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Washington Post

Putin-Interview enthüllt wahres Kriegsmotiv: Russland will die Ukraine besitzen

Im Interview mit Carlson meldet Putin historische Gebietsansprüche auf die Ukraine an. Er dominierte mit Halbwahrheiten. Das Interview sorgt für Wut.

Kiew – Tucker Carlson, der ehemalige Moderator von Fox News, dachte, Wladimir Putin sei in der Ukraine in den Krieg gezogen, weil er einen bevorstehenden Angriff der Vereinigten Staaten oder der NATO befürchtete. Nach einem zweistündigen Interview mit dem russischen Präsidenten in Moskau sagte Carlson, er sei „schockiert“ gewesen, als er erfuhr, dass Putin aus einem anderen Grund einmarschierte: „Wladimir Putin glaubt, dass Russland einen historischen Anspruch auf Teile der Ukraine hat“, sagte er.

„Was Sie gleich sehen werden, schien uns aufrichtig zu sein“, sagte Carlson seinen Internet-Zuschauern vor der Ausstrahlung des Interviews am Donnerstagabend: „Ein aufrichtiger Ausdruck dessen, was er denkt.“ Für Carlson und das amerikanische Publikum, das der Kreml mit der Zustimmung zu dem Interview erreichen wollte, mag das eine Überraschung gewesen sein. Aber für die Ukrainer, die seit mehr als zwei Jahrzehnten damit leben müssen, dass Putin der Ukraine das Recht abspricht, als ein von Russland getrenntes Land zu existieren, löste das Interview nur Wut aus.

Vorwürfe nach Putin-Interview hart: Carlson ein Handlanger Putins und Kriegstreiber

Für sie war vielleicht der einzige Schock, dass konservative amerikanische Wähler auf Putins Litanei von Lügen, Halbwahrheiten und Verzerrungen hereinfallen könnten, einschließlich der Behauptung, er wolle mit Washington über ein Ende des Krieges verhandeln. Das würde bedeuten, dass die Ukraine gezwungen wäre, ihr Territorium aufzugeben.

Die Ukrainer warfen Carlson vor, ein Handlanger des Kremls zu sein und einem kriegstreiberischen Diktator eine Plattform zu bieten, der strategisch darauf ausgerichtet ist, die diesjährigen US-Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen.

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„Das Einzige, was wirklich bestimmte Reaktionen auslöst, ist, dass Putin, ein Kriegsverbrecher mit einem Haftbefehl des Haager Tribunals, interviewt wird, anstatt von einem Ermittler verhört zu werden, wie es sich gehört“, sagte Oleksij Danilow. Er ist Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine. „Das ist das Einzige, was er in den verbleibenden Tagen seines Lebens tun sollte, egal wie viele er noch hat.“

Republikaner Putin-nah: Propaganda zum Ukraine-Krieg schlägt bei vielen an

Die Ukrainer waren jedoch nicht das Zielpublikum des Kremls. Putins Botschaft, einschließlich eines 30-minütigen, mit Unwahrheiten gespickten Geschichtsvortrags, richtete sich an Carlsons Zielgruppe: Republikanische Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump, von denen viele ihre Bewunderung für den russischen Führer zum Ausdruck gebracht und die Unterstützung der USA für die Ukraine infrage gestellt haben.

127 Minuten ging das Interview mit Putin. Gut ein Viertel davon war ein pseudohistorischer Exkurs Putins.

Putin schien sie davon überzeugen zu wollen, dass die Ukraine zu Recht zu Russland gehört und dass Präsident Biden und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Krieg verlängern. Ob ihm das gelungen ist, bleibt abzuwarten. Klar ist aber schon jetzt, dass Putin das Interview von Anfang bis Ende dominiert hat.

