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Nato fürchtet „erhebliche Eskalation“

Kims Truppen im Einsatz für Putin? Südkorea bereit für Lieferung tödlicher Waffen

Es wird angenommen, dass Nordkorea Russland im Ukraine-Krieg mit Truppen unterstützt. Dies würde für Südkorea eine Grenze überschreiten und eine Reaktion erfordern.

Seoul – Der Ukraine-Krieg scheint den Boden für eine weitere Konfrontation zwischen Nordkorea und Südkorea zu bereiten. Dass Pjöngjang die Beziehungen zu Moskau seit dem Invasionsbefehl von Wladimir Putin für seine Truppen intensiviert hat, ist verbrieft. Nun wirft Seoul dem nördlichen Nachbarn sogar vor, eigene Soldaten auf das Schlachtfeld zu entsenden, auf dem sich Russland mühsam und unter großen Verlusten vorankämpft.

Als Reaktion darauf will Südkorea seine Unterstützung für die Ukraine offenbar ausweiten. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtet unter einer Berufung auf eine Quelle aus der Regierung, Seoul denke darüber nach, ein Team in die Ukraine zu entsenden, das die nordkoreanischen Einheiten beobachten soll.

Willkommen im Ukraine-Krieg: Kreml-Chef Wladimir Putin (l.) kann auf dem Schlachtfeld offenbar auch auf Soldaten aus Nordkorea bauen.

Nordkorea und der Ukraine-Krieg: Südkorea will Kims Unterstützung für Putin überwachen

„Es ist möglich, dass Personal in die Ukraine geschickt wird, um die Taktiken und Kampffähigkeiten der nordkoreanischen Spezialeinheiten zu überwachen, die zur Unterstützung Russlands entsandt werden“, wird die Quelle zitiert. Es wird erwartet, dass sich das Team aus militärischen Einheiten von Nachrichtendiensten zusammensetzt und die Mitglieder auch an Verhören von gefangenen Nordkoreanern teilnehmen könnten.

Bereits jetzt soll Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un Russland 1500 Spezialkräfte zur Verfügung gestellt haben. Laut einer Geheimdienstquelle wird diese Zahl vermutlich auf 12.000 steigen.

