„Running Mate“ bei US-Wahl
Ukraine und Nato in Sorge: Trumps Vize Vance vertritt im Ukraine-Krieg Putins Positionen
Wie Trump setzt auch J. D. Vance auf „America first“-Politik. Ukrainische Medien sind in Sorge – weil Vance eher Russlands Sicht auf den Krieg teilt.
Update vom 17. Juli, 11.20 Uhr: Nun zeigen sich die ersten ukrainische Medien besorgt über Trumps Nominierung von J. D. Vance als „Running Mate“ für die US-Wahl. Grund sind dessen Äußerungen vor und während des Ukraine-Kriegs. Tage vor der Invasion hatte Vance – trotz Zehntausender Truppen Russlands an der Grenze – die Gefahr heruntergespielt.
Die Kyiv Post zitiert: „Wir haben nicht im Marine Corps gedient, um Wladimir Putin zu bekämpfen, weil er nicht an die Rechte von Transgendern glaubt, was laut dem US-Außenministerium ein großes Problem mit Russland ist.“ Zwar hatte es Kritik an Russlands Unterdrückung von LGBTQ-Personen gegeben, allerdings gebe es keinerlei Hinweise darauf, dass diese ein primärer Faktor für die Spannungen zwischen den USA und Russland vor der Invasion gewesen sind.
Trump-Vize J. D. Vance vertritt Positionen wie Putin
Am Tag der Invasion, dem 24. Februar 2022, sprach Vance von einer „unbestreitbaren Tragödie“, nahm dabei aber Russlands Machthaber Wladimir Putin in Schutz. Er sagte, eine Politik, um Russland zu „isolieren“ habe Putin „direkt in die Arme der chinesischen Kommunisten“ getrieben. Zwar sei Putin „böse“, doch es sei die Außenpolitik der „Eliten“ gewesen, die die Ukraine „direkt ins Schlachthaus“ geführt hätte. Gleichzeitig zieht er bis heute immer wieder über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj her, der wegen Militär- und Finanzhilfen Druck auf Verbündete gemacht hatte.
Vances Plan für Frieden? „Was ich gerne tun würde, und was meiner Meinung nach mit amerikanischer Führung grundsätzlich machbar ist, ist es, die territorialen Grenzen in etwa dort einzufrieren, wo sie jetzt sind“, sagte er der New York Times im Juni in einem Interview. Putins vermeintliches „Friedensangebot“ sieht ebenfalls vor, die Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson direkt an Russland abzutreten. Die Ukraine besteht allerdings auf einen vollständigen Rückzug der russischen Truppen von allen ukrainischen Gebieten – einschließlich der Krim, die 2014 annektiert worden war. Vance fordert zudem die vollständige Unabhängigkeit und Neutralität der Ukraine – wohl eine Absage an einen Nato- und EU-Beitritt.
Die Nominierung Vances sei „eine große Enttäuschung für alle Republikaner, die wollen, dass die Ukraine gewinnt, Russland verliert und Putin besiegt wird“, erklärte John Conway, ein Stratege „Republicans for Ukraine“, laut Kyiv Post in einer Erklärung. Dass ihn die Ukraine wenig interessiert, hatte Vance wenige Tage vor der Invasion mitgeteilt. „Es ist mir eigentlich egal, was mit der Ukraine passiert, so oder so.“
Trump geht mit Vize J. D. Vance in die US-Wahl – Nato in Sorge
Erstmeldung vom 16. Juli: Washington, D.C. – Die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten sind wegen der bevorstehenden US-Wahl in Sorge. Donald Trump hatte versprochen, den Ukraine-Krieg „in 24 Stunden beenden“ zu können – ohne echte Details zu nennen, wie das gelingen soll. Es wird vermutet, dass Kiew aus einer geschwächten Position zu Verhandlungen mit Moskau gezwungen sein würde. Die US-Militärhilfen, auf die die Ukraine dringend angewiesen ist, stellt Trump immer wieder infrage.
Dass Trump nun J. D. Vance als seinen „Running Mate“ vorgestellt hat, scheint diese Sorgen aus Europa zu bekräftigen. Denn der Senator aus Ohio, der einst ein scharfer Kritiker Trumps war, steht ganz hinter dessen „America first“-Devise. Fachleute sehen die Finanz- und Militärhilfen für die Ukraine in Gefahr.