Putin besser vorbereitet als Carlson – Kritische Fragen? Fehlanzeige

Carlson erwähnte die gegen Putin erhobenen Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen mit keinem Wort, und manchmal schien der Moderator schlicht überfordert zu sein. So als er sich bemühte bei Putins Geschichtsvortrag, mit einer Liste von Daten und unbekannten Namen, wie dem skandinavischen Warägerfürsten Rurik – der bis ins 10. Jahrhundert zurückging – mitzuhalten.

Putin, ein ausgebildeter KGB-Agent, wich Carlsons gelegentlichen Versuchen, ihm eine direkte Antwort zu entlocken, mühelos aus. „Wollen wir ein ernsthaftes Gespräch oder eine Show führen?“, schnauzte Putin an einer Stelle, nachdem Carlson versucht hatte, ihn zu der Aussage zu bewegen, er sei in die Ukraine einmarschiert, weil er der Meinung war, die NATO könnte einen Überraschungsangriff starten. (Carlson merkte an, dass dies Putins eigentliche Worte waren, mit denen er seine Invasion im Jahr 2022 rechtfertigte – eines der wenigen Male, in denen er versuchte, dem russischen Staatschef auf die Finger zu schauen).

Wolodymyr Selenskyj – Vom Komödianten zum Symbol des Widerstands

Als am 24. Februar 2022 russische Truppen in die Ukraine einmarschierten, sah zunächst alles nach einem leichten Sieg Russlands aus. Doch daraus wurde nichts. Die Ukraine leistete vom ersten Tag an erbitterten Widerstand und wehrte sich mit vereinten Kräften gegen die Invasion. Das liegt auch an ihrem Präsidenten. Wolodymyr Selenskyj überraschte mit seinem Auftreten im Krieg von Beginn an die ganze Welt – vor allem den Aggressor aus Russland.
Als am 24. Februar 2022 russische Truppen in die Ukraine einmarschierten, sah zunächst alles nach einem leichten Sieg Russlands aus. Doch daraus wurde nichts. Die Ukraine leistete vom ersten Tag an erbitterten Widerstand und wehrte sich mit vereinten Kräften gegen die Invasion.  © Ukrainian Presidents Office/Imago
Wolodymyr Selenskyj
Das liegt auch an ihrem Präsidenten. Wolodymyr Selenskyj überraschte mit seinem Auftreten im Krieg von Beginn an die ganze Welt – vor allem den Aggressor aus Russland. © Imago
Selenskyj kandidiert in der Ukraine
Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj wurde am 25. Januar 1978 als Sohn jüdischer Eltern in Krywyj Rih im Südosten der damals noch sowjetischen Ukraine geboren. Er schloss erfolgreich ein Jurastudium ab, war aber nie als Jurist tätig.  © dpa
Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj wurde am 25. Januar 1978 als Sohn jüdischer Eltern in Krywyj Rih im Südosten der damals noch sowjetischen Ukraine geboren. Er schloss erfolgreich ein Jurastudium ab, war aber nie als Jurist tätig. Stattdessen gründete er zunächst eine Kabarettgruppe, die fünf Jahre lang von Moskau aus durch die Staaten der ehemaligen Sowjetunion tourte. Als Komiker und Schauspieler erlangte er große Popularität – in der Ukraine und in Russland.
Stattdessen gründete er zunächst eine Kabarettgruppe, die fünf Jahre lang von Moskau aus durch die Staaten der ehemaligen Sowjetunion tourte. Als Komiker und Schauspieler erlangte er große Popularität – in der Ukraine und in Russland. © Alexander Gusev/Imago
Seit 2003 ist Selenskyj mit Olena Wolodymyriwna Kijaschko verheiratet. Sie gingen auf dieselbe Schule, lernten sich aber erst während ihres Studiums des Bauingenieurwesens an der Universität in ihrer Heimatstadt Krywyj Rih kennen. Das Paar hat zwei Kinder, Tochter Oleksandra (geboren 2004) und Sohn Kyrylo (geboren 2013). Im Dezember 2019 landete Olena Selenska auf einer Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Ukraine auf Platz 30. Nummer eins war ihr Ehemann.
Seit 2003 ist Selenskyj mit Olena Wolodymyriwna Kijaschko verheiratet. Sie gingen auf dieselbe Schule, lernten sich aber erst während des Studiums an der Universität in ihrer Heimatstadt Krywyj Rih kennen.  © Vadim Ghirda/dpa
Stichwahl um Präsidentenamt in der Ukraine
