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Vorstoß der Liberalen-Chefin

Trotz Umfragetrend vor Hessen-Wahl: FDP will mit Deutschlandkoalition zurück an die Macht

Machtkampf vor Hessen-Wahl: Die FDP will wieder mitregieren – und buhlt mit einer Deutschlandkoalition um die CDU. Doch gibt das die Umfrage her?

Wiesbaden – Schwarz-Grün, Große Koalition, Ampel oder eine Deutschlandkoalition – wer regiert in den kommenden Jahren in Hessen? Einen Tag vor der Landtagswahl haben die Spekulationen über das künftige Regierungsbündnis deutlich an Fahrt gewonnen. Vor allem die FDP hat sich noch einmal ins Spiel gebracht und die Debatte um einen neuen Vorschlag erweitert. So warb die hessische Landesvorsitzende der Liberalen, Bettina Stark-Watzinger, eindringlich für eine Dreierkoalition aus CDU, SPD und FDP.

Wer regiert nach Hessen-Wahl? FDP um Stark-Watzinger wirbt für Deutschlandkoalition

„Ich begrüße, dass sich Ministerpräsident Boris Rhein für andere Koalitionen als Schwarz-Grün geöffnet hat. Hessen braucht eine Landesregierung der Mitte, die Ambitionen hat und etwas bewegen will“, sagte die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende zu fr.de von IPPEN.MEDIA und fügte hinzu: „Wir setzen deshalb auf eine Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP.“

Buhlt bei der Hessen-Wahl um die Macht: FDP-Landeschefin Bettina Stark-Watzinger will eine Deutschlandkoalition mit SPD und CDU.

Letzte Umfrage vor der Hessen-Wahl 2023: CDU führt und kann sich Koalition aussuchen

Doch wie realistisch ist der Vorschlag von Stark-Watzinger für eine Deutschlandkoalition nach der Hessen-Wahl 2023? Laut den letzten Umfragen liegt die CDU von Ministerpräsident Boris Rhein aktuell mit 32 Prozent klar vorne. Das geht aus dem ZDF-Politbarometer vom 5. Oktober hervor. Dahinter rangeln sich SPD (17 Prozent), Grüne (17 Prozent) und AfD (16 Prozent) um Platz zwei – aber mit deutlichem Abstand zur CDU. Die FDP indes muss mit fünf Prozent um den Einzug in das Landesparlament zittern, ebenso wie die Freien Wähler (4 Prozent) und die Linke (3 Prozent).

Koalition nach Wahl in Hessen: Wechselt Boris Rhein von Grünen zu SPD – oder gar FDP?

Vor diesem Hintergrund der Umfragen zur Hessen-Wahl sind mehrere Koalitionsoptionen denkbar: Schwarz-Grün, Große Koalition, Ampel, aber auch eine Deutschlandkoalition – sofern die Liberalen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Zwar regiert die CDU seit zehn Jahren halbwegs geräuschlos mit den Grünen in Hessen. Doch zuletzt bekam das Zweierbündnis feine Risse, denn nach der mangelhaften Aufklärung der rechtsradikalen Hanau-Attentate scheuten die Grünen nicht vor Kritik zurück. In der Partei von Boris Rhein gibt es durchaus einige Mitglieder, die sich für einen Wechsel des Koalitionspartners erwärmen könnten. Die inhaltlichen Schnittmengen zu SPD und FDP sind jedenfalls in vielen zentralen Punkten größer.

Eine Große Koalition mit der SPD, die nach zehn Jahren gerne von der Oppositions- auf die Regierungsbank wechseln würde, erscheint deswegen nach der Hessen-Wahl 2023 gar nicht so unrealistisch. Die Ampel-Alternative, also SPD, Grüne und FDP, fällt wohl eher raus, denn die hat der hessische FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas bereits kategorisch ausgeschlossen.

