mehr Selbstkritik.
Rubriklistenbild: © ARD-Design/NDR