Das Paar hat zwei Kinder, Tochter Oleksandra (geboren 2004) und Sohn Kyrylo (geboren 2013). Im Dezember 2019 landete Olena Selenska auf einer Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Ukraine auf Platz 30. Nummer eins war ihr Ehemann. © dpa
Arte - Diener des Volkes
Mit Politik hatte Selenskyj lange nichts am Hut. Dann legte eine populäre Fernsehserie den Grundstein für seinen politischen Durchbruch. In der Comedy-Serie „Diener des Volkes“, die im April 2022 auch auf Arte lief, trat Selenskyj 2015 als Geschichtslehrer auf. © Arte/dpa
Mit Politik hatte Selenskyj lange nichts am Hut. Dann legte eine populäre Fernsehserie den Grundstein für seinen politischen Durchbruch. In der Comedy-Serie „Diener des Volkes“, die im April 2022 auch auf Arte lief, trat Selenskyj 2015 als Geschichtslehrer auf. Von der Korruption in der ukrainischen Politik angewidert, stürzt sich seine Figur in den Wahlkampf und wird zum Präsidenten gewählt. Selenskyj nahm sich das Drehbuch zum Vorbild und verkündete am Silvesterabend 2018 seine Kandidatur für die Wahl Präsidentschaftswahl.
Von der Korruption in der ukrainischen Politik angewidert, stürzt sich seine Figur in den Wahlkampf und wird zum Präsidenten gewählt. Selenskyj nahm sich das Drehbuch zum Vorbild und verkündete am Silvesterabend 2018 seine Kandidatur für die Wahl Präsidentschaftswahl.  © Arte/dpa
Vereidigung von Selenskyj als neuer Präsident der Ukraine
Die Unzufriedenheit mit dem damaligen Staatschef Petro Poroschenko verhalf Selenskyj zum Sieg. Am 20. Mai 2019 trat er das Amt des ukrainischen Präsidenten an. Er erhielt zahlreiche Gratulationen aus dem Ausland, so zum Beispiel von Donald Trump, Emmanuel Macron oder Justin Trudeau. Auch Kanzlerin Angela Merkel sprach ihm ihre Glückwünsche aus und lud ihn nach Berlin ein.  © Evgeniy Maloletka/dpa
Die Unzufriedenheit mit dem damaligen Staatschef Petro Poroschenko verhalf Selenskyj zum Sieg. Am 20. Mai 2019 trat er das Amt des ukrainischen Präsidenten an. Er erhielt zahlreiche Gratulationen aus dem Ausland, so zum Beispiel von Donald Trump, Emmanuel Macron oder Justin Trudeau. Auch Kanzlerin Angela Merkel sprach ihm ihre Glückwünsche aus und lud ihn nach Berlin ein. Anders fiel die Reaktion in Russland aus. Von Ministerpräsident Dmitri Medwedew erhielt er herablassende Ratschläge, für eine Gratulation sei es dagegen „zu früh“. Auch bei der Amtseinführung gab es keine Gratulation aus Moskau.
Anders fiel die Reaktion in Russland aus. Von Ministerpräsident Dmitri Medwedew erhielt er herablassende Ratschläge, für eine Gratulation sei es dagegen „zu früh“. Auch bei der Amtseinführung gab es keine Gratulation aus Moskau. © Wolfgang Kumm/dpa
Vor der Wahl hatte Selenskyj seinen Vorgänger Petro Poroschenko dafür kritisiert, Briefkastenfirmen in Steueroasen zu unterhalten. Als im Oktober 2021 dann aber die Pandora Papers veröffentlicht wurden, stellte sich heraus, dass auch Selenskyj selbst Anteile an einer solchen Firma auf den britischen Jungferninseln besessen hatte. Zum Zeitpunkt seiner Wahl 2019 gab er seine Anteile ab. Steueroasen sind in der Ukraine nicht illegal.
Vor der Wahl hatte Selenskyj seinen Vorgänger Petro Poroschenko dafür kritisiert, Briefkastenfirmen in Steueroasen zu unterhalten. Diese sind in der Ukraine allerdings nicht illegal. © Sergei Chuzavkov/afp
Bitter End Yacht Club auf Virgin Gorda auf den Britischen Jungferninseln
Als im Oktober 2021 dann aber die Pandora Papers veröffentlicht wurden, stellte sich heraus, dass auch Selenskyj selbst Anteile an einer solchen Firma auf den britischen Jungferninseln besessen hatte. Zum Zeitpunkt seiner Wahl 2019 gab er seine Anteile ab.  © Imago
Selenskyj
Selenskyj war der erste Präsident in der Geschichte der Ukraine, der eine konfrontative Politik gegenüber Oligarchen führte. Unter anderem gründete er einen Nationalen Sicherheitsrat, der Sanktionen gegen Oligarchen verhängen kann. © Evgen Kotenko/Imago
