Streit und Erpressungsvorwürfe
„Stinkefinger für alle Soldaten“: Orban sorgt nach Treffen mit Putin für Unmut auf EU-Gipfel
Der Ukraine sollte beim EU-Gipfel uneingeschränkte Hilfe zugesichert werden, doch Ungarn droht mit einem Veto. Luxemburgs Premierminister platzte der Kragen.
Brüssel - Der zweite Tag des EU-Gipfeltreffens in Brüssel endete abrupt in einem internen Streit und Erpressungs-Vorwürfen angesichts neuer Hilfsleistungen an die Ukraine. Während die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs der Ukraine zusichern wollten, dass das Land weiterhin mit Unterstützung rechnen kann, drohte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban mit einem Veto. Unterstützung bekam er vom neuen Regierungschef der Slowakei, Robert Fico.
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder sicherten der Ukraine auf dem EU-Gipfel am Freitag vor dem zweiten Kriegswinter erneut anhaltende Waffen- und Munitionslieferungen zu. Zudem versprachen sie, zusätzliche Stromgeneratoren und mobile Heizstationen zu liefern sowie stärkere Anstrengungen zur Zwangsbeteiligung Russlands an der Beseitigung von Kriegsschäden zu unternehmen. Insgesamt soll es sich um ein 50 Milliarden Euro schweres EU-Hilfspaket für die Ukraine handeln. Man wolle „so lange wie nötig entschiedene finanzielle, wirtschaftliche, humanitäre, militärische und diplomatische Hilfe leisten“, heißt es in einer am Freitag verabschiedeten Erklärung der Staats- und Regierungschefs. Bundeskanzler Olaf Scholz machte unterdessen deutlich, dass auch der neue Fokus auf Israel seit Ausbruch des Krieges nichts an der anhaltenden Unterstützung ändern würde.
Interner Streit bei EU-Gipfel: Luxemburgs Premierminister wirft Ungarn Erpressung vor
Für Aufruhr sorgten am Freitag die Vetodrohungen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Er sprach sich beim EU-Gipfel erneut gegen die geplanten Hilfszahlungen an die Ukraine aus. Seine offizielle Begründung sei laut Angaben von Diplomaten, dass angeblich Unklarheit herrsche, ob die bisherigen Hilfen vernünftig verwendet wurden. Andere EU-Länder werfen dem Ministerpräsidenten vor, dass es ihm in Wahrheit um die eingefrorenen EU-Fördermittel von mehr als 13 Milliarden Euro an Ungarn geht. Die EU-Kommission hatte vor rund einem Jahr angekündigt, die Gelder erst dann freizugeben, wenn die rechtsnationale Regierung von Orban Versprechen zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit komplett umsetzt.
Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel warf Orban angesichts seiner Veto-Drohungen Erpressungsversuche gegen die EU vor. Es könne nicht sein, dass Orban seine Zustimmung für neue Ukraine-Hilfen an die Auszahlung von EU-Geldern für sein Land knüpfe, kritisierte Bettel. Man könne die Europäische Union nicht als Geisel nehmen wollen.
„Stinkefinger für alle Soldaten“: Orban sorgt nach Treffen mit Putin für weiteren Ärger auf EU-Gipfel
Weiter kritisierte Bettel bei dem EU-Gipfel in Brüssel ein jüngstes Treffen zwischen Orban und Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Peking. „Was er gemacht hat mit dem Putin, ist ein Stinkefinger für alle Soldaten und die Ukrainer, die jeden Tag sterben und unter russischem Angriff leiden müssen“, sagte Bettel. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sagte, er habe es als geschmacklos empfunden, dass Orban Putin die Hand geschüttelt habe.
Der ungarische Premierminister verteidigte seinen Besuch unterdessen. Auf der Online-Plattform X schrieb er: „Ungarn verfolgt eine Friedensstrategie. Wir werden alles tun, um Frieden zu schaffen. Mein Treffen mit dem russischen Präsidenten diente diesem Zweck.“
Mit seiner Kritik an den geplanten Hilfsgeldern an die Ukraine war Orban nicht alleine. Auch der neue slowakische Regierungschef Robert Fico fand am Freitag kritische Worte zu dem Vorschlag der EU. In einer Stellungnahme sprach er sich zunächst gegen Kürzungen von EU-Förderungen wegen des Kriegs aus, von denen die Slowakei profitiert. Außerdem knüpfte er seine Unterstützung an Bedingungen. Einerseits wolle er Garantien, dass die EU-Zahlungen an die Ukraine „nicht veruntreut werden“. Zudem müsse ein Teil der Gelder auch slowakischen Firmen zugutekommen, die sich am Wiederaufbau der Ukraine beteiligten. (nz mit dpa-Material)
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