Nordkorea – Kim Jong-uns abgeschottete Diktatur

Menschen an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Nordkorea ist das wohl geheimnisvollste Land der Erde: eine totalitäre Diktatur, in der der Einzelne nichts zählt, ohne Freiheiten und Menschenrechte, abgeschottet vom Rest der Welt. Schätzungsweise 26 Millionen Menschen leben in dem Land, das im Norden an China und Russland grenzt und im Süden an das freiheitliche, demokratische Südkorea. Nordkoreas Grenzen sind für die meisten Menschen unüberwindbar – kaum einer kommt rein, noch weniger Menschen kommen raus.  © Ed Jones/afp
Die Skyline von Pjöngjang
Hauptstadt sowie kulturelles und wirtschaftliches Zentrum des Landes ist Pjöngjang. Rund drei Millionen Menschen leben in der nordkoreanischen Metropole, die so anders ist als die anderen Mega-Städte Asiens. Pjöngjang ist grau, geprägt von Hochhäusern, gesichtslosen Wohnblöcken und gigantischen Monumenten, die der herrschenden Kim-Familie huldigen sollen. Wer in der Hauptstadt leben darf, ist privilegiert: Hier ist die Stromversorgung besser als auf dem Land, die Regale der Geschäfte sind voller, es gibt Freizeitparks, Kinos, Theater. © Olaf Schuelke/Imago
Kim Jong-un auf einem Pferd
Beherrscht wird Nordkorea seit 2011 von Kim Jong-un, einem Diktator, der skrupellos vor allem ein Ziel verfolgt: den eigenen Machterhalt und den seiner Sippe. Nordkorea ist das einzige kommunistische Land der Welt mit einer Erb-Monarchie, in der die politische Macht vom Vater auf den Sohn übergeht. Die sogenannte „Paektu-Blutlinie“ kontrolliert das Land seit dessen Gründung im Jahr 1948. Die Macht der Kims ist unanfechtbar, Aufstände gab es nie, dafür sorgt die lückenlose Überwachung und Kontrolle der gesamten Gesellschaft. © KCNA via KNS/afp
Sowjetische Soldaten in Pjöngjang
Korea war über Jahrhunderte ein geeintes Land. Die Geschichte der Teilung beginnt erst im 20. Jahrhundert: Von 1910 bis 1945 ist Korea eine japanische Kolonie, nach der Niederlage der Japaner besetzen sowjetische Truppen den Norden des Landes, der Süden wird von amerikanischen Truppen besetzt. Weil Verhandlungen über eine Vereinigung der beiden Landesteile scheitern, gründen sich 1948 auf der koreanischen Halbinsel zwei Staaten. © Jacob Gudkov/Imago
Szene des Koreakriegs
Zwei Jahre später dann die Tragödie: Der Korea-Krieg bricht aus. Kim Il-sung, Machthaber im Norden, schickt seine Truppen in den Südteil des Landes, um Korea mit Gewalt zu vereinen. Wenige Wochen später greifen die UN-Truppen unter Führung der USA den Norden an, stoßen bis an die chinesische Grenze vor. Das beunruhigt Peking – das nun auf der Seite von Nordkorea in den Krieg eingreift. 1953 wird ein Waffenstillstand verhandelt, das Land bleibt entlang des 38. Breitengrades geteilt. Ein Friedensvertrag wurde bis heute nicht unterzeichnet. © Imago
Familie Kim
Kim Il-sung, der Gründer und erste Präsident Nordkoreas, ist ein Machthaber von Stalins Gnaden. Geboren 1912, ist er als junger Mann im Widerstand gegen die japanische Besatzungsmacht aktiv. 1940 geht er ins Exil in die Sowjetunion, wo er schließlich zum späteren Machthaber Nordkoreas aufgebaut wird. Ab 1948 etabliert Kim einen auf ihn zugeschnittenen Personenkult. Mit brutalen Säuberungsaktionen entledigt er sich seiner Gegner. Politisch pendelt sein Land zwischen China und der Sowjetunion, vor allem, nachdem sich die beiden kommunistischen Führungsmächte ab Ende der 50er-Jahre zunehmend voneinander entfremden. © Imago
Kim Il-sung und Kim Jong-il