Selenskyj war der erste Präsident in der Geschichte der Ukraine, der eine konfrontative Politik gegenüber Oligarchen führte. Unter anderem gründete er einen Nationalen Sicherheitsrat, der Sanktionen gegen Oligarchen verhängen kann – und dies zum Beispiel gegen Wiktor Medwedtschuk tat. Der wies alle Anschuldigungen zurück. Die Sanktionen froren seine Vermögenswerte ein und hinderten ihn daran, Geschäfte in der Ukraine zu tätigen. Medwedtschuk, der aufgrund einer Anklage wegen Hochverrats unter Hausarrest stand, tauchte im Februar 2022 unter. Im April 2022 wurde er vom Inlandsgeheimdienst festgenommen und im September 2022 bei einem Gefangenenaustausch Russland übergeben.
Er setzte das Mittel zum Beispiel gegen Wiktor Medwedtschuk ein. Der wies alle Anschuldigungen zurück. Die Sanktionen froren seine Vermögenswerte ein und hinderten ihn daran, Geschäfte in der Ukraine zu tätigen. Medwedtschuk, der aufgrund einer Anklage wegen Hochverrats unter Hausarrest stand, tauchte im Februar 2022 unter. Im April 2022 wurde er vom Inlandsgeheimdienst festgenommen und im September 2022 bei einem Gefangenenaustausch Russland übergeben. © Instagram Account of Volodymyr Zelensky/afp
Schon früh in seiner Amtszeit musste sich Selenskyj mit den Wünschen und Forderungen des damaligen US-Präsidenten Donald Trump auseinandersetzen. So soll Trump seinen ukrainischen Amtskollegen in einem Telefonat am 25. Juli 2019 aufgefordert haben, als Gegenleistung für Militärhilfe in Höhe von fast 400 Millionen Dollar Ermittlungen gegen Joe Biden, Trumps möglichen Gegenspieler bei der US-Wahl 2020, einzuleiten. Biden soll einst als US-Vizepräsident die Entlassung des ukrainischen Generalstaatsanwalts veranlasst haben, um seinen Sohn Hunter Biden, der bei einem ukrainischen Erdgaskonzern tätig war, vor Korruptionsermittlungen zu schützen. Das Telefonat, das im August 2020 bekannt wurde, löste in den USA später die „Ukraine-Affäre“ aus.
Schon früh in seiner Amtszeit musste sich Selenskyj mit den Wünschen und Forderungen des damaligen US-Präsidenten Donald Trump auseinandersetzen. So soll Trump seinen ukrainischen Amtskollegen in einem Telefonat am 25. Juli 2019 aufgefordert haben, als Gegenleistung für Militärhilfe in Höhe von fast 400 Millionen Dollar Ermittlungen gegen Joe Biden, Trumps möglichen Gegenspieler bei der US-Wahl 2020, einzuleiten.  © Saul Loeb/afp
Joe Biden Hunter
Biden soll einst als US-Vizepräsident die Entlassung des ukrainischen Generalstaatsanwalts veranlasst haben, um seinen Sohn Hunter Biden (hinten), der bei einem ukrainischen Erdgaskonzern tätig war, vor Korruptionsermittlungen zu schützen. Das Telefonat, das im August 2020 bekannt wurde, löste in den USA später die „Ukraine-Affäre“ aus. © Imago
Selenskyjs Amtszeit wurde von Beginn an vom Verhältnis zu Russland überschattet. Schon in seiner Antrittsrede bezeichnete Selenskyj die Beendigung des Krieges im Donbass als seine vorrangige Aufgabe. Während des Ukraine-EU-Gipfels im Juli 2019 in Kiew schlug Selenskyj in einer Videobotschaft an Wladimir Putin direkte Gespräche in der belarussischen Hauptstadt Minsk vor. Daran sollten nach Selenskyjs Plan auch US-Präsident Donald Trump, die britische Regierungschefin Theresa May, der französische Präsident Emmanuel Macron sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen. Am 11. Juli 2019 kam es immerhin zu einem ersten Telefongespräch zwischen Selenskyj und Putin.
Selenskyjs Amtszeit wurde von Beginn an vom Verhältnis zu Russland überschattet. Schon in seiner Antrittsrede bezeichnete Selenskyj die Beendigung des Krieges im Donbass als seine vorrangige Aufgabe. Während des Ukraine-EU-Gipfels im Juli 2019 in Kiew schlug Selenskyj in einer Videobotschaft an Wladimir Putin direkte Gespräche in der belarussischen Hauptstadt Minsk vor. © Ukraine Presidential Press Service/afp
Nach der Präsidentenwahl in der Ukraine
