Politisch unausgewogen?
„Unfassbarer Hass auf ARD und ZDF“: Öffentlich-Rechtliche erregen Unmut bei TikTok
Auf Social-Media-Plattformen äußern junge Leute teils heftige Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Eine Expertin erklärt die Ursache für die Unzufriedenheit.
Viele junge Menschen sind auf Social Media unterwegs und beziehen von dort ihre Nachrichten. In den sozialen Netzwerken setzen sie sich auch immer wieder kritisch mit der Berichterstattung auseinander. Häufig werden dabei Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kritisiert – und das aus ganz verschiedenen Gründen. „Woher kommt hier dieser unfassbare Hate auf ARD/ZDF? Bin gerade echt schockiert“, kommentiert ein Nutzer unter einem TikTok-Beitrag.
Ein Kritikpunkt von vielen jungen Menschen ist der Vorwurf, zu neutral zu berichten. Bei emotional aufgeladenen Themen, beispielsweise dem Ukraine-Krieg, dem Nahost-Konflikt, Sexismus oder der Klimakrise, hinterlassen oftmals junge Nutzer kritische Kommentare, in denen der Wunsch nach Haltung zum Ausdruck kommt.
Neutralität und Haltung: Wie junge Menschen Berichterstattung bewerten
„Der Wunsch nach Unparteilichkeit hängt vom Thema ab“, erklärt Annika Sehl, Professorin für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Der Großteil der 18- bis 24-Jährigen wünsche sich grundsätzlich Nachrichtenmedien, die verschiedene Meinungen abbildeten und es den Nutzern überließen, eine Entscheidung zu treffen. Ein Drittel dieser jungen Menschen sehe jedoch auch Themen, bei welchen es keinen Sinn habe, unparteilich zu sein. „Zu den Themen, bei denen ein größerer Anteil der jungen Menschen eine klare Position fordert, gehört der Klimawandel“, sagt die Expertin.
Umfragen wie die des Meinungsforschungsinstituts Insa von 2023 würden zeigen, dass nur ein Teil der Bevölkerung die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien für politisch ausgewogen halte. Einigen sei sie zu konservativ, aber aktuell würden mehr Menschen sie für zu links halten, erklärt die Professorin. „Das sagt aber noch nichts über die tatsächlichen Inhalte aus, sondern erstmal nur etwas über eine Wahrnehmung.“
Junge Zielgruppe schwer erreichbar: Öffentlich-Rechtliche kämpfen um Sichtbarkeit
Ein weiteres Problem sei, dass junge Menschen „von öffentlich-rechtlichen Medien auf deren eigenen Plattformen und Kanälen weniger gut erreicht werden als ältere“, sagt Sehl BuzzFeed News Deutschland. Das gelte auch für die Mediatheken. Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen würden ihre Informationen und Unterhaltung verstärkt über soziale Medien beziehen. „Bei sozialen Medien bestimmt der Algorithmus, wie gut die Inhalte ausgespielt werden“, erklärt die Expertin.
Deshalb sei es wichtig, Angebote für Jugendliche attraktiv und gut auffindbar auf den Plattformen zu machen, die sie tatsächlich nutzten. Ein positives Beispiel sei Funk, das einer großen Mehrheit der Zielgruppe bekannt sei und bei dem junge Menschen ihre Bedürfnisse durch die gebotenen Inhalte gut erfüllt sehen.
Unterhaltung und Finanzierung: Weitere Gründe für Unzufriedenheit mit Öffentlich-Rechtlichen
Hinzu kommt, dass junge Menschen den öffentlich-rechtlichen Sendern oft einen geringeren Unterhaltungswert zuschreiben als privaten Anbietern oder sozialen Medien, wie die ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation zeigt. Auch die Finanzierung über die Rundfunkgebühr wird immer wieder kritisiert, vor allem dann, wenn Inhalte als wenig relevant für den eigenen Alltag wahrgenommen werden. In zahlreichen Kommentaren unter Social-Media-Beiträgen äußern junge Nutzer immer wieder Unverständnis darüber, warum sie für ein Angebot zahlen sollen, das sie kaum nutzen. Von „Zwangsgebühren“ ist die Rede.
Kommentare auf Reddit zeigen ebenfalls den Konflikt vieler Nutzer gegenüber den öffentlich-rechtlichen Medien. Ein User kritisiert den verantwortungslosen Umgang mit Geldern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und schreibt: „Ich vertraue darauf, dass die Nachrichten grundsätzlich hochwertig sind, würde der Intendanz aber keine zehn Euro leihen.“
Ein anderer Nutzer schreibt: „Will ich ‚Rote Rosen‘ schauen? Nein. Glaube ich, dass bei denen auch was schiefläuft? Ja. Ist es meiner Meinung nach die unabhängigste Quelle für Nachrichten, die breit verfügbar ist? Ja.“ Sein Kommentar zeigt, dass es eine Mischung aus Skepsis und Vertrauen ist, die die Einstellung vieler junger Menschen zu den Öffentlich-Rechtlichen prägt.
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