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Dreiergipfel in Seoul

Sorge vor Nordkorea und Taiwan-Eskalation bestimmt Gipfel von Japan, China und Südkorea

Yoon Suk-yeol, Fumio Kishida und Li Qiang
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Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol empfing am Montag in Seoul die Regierungschefs von Japan und China.

Erstmals seit fast fünf Jahren haben sich die Regierungschefs von China, Südkorea und Japan getroffen. Die Lage in der Region ist so gespannt wie lange nicht.

Es waren letztendlich wohl die USA, die die Regierungschefs von Japan, Südkorea und China nach fast fünf Jahren erstmals wieder an einen Tisch gebracht haben. In Peking nämlich beobachtet man schon länger mit Sorge, wie Washington die Regierungen in Tokio und Seoul immer enger an sich bindet, um in Ostasien ein Gegengewicht zu einem zunehmend selbstbewusst auftretenden China zu schaffen.

Die Volksrepublik habe „ein Interesse, mit beiden Ländern im Gespräch zu bleiben und damit einem Bollwerk gegen China entgegenzuwirken“, sagt die Asien-Expertin May-Britt Stumbaum, Direktorin des SPEAR Institute, einer Denkfabrik zu Sicherheitsfragen. Getroffen hat man sich nun zwar in Seoul, die Initiative aber sei von Peking ausgegangen, hieß es im Vorfeld aus Südkorea.

Die drei Länder hatten 2008 jährliche Treffen vereinbart. Trotzdem fand der Dreiergipfel nun zum ersten Mal seit 2019 statt. Zuletzt hatten die Coronapandemie sowie Streitigkeiten zwischen Seoul und Tokio die Gespräche unmöglich gemacht.

Japan in Sorge über mögliche Eskalation zwischen China und Taiwan

Traditionell geht es bei den Treffen vor allem um Wirtschaftsfragen; Japans Premierminister Fumio Kishida und Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol stellten beim Dreiergipfel mit dem chinesischen Premier Li Qiang am Montag (27. Mai) und bei bilateralen Gesprächen tags zuvor aber auch Sicherheitsthemen in den Vordergrund. Schließlich hat sich seit dem letzten Treffen die Sicherheitslage in der Region dramatisch verschärft. Zu sehen war das etwa Ende vergangener Woche, als Peking auf die Amtseinführung des neuen taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te mit zweitägigen Militärmanövern reagierte.

Vor allem in Japan ist die Sorge vor einer Eskalation groß. Auf der Insel Okinawa, die nur etwa 400 Kilometer östlich von Taiwan liegt, sind mehr als 20.000 US-Soldaten stationiert. Sollte China Taiwan angreifen, würden die USA wohl reagieren und Japan in den Konflikt mit hineinziehen. Er habe seinem chinesischen Amtskollegen Li Qiang mitgeteilt, die Stabilität in der Taiwan-Straße sei „entscheidend“ für die Region und die gesamte Welt, sagte Kishida nun. Li forderte Japan auf, die Taiwan-Frage „richtig zu behandeln“ – wohl eine Kritik daran, dass Dutzende japanische Parlamentarier demonstrativ zu Lais Amtseinführung geflogen waren.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Japan und Südkorea stehen vor demselben Dilemma wie viele andere Staaten: China ist ihr wichtigster Handelspartner und wird gleichzeitig als größte Bedrohung wahrgenommen. Kishida sprach neben Taiwan etwa Chinas Vorgehen im Südchinesischen Meer an, das Peking zu großen Teilen für sich beansprucht. Dort kommt es immer wieder zu Zusammenstößen mit anderen Anrainerstaaten.

Nordkorea bedroht Japan und Südkorea – „Denuklearisierung“ fehlt in der Abschlusserklärung

Zudem hoffen Japan und Südkorea, China könnte auf das nordkoreanische Regime einwirken, seine andauernden Provokationen einzustellen. Bislang allerdings vergeblich. So riefen Kishida und Yoon das Kim-Regime am Montag eindringlich auf, einen Satellitenstart abzusagen, den Nordkorea nur wenige Stunden vor dem Dreiergipfel für die kommende Woche angekündigt hatte. Chinas Premierminister hingegen erklärte lediglich reichlich allgemein, die Situation auf der koreanischen Halbinsel sei „angespannt“, alle Seiten müssten deswegen den Dialog suchen.

Anders als beim Treffen vor fünf Jahren fehlte in der Abschlusserklärung zudem die Forderung nach einer „kompletten Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel“. Seitdem ist die atomare Bedrohung durch Nordkorea allerdings sogar noch größer geworden. Zwar hat das Regime seit 2017 keine Atomtests mehr durchgeführt, dafür aber in hoher Zahl ballistische Raketen abgefeuert, die in der Lage wären, Atomsprengköpfe bis in die USA zu tragen. Ein echtes Interesse der Chinesen, auf Nordkorea einzuwirken, ist dennoch nicht erkennbar.

China, Japan und Südkorea bei Dreier-Gipfel: Kein Meeresfrüchte-Erfolg für Tokio

Auch in Wirtschaftsfragen brachte der Gipfel kaum Ergebnisse. Japan wirft China vor, seine dort tätigen Unternehmen zu benachteiligen und eigene Staatsbetriebe mit unfairen Mitteln zu subventionieren. Und in Peking beobachtet man genau, wie die USA ihre beiden asiatischen Verbündeten auch in Wirtschaftsfragen zu mehr Distanz zu China drängen. So fordert Washington von Seoul und Tokio, ihre Lieferketten zu diversifizieren, um weniger abhängig von China zu werden. Zudem üben die USA Druck auf beide Länder aus, Exporte von hochentwickelten Mikrochips nach China zu unterbinden.

Ein Zeichen der Entspannung wäre aus japanischer Sicht ein Ende des chinesischen Import-Verbots für japanische Meeresfrüchte gewesen – Peking hatte die Einfuhren gestoppt, nachdem Japan 2023 mit der Einleitung von Kühlwasser aus dem zerstörten Atomkraftwerk Fukushima begonnen hatte. Das Wasser sei „radioaktiv kontaminiert“, erklärte Li nun erneut und machte damit die Hoffnungen der Japaner zunichte.

Immerhin: China, Japan und Südkorea wollen schon bald Verhandlungen über ein gemeinsames Freihandelsabkommen „wieder aufnehmen und abschließen“, wie Li Qiang erklärte. Auch hier hatte es seit 2019 keine Fortschritte gegeben.

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