Daran sollten nach Selenskyjs Plan auch US-Präsident Donald Trump, die britische Regierungschefin Theresa May, der französische Präsident Emmanuel Macron sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen. Am 11. Juli 2019 kam es immerhin zu einem ersten Telefongespräch zwischen Selenskyj und Putin. © dpa
Trump, Macron, Selenskyj - Paris
Die Gespräche führten zu einem kurzfristigen Waffenstillstand in der Ostukraine, einem Gefangenenaustausch sowie zu einem Truppenrückzug in drei Gebieten an einer Demarkationslinie bis Ende März 2020. Es war das einzige Mal, dass Selenskyj mit Putin zusammentraf.  © Lafargue Raphael/Imago
Am 9. Dezember 2019 in Paris nahm Selenskyj an Verhandlungen im Normandie-Format teil, an denen der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin beteiligt waren. Die Gespräche führten zu einem kurzfristigen Waffenstillstand in der Ostukraine, einem Gefangenenaustausch sowie zu einem Truppenrückzug in drei Gebieten an einer Demarkationslinie bis Ende März 2020. Es war das einzige Mal, das Selenskyj mit Putin zusammentraf.
Am 9. Dezember 2019 in Paris nahm Selenskyj an Verhandlungen im Normandie-Format teil, an denen der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin beteiligt waren.  © Charles Platiau/afp
Selenskyj
Alle Bemühungen um einen Frieden nützten aber nichts. Im Lauf des Jahres 2021 verschärfte sich die Situation weiter. Immer häufiger besuchte Selenskyj (Mitte) Militärübungen der ukrainischen Armee, so auch am 16. Februar 2022 in der Stadt Riwne. © Imago
Alle Bemühungen um einen Frieden nützten aber nichts. Im Lauf des Jahres 2021 verschärfte sich die Situation immer weiter. Am 23. Februar 2022 versuchte Selenskyj noch einmal in einer Ansprache, den drohenden Krieg abzuwenden. Darin wendete er sich vor allem an die Menschen in Russland: „Wenn wir angegriffen werden, wenn man unser Land, unsere Freiheit, unser Leben und das Leben unserer Kinder zu nehmen versucht, werden wir uns verteidigen“, sagte Selenskyj auf Russisch. Es war das vorerst letzte Mal, dass man Selenskyj glatt rasiert und mit Anzug und Krawatte sah.
Am 23. Februar 2022 versuchte Selenskyj noch einmal in einer Ansprache, den drohenden Krieg abzuwenden. Darin wendete er sich vor allem an die Menschen in Russland: „Wenn wir angegriffen werden, wenn man unser Land, unsere Freiheit, unser Leben und das Leben unserer Kinder zu nehmen versucht, werden wir uns verteidigen“, sagte Selenskyj auf Russisch. Es war das vorerst letzte Mal, dass man Selenskyj glatt rasiert und mit Anzug und Krawatte sah.  © Ukrainian Presidents Office/Imago
In der Nacht zum 24. Februar begann der russische Angriff auf die Ukraine. In Kiew kam es zu den ersten Krisensitzungen. Acht Jahre nach der Krim-Annexion eskalierte der Ukraine-Krieg.
In der Nacht zum 24. Februar 2022 begann der russische Angriff auf die Ukraine. In Kiew kam es zu den ersten Krisensitzungen. Acht Jahre nach der Krim-Annexion im März 2014 eskalierte der Ukraine-Krieg.  © Imago
London, United Kingdom
Im Westen war die Solidarität mit der überfallenen Ukraine groß. Der Regierungssitz im Vereinigten Königreich leuchtete in den ukrainischen Farben.  © Hesther Ng/Imago
In der Nacht zum 24. Februar begann der russische Angriff auf die Ukraine. Danach sollen die USA Selenskyj angeboten haben, ihm bei der Flucht zu helfen. Selenskyj lehnte an, er und seine Regierung blieben in Kiew, auch als russische Truppen auf die Hauptstadt vorrückten. Die Nachrichtenagentur AP verbreitete Selenskyjs Antwort: „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.“ Seitdem ist er zum Symbol des ukrainischen Widerstands geworden.
Die USA sollen Selenskyj angeboten haben, ihm bei der Flucht zu helfen. Selenskyj lehnte an, er und seine Regierung blieben in Kiew, auch als russische Truppen auf die Hauptstadt vorrückten. Die Nachrichtenagentur AP verbreitete Selenskyjs Antwort: „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.“ Seitdem ist er zum Symbol des ukrainischen Widerstands geworden. © Ukraine Presidency/afp