Trump geht mit J. D. Vance in die US-Wahl: EU-Beamter befürchtet „Desaster“ für die Ukraine
J. D. Vance spricht sich besonders deutlich gegen die Milliardenunterstützung der USA für die von Russland angegriffene Ukraine aus. Wenige Tage vor der Invasion im Februar 2022 sagte Vance dem rechten Scharfmacher Steve Bannon: „Es ist mir eigentlich egal, was mit der Ukraine passiert, so oder so.“
Gut zwei Jahre später schrieb er laut der Deutschen Presse-Agentur: „Bidens Regierung hat keinen tragfähigen Plan, wie die Ukrainer diesen Krieg gewinnen können. Je eher sich die Amerikaner dieser Wahrheit stellen, desto eher können wir dieses Chaos beheben und für den Frieden vermitteln.“ Von den Europäern erwartet Vance, mehr für die Ukraine zu tun.
Ein EU-Beamter, der anonym bleiben wollte, sprach gegenüber Politico von einem potenziellen „Desaster“ für die Ukraine und die EU.
Der 39-Jährige gilt dem Bericht zufolge als einer der stärksten Verfechter des Isolationismus in seiner Partei. Mit Hinblick auf Militärausgaben wirft er den europäischen Staaten schwere Abhängigkeit von den USA vor. Zusammen mit anderen Republikanern hatte er dafür gesorgt, dass für die Ukraine wichtige Hilfspakete lange blockiert wurden. „Es ist uns gelungen, Europa und dem Rest der Welt klarzumachen, dass Amerika nicht unbegrenzt Blankoschecks ausstellen kann“, sagte er damals.
J. D. Vance gegen weitere Ukraine-Hilfen aus den USA: „Wir haben einfach nicht die Kapazitäten“
„Drei Jahre lang haben uns die Europäer gesagt, dass Wladimir Putin eine existenzielle Bedrohung für Europa ist“, sagte er bei einer Rede im Senat. „Und drei Jahre lang haben sie nicht so reagiert, als ob das tatsächlich der Fall wäre.“ Vance untermauerte dabei Trumps Forderungen nach höheren Verteidigungsausgaben auf europäischer Seite.
Bei einer Rede beim Quincy Institute im Mai sagte Vance: „Ich bewundere die Ukrainer, die gegen Russland kämpfen, aber ich glaube nicht, dass es in Amerikas Interesse ist, einen praktisch nicht enden wollenden Krieg in der Ukraine zu finanzieren.“ Moskau, das im Krieg mehr Personal zur Verfügung hat und die Rüstungsproduktion aktuell drastisch hochfährt, dürfte diese Haltung Vances also gefallen.
Und gegenüber Politico sagte Vance im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar: „Wir haben einfach nicht die Produktionskapazität, um einen Bodenkrieg in Osteuropa auf unbestimmte Zeit zu unterstützen. Und ich denke, es obliegt den führenden Politikern, dies ihrer Bevölkerung klarzumachen“, sagte Vance, der als so etwas wie das Sprachrohr Trumps auftrat. „Wie lange soll das noch so weitergehen? Wie viel wird es voraussichtlich kosten? Und vor allem: Wie sollen wir eigentlich die Waffen produzieren, die zur Unterstützung der Ukrainer notwendig sind?“ An einem geplanten Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Außenminister Dmytro Kuleba auf der „Siko“ nahm er nicht teil.
Trumps „Running Mate“ J. D. Vance teilte gegen „idiotische“ Politik Deutschlands aus
Seine isolationistische Politik solle insbesondere der US-amerikanischen Industrie zugute kommen. Wenn Trump erneut ins Weiße Haus einzieht, werde man „einen viel aggressiveren Ansatz zum Schutz der heimischen Hersteller sehen“, sagte Vance Politico im Mai. Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump beispielsweise Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium verhängt.
Auch gegen Deutschland teilte Vance aus. Im vergangenen Jahr zog der Senator gegen die „schwache“ deutsche Verteidigungspolitik und die „idiotische“ deutsche Energiepolitik vom Leder – womit er meinte, dass sich Deutschland in der Vergangenheit zu sehr von russischem Gas abhängig gemacht habe. Diese Angriffe lösten einen Online-Schlagabtausch zwischen Vance und der damaligen deutschen Botschafterin in Washington, Emily Haber, aus.
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Unter US-Präsident Joe Biden hatte es in den vergangenen dreieinhalb Jahren eine erneute Annäherung an die EU und die Nato-Staaten gegeben. Einem Bericht des Wall Street Journals zufolge wappnet sich die Militärallianz bereits für eine Niederlage Bidens und plant eine Art „Trump-sichere“ Ukraine-Hilfe. Ohne Geld aus den USA wäre die Ukraine im Krieg dennoch erheblich geschwächt. (lrg/afp/dpa)
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