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Neuer Linken-Chef: „Sahra Wagenknecht hat nur ein einziges Ziel – und das heißt Sahra Wagenknecht“
Jan van Aken übernimmt eine Partei in der Krise. Mit IPPEN.MEDIA spricht er über einen Antisemitismus-Eklat, seine Ziele für die kommende Wahl und – natürlich – das BSW.
Berlin – Bereits die ersten zwei Wochen haben klargemacht, worauf sich Jan van Aken als neuer Parteichef der Linken einlässt: Erst seine Wahl auf dem Parteitag in Halle, bei dem er eine für die Linke fast für unmöglich gehaltene gemeinsame Linie zum Krieg in Nahost durchdrückte. Wenige Tage später verfiel die Berliner Landespartei in alte Muster, zerstritt sich in einem Antisemitismus-Eklat, prominente Mitglieder traten aus.
Am elften Tag im neuen Job machte sich van Aken dann auf in die Ukraine, ein Land, das wegen Sahra Wagenknechts Russland-Positionen lange nicht gut auf die deutsche Linke zu sprechen war. Um seinen neuen Job dürften van Aken nicht viele beneiden. Zwischen all den Terminen traf er sich mit IPPEN.MEDIA zum Interview.
Linke zwischen Streit und Einigkeit
„Es ist alles viel besser, als ich dachte“, sagte van Aken trotz allem über die ersten Tage im Amt. „Die Partei ist quicklebendig, es treten Tausende junge Menschen ein, alle brennen für ihre Anliegen.“ Gemeinsam mit Ines Schwerdtner bildet der bei Hamburg geborene Biologe und frühere UN-Bioaffeninspekteur die neue Parteispitze der um ihre Existenz bangende Linke. Bemerkenswert ist, dass van Aken, der die letzten zwei Jahre in Tel Aviv lebte, schon vor seiner Wahl im Hintergrund eine gemeinsame Parteilinie für den Krieg in Nahost verhandelte. Der Beschluss fordert ein Ende der Gewalt in Gaza und die Freilassung der israelischen Geiseln. Für die heutige Linke, bei der sich immer wieder Mitglieder auf die „Seite Palästinas“ stellen, nicht selbstverständlich.
Der kurz darauf folgende Antisemitismus-Eklat der Berliner Linken, bei dem prominente Parteimitglieder austraten, weil sich der Landesverband nicht klar genug gegen Antisemitismus abgrenze, vermittelt van Aken zufolge einen falschen Eindruck. „Die meisten prominenten Linken aus Berlin haben in einer gemeinsamen Erklärung klargemacht, dass sie gegen jede Form von Antisemitismus und Rassismus stehen und Die Linke weiterhin als ihre politische Heimat ansehen. Auf diese Grundsätze haben wir uns auch in Halle geeinigt.“
Linke unter Druck: Das Damoklesschwert namens Sahra Wagenknecht
Bei den letzten Wahlen büßte die Linke massiv an Stimmen ein. Van Aken war es beim Interview im Karl-Liebknecht-Haus deshalb wichtig, herauszustellen, wieso Menschen seine Partei noch wählen sollten: „Weil wir die einzigen sind, die knallhart gegen die Reichen und Mächtigen in die Konfrontation gehen. Wir streiten mit denen, die unseren Reichtum klauen.“
Dabei verwies van Aken auf Volkswagen, das kürzlich Werkschließungen und Entlassungen ankündigte. Er klagte, dass VW das Geld für seine Beschäftigten fehle, während die Familie Piëch und Porsche als VW-Großaktionäre im letzten Jahr 1,4 Milliarden Euro an Dividenden ausgezahlt bekommen haben: „Das ist eine Riesensauerei. Das Geld ist da. Man muss es nur bei den Richtigen holen. Ehe solche Betriebe Staatshilfe bekommen, müssen erstmal diejenigen ihren Beitrag leisten, die vorher das Geld aus dem Unternehmen gezogen haben.“ Hier sieht van Aken auch den großen Unterschied zwischen der Linken und dem BSW: „Das BSW tritt auch nach unten, gegen Bürgergeldberechtigte und will da sogar noch kürzen. Wir treten nicht nach unten, sondern boxen nach oben.“
Neuer Linke-Chef Jan van Aken hat ambitionierte Ziele
Bei der kommenden Bundestagswahl wird die Linke wohl um den Einzug ins Parlament bangen müssen. Im Wahlkampf will sich der Parteichef auf ein bis zwei Kernthemen fokussieren und ruft ein ambitioniertes Ziel aus: „Sieben Prozent. Meine Leute sagen mir immer, ich soll keine Zahlen nennen, aber für mich ist klar: Es müssen sieben Prozent werden.“
Dass das selbstgesteckte Ziel ambitioniert ist, ist dem Linken-Politiker klar. Frühere Wahlerfolge hingen unter anderem stark an Sahra Wagenknecht, einer der beliebtesten Politikerinnen des Landes. Ob er sich deshalb als Vorsitzender darum bemüht hätte, sie in der Linken zu behalten, verneint van Aken klar. „Ich war schon vor Jahren dafür, dass sie die Partei so schnell wie möglich verlässt. Sahra Wagenknecht hat nur ein einziges Ziel und das heißt: Sahra Wagenknecht. Wer den eigenen Laden schädigt, um die persönliche Karriere voranzubringen, den braucht man in einer Partei nicht.“
Rubriklistenbild: © Martin Heinlein/ Die Linke