Putin zeigte sich auch besser vorbereitet als Carlson, indem er zur offensichtlichen Überraschung des ehemaligen Fox News-Moderators die Tatsache erwähnte, dass Carlson Geschichte studiert und versucht hatte, der CIA beizutreten – was jedoch scheiterte. „Wir sollten Gott danken, dass man Sie nicht aufgenommen hat, obwohl es sich um eine seriöse Organisation handelt, wie ich weiß“, sagte Putin in einer Art Anspielung auf Carlson. Putins Äußerungen wurden ins Englische übersetzt und eine Abschrift wurde auf Carlsons Website veröffentlicht.

Putins Hauptargument: Russland als Opfer des Westens im Ukraine-Krieg

Abgesehen von subtilen Sticheleien nutzte Putin jedoch jede Frage, um seine Hauptargumente zu untermauern: Russland sei die geschädigte Partei, ein Opfer wiederholter falscher Versprechungen des Westens. Trotzdem, so Putin, sei Moskau bereit, über eine Beendigung des Krieges zu verhandeln – allerdings mit den Vereinigten Staaten, was seine Behauptung unterstreicht, die ukrainische Regierung sei eine illegitime Marionette des Westens. Präsident Biden hat wiederholt gesagt, die Ukraine müsse entscheiden, ob und wann sie Frieden schließen wolle.

