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Chinas Präsident Xi Jinping im Dezember im saudischen Königspalast. Er erklärte, er wolle „eine neue Ära für die Beziehungen zwischen China und der arabischen Welt“ einleiten. Am Golf stoßt das auf Gegenliebe.
Der Golf boomt. Dennoch gibt es „weiterhin große Probleme“ in puncto Menschenrechte, sagt Nahost-Experte Sebastian Sons im Interview. Einigen Ländern ist das egal.
Frankfurt – Die Golfregion ist einer der größten geopolitischen Gewinner dieses Jahrhunderts. Unter anderem dank der wertvollen Rohstoffreserven haben sich die golfarabischen Staaten als neue starken Akteure auf das geopolitische Parkett gehievt. Auch Deutschland kooperiert mit Ländern wie Katar oder Saudi-Arabien, etwa im Energiebereich. Und das trotz der schwierigen Menschenrechtslage am Golf. Etwas anderes bleibt der Bundesrepublik auch nicht übrig, sagt Nahost-Experte Sebastian Sons im Interview mit IPPEN.MEDIA. „Die Golfstaaten sind kein Partner der Wahl, sondern ein Partner der Notwendigkeit.“ Der Islamwissenschaftler blickt in seinem neuen Buch „Die neuen Herrscher am Golf und ihr Streben nach globalem Einfluss“ auf die Entwicklung der Golfstaaten und geht dabei auch auf neue Bündnisse in der Region ein. Allen voran China hat seine Beziehungen zum Golf zuletzt intensiviert.
Herr Sons, vor einem Jahr schaute die Weltöffentlichkeit wegen der Fußball-WM nach Katar und an den Golf. Was hat sich seitdem getan?
In den letzten zehn Jahren ist die Golfregion immer wichtiger geworden. In der Region selbst sind traditionelle Führungskräfte wie Syrien oder Ägypten mit internen Problemen und Konflikten beschäftigt. Die Golfregion ist in dieses Vakuum gestoßen. Die WM war einer der Höhepunkte als nicht nur sportliches Event, sondern ein großer politischer und wirtschaftlicher Erfolg für Katar. Dem eifern nun andere Golfstaaten wie Saudi-Arabien nach und wollen sich der Welt als verlässlicher Partner präsentieren.
Einer dieser Partner ist Deutschland. Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik aus?
Die Golfstaaten sind kein Partner der Wahl, sondern ein Partner der Notwendigkeit. Es geht mittlerweile nur darum, wie man mit den Golfstaaten zusammenarbeitet und nicht ob. Etwa in den Bereichen Energie, Migration, Entwicklungspolitik oder in Sicherheitsfragen.
Lange hat die Golfregion keine große Rolle für die deutsche Politik gespielt.
In den letzten zwei Jahren hat sich das verändert. Wegen der WM und wegen der Energiekrise. In der Öffentlichkeit werden die Golfstaaten aber immer noch zu wenig diskutiert und ernst genommen. Es ist wichtig, immer wieder auch Grautöne zuzulassen, dass die Golfstaaten sicherlich in vielen Bereichen – Stichwort Menschenrechte – problematisch sind, aber dass es auch Entwicklungen gibt, die deutschen Interessen dienen.
Hat sich die Lage der Menschenrechte seit der WM verändert?
Sicherlich gibt es weiterhin große Probleme, was die Menschenrechtssituation angeht. Da hat auch die WM nichts daran geändert. Aber: Bestimmte Verbesserungen für Gastarbeiter in Katar wurden zumindest rechtlich eingeführt und in Saudi-Arabien hat sich die Situation der Frauen verbessert. Gleichzeitig gibt es eine größere Aufmerksamkeit der Golfstaaten in der internationalen Öffentlichkeit, und das führt zumindest dazu, dass man intensiv über Menschenrechtsfragen spricht. Viele politische Führungen in der Region wollen aber nicht, dass sich etwas ändert. Es ist wichtig, nicht alles zu verteufeln, aber selbstverständlich auch nicht alles schönzureden.
Golfstaaten-Experte Sebastian Sons bereist die Arabische Halbinsel regelmäßig. Er arbeitete beim Deutschen Orient-Institut, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und der Deutschen Gesellschaft für Politik.
Golf-Signal in Richtung Westen: „Seht her, wir können auch ohne euch“
Der wichtigste Handelspartner für die Region ist China. Ein Land, das kaum Kritik adressiert. Kooperiert die Region mit der Volksrepublik, weil sie kein „moralischer Weltpolizist“ ist, als den Sie in Ihrem Buch Deutschland beschreiben?
Das ist sicherlich ein Punkt. Da arbeiten Autokratien zusammen, die die Menschenrechtslage im jeweils anderen Land nicht kritisieren. Man arbeitet sehr pragmatisch und geschäftsorientiert zusammen. Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch politisch.
Aus der Sicht der Golfstaaten ist das Teil einer multipolaren Weltordnung, in der man versucht, für sich und seine Interessen das beste herauszuholen. Da versucht man, mit allen Akteuren zu sprechen. Der Golf instrumentalisiert China gerne, um eine Verhandlungsmasse gegenüber dem Westen zu haben. Die BRICS-Zuwendung ist keine politische Zeitenwende, aber ein weiteres Signal, dass man im „globalen Süden“ Alternativen zur westlichen Dominanz bieten möchte. Getreu dem Motto: Seht her, wir können auch ohne euch. Und das muss man ernst nehmen.
Das heißt, der Westen verliert in der Golfregion an Einfluss?
Ja, ohne Frage. Europa hat schon lange an Einfluss verloren, die EU gilt am Golf als zahnloser Tiger. Bei den USA hat man den Eindruck, dass sie sich aus der Region verabschieden, was aber ein falscher Eindruck ist. Der antiwestliche Diskurs in der Region hat zuletzt insgesamt stark zugenommen.
Warum?
Man empfindet den Westen schon lange nicht mehr als glaubwürdig. Es geht um praktische Dinge wie nicht funktionierende Freihandelsabkommen. Aber auch um Frustration und das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden und die berühmt-berüchtigte Doppelmoral, mit der der Westen argumentiert.
Was meinen Sie mit Doppelmoral?
Insbesondere die fehlende Unterstützung Europas, die Golfstaaten gegen Bedrohungen wie Iran zu unterstützen, gleichzeitig aber zu erwarten, aus dem Golf verstärkte Rückendeckung für die europäische Position im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu erhalten. Das wird in der Region als Bevormundung wahrgenommen. Dies wird Europa als fehlende Glaubwürdigkeit und mangelnder Respekt vor den Interessen der Golfstaaten vorgeworfen – und dieser Trend zur Polarisierung hat sich durch den Krieg in Gaza noch intensiviert.
Interview: Andreas Schmid
Über das Buch: „Die neuen Herrscher am Golf und ihr Streben nach globalem Einfluss.“ Sebastian Sons, Dietz Verlag, erschienen im Oktober 2023, 24 Euro.