Öl-Boss Sultan al Jaber
Oligarch lädt zur Klimakonferenz – Politiker schimpft: „Der Interessenskonflikt stinkt bis zum Himmel“
Ein Öl-Boss als Retter des Klimas? Der Oligarch Sultan al Jaber investiert Milliarden in fossile Energie, nun lädt er zur Klimakonferenz (COP28).
Dubai – Die Weltklimakonferenz will raus aus fossiler Energie. Geleitet wird sie aber von einem, der sein Geld mit genau dieser umweltschädlichen Energieform verdient: Sultan al Jaber, „Klimabotschafter“ der Vereinigten Arabischen Emirate, Oligarch und Präsident der Klimakonferenz COP28. Al Jaber ist Geschäftsführer des staatlichen Energieunternehmens Abu Dhabi National Oil Company, kurz Adnoc. Er ist damit federführend für die Ölproduktion seines Landes verantwortlich. Kritiker sehen darin einen Interessenskonflikt.
„Klimakonferenz soll keine Plattform für Öldeals werden“
Zu diesen Kritikern zählen mehr als 130 Abgeordnete aus Europa und den USA. In einem Brief an US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderten sie die Ablösung al Jabers. Das Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, unterzeichneten auch deutsche Politiker. Darunter Linken-Chef Martin Schirdewan. Die Ernennung Al Jabers sei ein „Skandal“, sagt Schirdewan IPPEN.MEDIA. „Der Interessenkonflikt stinkt bis zum Himmel, da Sultan Al Jaber seine Position bei den internationalen Klimagesprächen ausnutzt, um neue Öl- und Gasprojekte abzuschließen.” Der Grünen-Politiker Erik Marquardt sagt: „Die Klimakonferenz soll am Erhalt unserer Lebensgrundlagen arbeiten und nicht Plattform werden, um Öldeals zu schließen.“
Mehrere Medien spekulierten bereits, dass die VAE am Rande der Konferenz neue Öl-Geschäfte abschließen wollen. Die britische BBC berichtete, dass Al Jabers Team schon vor dem Klimagipfel darüber mit Regierungen sprechen wollte. Wohl auch mit Europäischen. Aufgrund des Ukraine-Kriegs wollen sich viele Länder von russischem Öl und Gas lösen. So arbeitet der deutsche Energiekonzern RWE auf Vermittlung der Bundesregierung mit Adnoc zusammen. Deutschland verspricht sich von den Emiraten Flüssigerdgas und Wasserstoff. Mit Italien haben die VAE einen Milliarden-Deal um zwei Offshore-Erdgas-Felder abgeschlossen. Zudem laufen aktuell Übernahmegespräche mit dem österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV sowie mit dem DAX-Kunststoffunternehmen Covestro.
„Es geht um Money Money Money“
Durch die Klimakonferenz könnten diese Beziehungen weiter wachsen. Linke-Politikerin Özlem Demirel erkennt eine „Imagekampagne“ der Emirate, bei der vor allem ein Aspekt im Vordergrund stehe. „Allen beteiligten Mächten geht es um Money, Money, Money“, sagt Demirel. „Eine lebenswerte Welt und die Rettung des Klimas kommen da erst an zweiter Stelle.“
Mehrere Unterzeichner fordern eine Reform der Klimakonferenz. Terry Reintke, Co-Chefin der europäischen Grünen, erkennt einen „massiven Interessenskonflikt“ und sagt: „Die Konferenz darf nicht annähernd in den Verdacht kommen, dass sie als Businesslobby für Fossildeals missbraucht werden könnte.“ Al Jaber ist der erste Konzernchef, der die Konferenz leitet. Er soll auch der letzte sein, meint Reintke. „Das dürfen und können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten, wenn wir nachfolgenden Generationen glaubhaft einen bewohnbaren Planeten übergeben wollen.“
Parteifreund Marquardt sagt: „Die kommenden Generationen werden die Auswirkungen der Klimakrise noch viel stärker spüren. Sie werden schockiert sein, wenn sie merken, wie kompromisslos unsere Generation in vollem Bewusstsein die Lebensgrundlage von hunderten Millionen von Menschen zugrunde richtet.“
Sowohl Klimaschutz als auch fossile Energie: Die Doppelstrategie der VAE
Fossile Energie schadet dem Klima. Die Verbrennung setzt große Mengen von Treibhausgas frei und ist mitverantwortlich für die globale Erderwärmung. Daher nehmen auch Klimaschützer die VAE in die Pflicht. Das Emirat würde die „Klimakrise verursachen, nicht lösen“, hieß es in einem anderen offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres. Klimaschutz und fossile Energieformen würden sich ausschließen. Für al Jaber geht beides jedoch zusammen.
Wie andere Golfstaaten setzen die VAE mehr auf eine „Sowohl-als-auch“ statt eine „Entweder-oder-Politik“. Einerseits wollen sie sich langfristig von fossilen Energieformen verabschieden. Die Herrscher am Golf suchen bereits nach neuen Formen der Machterhaltung. Andererseits spielt die Öl- und Gasproduktion nach wie vor eine bedeutende Rolle. Laut einem UN-Bericht liegen die Produktionspläne aller Regierungen mit Öl- und Gasindustrie bis 2030 mehr als doppelt so hoch wie erlaubt wäre, wenn das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden soll.
Für die Klimapoltiik bedeutet das: Sowohl das Klima schützen als auch auf fossile Energien setzen. „Uns leitet ein einziges Ziel: den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen“, sagte Al Jaber im Oktober. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse die Welt 22 Gigatonnen Emissionen bis 2030 reduzieren. Gänzlich raus aus dem Fossilen soll es allerdings nicht gehen. Es wäre „unverantwortlich, dem derzeitigen Energiesystem den Stecker zu ziehen, bevor ein neues errichtet ist.“
Mit mehr als 20 Tonnen pro Kopf liegt der CO₂-Ausstoß der VAE etwa dreimal so hoch wie in Deutschland. Dem Klima ist allerdings egal, wer das Treibhausgas in die Luft bläst. Zur Wahrheit gehört daher auch, dass absolut gesehen Europa, die USA, China und Indien dem Klima am meisten schaden. Man könne die VAE zwar kritisieren, müsse aber gleichzeitig selbst in den Spiegel gucken, meint daher Petteri Taalas, Chef der Weltwetterorganisation. „Die Frage ist, ob man den Drogenverkäufer oder den -konsumenten straft“, sagte Taalas der dpa mit Blick auf den globalen Verbrauch fossiler Energie. (as)
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