„Haben Sie nichts Besseres zu tun?“, fragte Putin auf die Frage nach der Möglichkeit der Entsendung von US-Truppen in die Ukraine – eine Aussicht, die entgegen Carlsons Frage in Washington nie zur Debatte stand. „Wäre es nicht besser, mit Russland zu verhandeln und ein Abkommen zu schließen“, sagte Putin und fügte hinzu: „Russland wird bis zum Ende für seine Interessen kämpfen.“

Putin beteuert Bereitschaft zu Verhandlungen im Ukraine-Krieg – Hoffen auf Erfolg Trumps

„Wir sind zu diesem Dialog bereit“, sagte Putin zu Carlson. Die angebliche Bereitschaft zu Verhandlungen steht jedoch in krassem Gegensatz zu Russlands langem Beharren darauf, dass nur eine vollständige Kapitulation der Ukraine, einschließlich einer weitgehenden Abtretung der besetzten Gebiete, den Krieg beenden wird.

Dies war jedoch nur eine von Putins zahlreichen Falschdarstellungen während des Interviews. So behauptete er beispielsweise auch, dass sich die russischen Truppen im Rahmen eines Friedensabkommens, das später von der Ukraine verletzt wurde, von dem Versuch, Kiew zu erobern, zurückgezogen hätten. In Wirklichkeit wurden die russischen Truppen besiegt und zogen sich nach schweren Verlusten zurück.

Einige Anhänger Putins erklärten jedoch, sie glaubten, dass seine Botschaft in Amerika Gehör finden würde, was Trump zum Sieg im November verhelfen und die Republikaner im Kongress ermutigen würde, weiterhin jede neue Hilfe für die Ukraine zu blockieren.

Experten warnen: Putin-Interview könnte Trump in US-Wahlen helfen

„Das Ergebnis von Putins Interview mit Carlson könnte sein, dass ein paar Millionen Amerikaner sagen: ‚Ja, Putin ist also für den Frieden. Und Trump ist für den Frieden. Nur Biden und Selenskyj sind für den Krieg“, sagte der kremlnahe Politologe Sergej Markow. „Wir sollten also für Trump und gegen Biden stimmen, dann gibt es Frieden und keine Gefahr eines Atomkrieges.“

Markow fügte hinzu, dass als Ergebnis des Interviews „Trump die Wahl überzeugend gewinnen und Präsident der Vereinigten Staaten werden wird, Trump und Putin werden sich schnell auf Frieden in der Ukraine einigen, und der Krieg wird vorbei sein“.

„Entnazifizierung“ im Ukraine-Krieg – eine von vielen falschen Behauptungen im Putin-Interview

Putin sagte Carlson auch, dass ein Hauptgrund für die Invasion und eines der Hauptziele Moskaus die „Entnazifizierung“ der Ukraine sei – Teil von Putins anhaltender falscher Behauptung, Kiew werde von Nazis kontrolliert.

Die Ukraine ist eine Demokratie, und Selenskyj, der 2014 mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten gewählt wurde, ist jüdischer Abstammung, wie auch andere Spitzenbeamte. Nach Ansicht vieler Analysten ist es Putins eigentliches Ziel, Selenskyj zugunsten eines russischen Marionettenregimes zu stürzen.

Der Rest des Interviews enthielt eine Reihe von Unwahrheiten oder Halbwahrheiten des Kremls, darunter Putins Behauptung, dass „NATO- und US-Militärstützpunkte auf dem Territorium der Ukraine auftauchten und eine Bedrohung für uns darstellten“. Tatsächlich hatte die NATO vor der Invasion die Bemühungen der Ukraine, dem Bündnis beizutreten, vor allem aus der Sorge heraus, Russland zu verärgern, zurückgewiesen.

