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Neue Militärmanöver

„In jeder Sekunde auf Krieg vorbereitet“: China probt Taiwan-Invasion – Zeitpunkt kein Zufall

China will sich Taiwan einverleiben – und macht das wieder mit einem Militärmanöver deutlich. Es kommt unmittelbar nach einem aus Sicht Pekings brisanten Jahrestag.

Die chinesische Volksbefreiungsarmee (VBA) hat mit einem Militärmanöver ihre Ansprüche auf das demokratisch regierte Taiwan unterstrichen. Wie Staatsmedien am Mittwoch mitteilten, übte die 73. Gruppe der VBA am Dienstag an einem Strand in der Provinz Fujian Taktiken und Fähigkeiten für küstennahe Fahr- und Landeoperationen mit gepanzerten Amphibienfahrzeugen. Die 73. Gruppe ist in der Stadt Xiamen stationiert, die in Sichtweite der von Taiwan kontrollierten Insel Kinmen liegt.

Der chinesische Staatssender CCTV zitierte einen an der Übung beteiligten Soldaten namens Qian Bo mit den Worten: „Wir sind in jeder Sekunde auf den Krieg vorbereitet.“ Ein anderer Soldat namens Bo Shaopu sagt in dem Bericht: „Wir glauben, dass wir, wenn der Tag kommt, kein Problem haben werden, sofort zu reagieren, zu kämpfen und zu gewinnen.“ Gemünzt ist das offenbar auf eine mögliche Invasion Taiwans. China betrachtet den Inselstaat als Teil des eigenen Staatsgebiets und droht seit Jahrzehnten mit der gewaltsamen Annexion.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

China wirft Taiwans Präsidenten „Separatismus“ vor

Der Zeitpunkt für die Übung ist wohl kein Zufall: Am Dienstag hatte Taiwans Präsident Lai Ching-te anlässlich des ersten Jahrestags seiner Amtsübernahme eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten des Inselstaats angekündigt. Um Krieg zu vermeiden, müsse sich Taiwan auf Krieg vorbereiten, so Lai. Der Politiker der seit 2016 regierenden Demokratischen Fortschrittspartei erklärte sich zudem zu Gesprächen mit der chinesischen Staatsführung „auf Augenhöhe“ bereit.

China betrachtet Lai als „Separatisten“. Ein Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten erklärte, Lais Kommentare seien „heuchlerisch“. „Nur wenn wir die Tatsache anerkennen, dass beide Seiten der Taiwanstraße zu einem China gehören, werden der Dialog und die Konsultationen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße eine Grundlage haben, um wieder aufgenommen zu werden“, sagte der Sprecher weiter.

Kampfflugzeuge der chinesischen Volksbefreiungsarmee in der Nähe von Taiwan: Die Spannungen in der Region nahmen zuletzt wieder zu. (Archivbild)

Droht eine chinesische Invasion Taiwans?

Die taiwanische Regierung hatte bereits in der vergangenen Woche gewarnt, China könnte den Jahrestag von Lais Amtseinführung als Vorwand für Militärübungen nutzen. Aus dem Verteidigungsministerium in Taipeh hieß es am Mittwoch, man habe in den zurückliegenden 24 Stunden 15 chinesische Kampfjets sowie acht Kriegsschiffe in der Nähe der Insel registriert – verglichen mit chinesischen Militärübungen der letzten Jahre eine relativ geringe Zahl. Allerdings hätten alle 15 Kampfjets die sogenannte Medianlinie überquert, die inoffizielle Grenze zwischen China und Taiwan. Zuletzt hatte China Anfang April mehrtägige Militärmanöver nahe Taiwan abgehalten.

Auch wenn China durch solche Übungen immer wieder deutlich macht, dass es sich Taiwan einverleiben möchte: Laut Experten steht ein Angriff auf den Inselstaat nicht unmittelbar bevor. Statt Taiwan mit einer großangelegten Invasion unter Kontrolle zu bringen, könnte die chinesische Volksbefreiungsarmee Analysten zufolge auf andere Taktiken setzen – etwa eine Blockade oder Quarantäne der Insel. Auch Taiwans Atomausstieg am vergangenen Wochenende hatte Befürchtungen befeuert, China könnte die Insel unter anderem von Energielieferungen abschneiden. (sh)

Rubriklistenbild: © Li Bingyu/Xinhua/dpa

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