Schon in den 1970ern beginnt Kim Il-sung, seinen Sohn Jong-il zu seinem Nachfolger aufzubauen. Als er 1994 stirbt, übergibt er Kim Jong-il ein verarmtes Land. Mit dem Untergang der Sowjetunion wenige Jahre zuvor hat Nordkorea seinen wichtigsten und engsten Partner verloren, es stürzt in eine wirtschaftliche Krise, auf die eine fatale Hungersnot folgt. Hunderttausende Menschen verhungern. Unter Kim Jong-il, der 1941 oder 1942 geboren wurde, verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt, das Land schottet sich immer mehr ab. Vor allem die USA sowie Südkorea – das sich seit den 80ern zur Demokratie gewandelt hat – werden zu Feindbildern. © KCNA via KNS/afp
Fernsehbilder vom ersten nordkoreanischen Atomtest 2006
Unter Kim Jong-il beginnt die beispiellose Aufrüstung des bettelarmen Landes. Wichtigstes Ziel Kims ist es, Nordkorea zur Atommacht zu machen. 2006 gelingt ihm das, Nordkorea testet erstmals eine Atombombe. Die Welt ist geschockt, die Vereinten Nationen erlassen Strafmaßnahmen, denen insgesamt neun weitere Sanktionsrunden folgen. Heute ist Nordkorea eine Atommacht, die wohl Dutzende Sprengkörper besitzt. © Jung Yeon-Je/afp
Kim Jong-un beobachtet einen Raketentest
Zudem testet das Land regelmäßig ballistische Raketen, auf denen die nuklearen Sprengköpfe montiert werden können. So kann das Regime mit seinen Atomwaffen sogar die USA erreichen – zumindest in der Theorie, denn noch ist unklar, wie leistungsfähig die Raketen tatsächlich sind. © KCNA via KNS/afp
Donald Trump und Kim Jong-un an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Kim Jong-il stirbt 2011. Ihm folgt einer seiner Söhne nach: Kim Jong-un. Der treibt das Raketen- und Nuklearprogramm seines Vaters weiter voran. Als Hauptfeinde hat er Südkorea und die USA ausgemacht, die sein Regime regelmäßig mit drastischen Beleidigungen überzieht. Unter US-Präsident Donald Trump sieht es für einen kurzen Moment so aus, als könnten sich die Spannungen zwischen Nordkorea und dem Westen abkühlen – dreimal treffen sich Kim und Trump, auch Südkoreas damaliger Präsident kommt mit Kim zu einem Gipfeltreffen zusammen. © Brendan Smialowski/afp
Passanten in Pjöngjang währen der Corona-Pandemie
Doch die diplomatischen Initiativen scheitern 2019. Ein Jahr später sucht die Corona-Pandemie die Welt heim. Auch Nordkorea schließt seine Grenzen – und schottet sich gegen das Virus so hermetisch ab wie kein anderer Staat weltweit. Trotzdem meldet das Regime im Mai 2022 erste Corona-Fälle. Auch nach dem Ende der Pandemie bleibt Nordkorea ein international isoliertes Land. © Imago
Putin und Kim in Russland
Enge Beziehungen unterhält das Regime in Pjöngjang heute vor allem zu seinen beiden nördlichen Nachbarn China und Russland. Zu Wladimir Putin pflegt Kim ein besonders gutes Verhältnis, denn Russlands Präsident benötigt Nordkoreas Unterstützung für seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine – als Lieferant von Waffen und Munition. Im Herbst 2023 treffen Putin und Kim in Russlands Fernem Osten zusammen, es ist Kims erste Auslandsreise seit der Pandemie. © KCNA via KNS/afp
Kim Jong-un und seine Tochter Ju-ae
Kim Jong-un wurde 1982, 1983 oder 1984 geboren, hat also möglicherweise noch viele Jahre vor sich. Nordkoreas Diktator ist allerdings bei schlechter Gesundheit. Er gilt als Kettenraucher und Alkoholiker und ist sichtbar übergewichtig. Was, wenn er stirbt? Experten glauben, dass Kim seine Tochter Ju-ae zu seiner Nachfolgerin aufbauen will. Seit November 2022 zeigen Staatsmedien das Mädchen, das wohl 2012 oder 2013 zur Welt gekommen ist, regelmäßig an der Seite ihres mächtigen Vaters. © KCNA via KNS/afp
Kim Yo-jong
Aber auch Kims Schwester Kim Yo-jong gilt als mögliche Erbin auf den Thron. Die Macht, die die Kims seit bald 80 Jahren innehaben, dürften sie jedenfalls so schnell nicht aus der Hand geben. © Jorge Silva/afp