Wahrheit und Lüge in einem: Die Propagandastrategie Putins

„Die Propagandastrategie des Kremls besteht seit Jahrzehnten darin, die Wahrheit mit kompletten Unwahrheiten zu vermischen“, twitterte der russische Oppositionelle Michail Chodorkowski. „Das hat die Invasion der Ukraine erst möglich gemacht.“

Das Herzstück des Interviews war Putins langer Vortrag über mehr als 1.000 Jahre Geschichte, von der Gründung der Kiewer Rus – eines Staates, der die Grundlage für die moderne Ukraine, Russland und Weißrussland bildete – bis zur Gegenwart.

Der russische Präsident Wladimir Putin im Interview mit Ex-Fox News-Moderator Tucker Carlson.

Obwohl er ursprünglich versprach, nur 30 Sekunden zu diesem Thema zu sprechen, dauerte die Antwort fast eine halbe Stunde – alles, um Putins Argumentation zu untermauern, dass die Ukrainer eigentlich Russen sind, die „am Rande“ des russischen Reiches leben.

„Strom von Idiotismus, Lügen und Ketzerei“ – Putins Geschichtsexkurs im Interview

Putins Version der Geschichte der Ukraine – wie auch der Geschichte Russlands, Weißrusslands, Litauens, Polens und Ungarns – war jedoch voller Ungenauigkeiten, so Experten. Dazu gehörte auch seine falsche Behauptung, Polen habe Nazi-Deutschland „gedrängt“, es anzugreifen und den Zweiten Weltkrieg zu beginnen.

„Putin hat nur ein paar Stunden gebraucht, um zu sagen: ‚Ich muss die Ukraine zerstören, weil ich keine Ahnung habe, was Russland ist‘“, schrieb Timothy Snyder, ein Historiker aus Yale, der viel über die Ukraine und Osteuropa geschrieben hat, auf X.

Vielleicht ging es ihm nicht um Genauigkeit, sondern eher darum, die Zuschauer mit einem Tsunami von Fakten und Daten zu überschütten und sie mit Verweisen auf die Kiewer Rus oder das Großfürstentum Litauen von Putins scheinbarer Gelehrsamkeit zu überzeugen.

Die Ukrainer sagten, Carlson sei unverantwortlich und als Interviewer ineffektiv. „Der Propagandist Carlson verbreite einen Strom von Idiotismus, Lügen und Ketzerei“, schrieb der ehemalige ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazeniuk auf Facebook und fügte hinzu: „Redefreiheit und Freiheit zu lügen sollte man nicht verwechseln, Genosse Carlson.“

Ebel berichtete aus London und Iljuschina aus Riga, Lettland. Robyn Dixon und Natalia Abbakumova in Riga trugen zu diesem Bericht bei.

Zu den Autoren

Mary Ilyushina, Reporterin im Auslandsressort der Washington Post, berichtet über Russland und die Region. Sie begann ihre Karriere bei unabhängigen russischen Medien, bevor sie 2017 als Field Producer in das Moskauer Büro von CNN kam. Seit 2021 arbeitet sie für The Post. Sie spricht Russisch, Englisch, Ukrainisch und Arabisch.

Francesca Ebel ist die Russland-Korrespondentin der Washington Post. Bevor sie 2022 zur Post kam, war Ebel Korrespondentin der Associated Press in Tunis.

David L. Stern hat für Nachrichtenagenturen in Russland, Osteuropa, dem Kaukasus, dem Nahen Osten und Zentralasien gearbeitet. Er lebt seit 2009 in der Ukraine und berichtete über die Maidan-Revolution 2014, den Krieg im Osten des Landes und die russische Invasion 2022.

Wir testen zurzeit maschinelle Übersetzungen. Dieser Artikel wurde aus dem Englischen automatisiert ins Deutsche übersetzt.

Dieser Artikel war zuerst am 11. Februar 2024 in englischer Sprache bei der „Washingtonpost.com“ erschienen – im Zuge einer Kooperation steht er nun in Übersetzung auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung.

Rubriklistenbild: © picture alliance/dpa/Zuma Press Wire | Tucker Carlson Network

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