Südkorea will Ukraine unterstützen: Auch potenziell tödliche Waffen können geliefert werden

Möglich ist offenbar auch, dass Südkorea Waffen an die Ukraine liefert. Damit würde die Regierung ihre Linie verlassen, keine potenziell tödliche Hilfe zu leisten. Hierzu sagte die Quelle: „Während Anzeichen für eine militärische Zusammenarbeit zwischen Nordkorea und Russland zu beobachten sind, werden die Reaktionsmaßnahmen schrittweise erfolgen.“

Vorrang hätten Verteidigungswaffen. Sollten aber auch tödliche Waffen bereitgestellt werden, würden diese wohl indirekt an die Ukraine geliefert werden. In dem Artikel wird das Luftabwehrsystem Cheongung-II erwähnt, von dem in diesem Jahr auch an Saudi-Arabien und den Irak Exemplare verkauft wurden. Es kann Flugobjekte bis zu einer Höhe von 15 Kilometern und in einer Reichweite von 40 Kilometern abfangen.

Die internationale Nachrichtenagentur Reuters beruft sich derweil auf einen hohen Beamten aus dem Büro von Präsident Yoon Suk-yeol, demzufolge Seoul über die Lieferung von Defensivwaffen nachdenkt: „Aber falls es den Anschein hat, dass sie (Russland und Nordkorea, d. Red.) zu weit gehen, könnten wir auch einen offensiven Einsatz in Betracht ziehen.“

Könnte der Ukraine bei der Verteidigung der russischen Angriffe helfen: Südkorea verfügt über das Luftabwehrsystem Cheongung-II.

Nato über Ukraine-Krieg: Nordkoreas Soldaten im Kampfgebiet wären „erhebliche Eskalation“

Zuvor hatte Südkoreas Nationaler Sicherheitsrat eine Notfallsitzung abgehalten und Pjöngjang vorgeworfen, sich wie eine „kriminelle Organisation“ zu verhalten, wenn die Regierung einerseits junge Männer als „russische Söldner“ entsende, während sie anderseits den Bürgerinnen und Bürgern in der Heimat Menschenrechte vorenthalte.

Am Dienstag (22. Oktober) hatte Nato-Generalsekretär Mark Rutte in einer Pressekonferenz mit dem estnischen Ministerpräsidenten Kristen Michal in Tallinn auf Nachfrage ein Treffen mit Vertretern Südkoreas angekündigt. Diese würden Anfang nächster Woche im Brüsseler Hauptquartier des Verteidigungsbündnisses ihre Erkenntnisse über die nordkoreanische Unterstützung von Russlands Feldzug mit den Alliierten teilen.

Hinsichtlich des Einsatzes von Kims Soldaten im Ukraine-Krieg könne er noch nichts bestätigen. Doch der langjährige niederländische Ministerpräsident betonte zugleich: „Falls sie Truppen in die Ukraine entsandt haben sollten, würde das eine erhebliche Eskalation bedeuten. Das wäre wirklich wichtig, eine bedeutende Eskalation.“ Auch die USA zeigten sich bereits alarmiert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte ebenfalls bereits vor den nordkoreanischen Soldaten in seinem Land gewarnt.

Verstehen sich offenbar prächtig: Wladimir Putin (l.) und Kim Jong-un versprühen bei ihrem Treffen in Pjöngjang im Juni beste Laune.

Nordkoreas Soldaten für Putin? Südkorea moniert „illegale militärische Kooperation“

Südkoreas stellvertretender nationaler Sicherheitsberater Kim Tae-hyo hatte laut Yonhap bereits in Richtung Kim klargestellt: „Die Regierung fordert den sofortigen Abzug der nordkoreanischen Truppen.“ Es handele sich um eine „illegale militärische Kooperation“. Sein Land werde „nicht tatenlos zusehen, sondern in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft entschlossen reagieren“.

Für Aufruhr sorgte gerade erst ein Video, in dem ein chinesischer Söldner behaupten soll, in der Ukraine seien kürzlich acht nordkoreanische Offiziere getötet worden. Zudem soll Kim Sanktionen umgehen, um Russlands Krieg mitzufinanzieren. Nachdem sich die beiden Machthaber gegenseitig besucht hatten, war bereits vor Monaten eine engere Zusammenarbeit verkündet worden.

Jeon Ha-kyou, Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums, erklärte auf eine Nachfrage, im Gegenzug zur militärischen Unterstützung aus Nordkorea könnte Russland Kim finanziell unter die Arme greifen oder fortschrittliche Technik zur Verfügung stellen. Bei einem Treffen in Putins Reich hatten sich die Staatschefs den Weltraumbahnhof in Wostotschny angeschaut. Vielleicht hat sich Kim auch dort Inspirationen geholt. Ein neues Auto soll er von Putin bereits geschenkt bekommen haben. (mg)

Rubriklistenbild: © IMAGO / ZUMA Press Wire, IMAGO / Depositphotos

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