Boris Rhein: Werdegang, Wahlen und Skandale des hessischen Ministerpräsidenten

Boris Rhein: Ministerpräsident in Hessen
Boris Rhein galt schon früh als Überflieger und Hoffnungsträger der hessischen CDU. Bereits im Alter von 27 Jahren wurde der Jurist erstmals in den hessischen Landtag gewählt. Mit 38 Jahren übernahm Rhein das Amt des hessischen Innenministers. Im Jahr 2014 wurde der zweifache Vater zum Wissenschaftsminister in die schwarz-grüne Landesregierung berufen. Seit Januar 2019 war er Präsident des hessischen Landtags - inzwischen führt er die schwarz-grüne Regierung an. © Frank Rumpenhorst/dpa
Boris Rhein: Ministerpräsident in Hessen und Volker Bouffier
Den Respekt, den sich Rhein in seiner Amtszeit als Landtagspräsident erarbeitet hat, galt als ein entscheidender Punkt für die Nachfolge von Volker Bouffier als hessischer Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender. Dass Bouffier noch während der laufenden Legislaturperiode abtrat, hatte vor allem den Grund, seinem Nachfolger die Chance auf einen Amtsbonus zu geben. Als Vertrauter von Bouffier gilt Rhein nicht.  © Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Die Frankfurter Goethe Universität
Rhein wurde als Sohn des früheren Frankfurter Schuldezernenten Peter Rhein geboren. Nach dem Abitur am Lessing-Gymnasium in Frankfurt im Jahr 1991 studierte er Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Das Studium schloss er im Jahr 1997 mit dem Ersten Staatsexamen ab. Nach dem Zivildienst, den er als Betreuer in einem Wohnheim für Schwerbehinderte (Praunheimer Werkstätten) absolvierte, folgte im Jahr 2000 das zweite Staatsexamen. Danach war er bis zu seiner Berufung zum Minister als Rechtsanwalt tätig. © Heike Lyding/Imago
Michel Friedmann
1996 sorgte Rhein als Vertreter der Jungen Union Frankfurt mit einem verbalen Angriff gegen seinen Parteikollegen Michel Friedman für Wirbel. Anlass war die scharfe Kritik des damaligen CDU-Vorstandsmitglieds am rechten Flügel der hessischen CDU. Friedman sei eine „Belastung für die Frankfurter CDU“, sagte Rhein, der Friedman indirekt zum Parteiaustritt und zum Verlassen der Stadt Frankfurt aufforderte. SPD und Grüne missbilligten die Aussage als „skandalöse Entgleisung“. © Thomas Koehler/Imago
Rockergruppe "Hells Angels"
Im Jahr 2011 wurden Vorwürfe gegen Rhein laut, er habe Kontakte zu der Rockergruppe Hells Angels. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte über ein Telefonat berichtet, bei dem ein Mitglied der Rockergruppe Rheins Hilfe bei Auseinandersetzungen um die Straßenprostitution im Frankfurter Bahnhofsviertel gelobt habe. Rhein wies die Vorwürfe weit von sich. „Ich habe weder Kontakte zu den Hells Angels, noch unterstütze ich diese Gruppierung oder treffe Absprachen mit ihnen“, sagte er damals. Im September 2011 erließ er ein Verbot gegen zwei Hells-Angels-Vereine. © Fredrik von Erichsen/dpa
Peter feldmann
Nur wenige Monate später musste Boris Rhein den ersten großen Rückschlag seiner politischen Karriere verkraften. Dass sein Weg nicht fortwährend steil nach oben führte, lag ausgerechnet an den Wahlberechtigten in seiner Heimatstadt. Bei der Wahl um den Frankfurter Oberbürgermeisterposten erreichte Rhein im ersten Wahlgang zwar das beste Ergebnis, musste sich dann aber in der Stichwahl am 25. März 2012 deutlich seinem SPD-Kontrahenten Peter Feldmann geschlagen geben.  © Andreas Arnold/dpa
Fußballfans Frankfurt
Die Wahlniederlage könnte auch mit den Frankfurter Fußballfans zu tun haben. Selten hatten sich wohl so viele von ihnen an einer politischen Wahl beteiligt wie an jener um das Amt des Frankfurter Oberbürgermeisters. Und warum? Um zu verhindern, dass Rhein neues Stadtoberhaupt wurde. Ihre Abneigung machten sie auch auf dem Platz deutlich. „Ob SGE, ob FSV, Boris Rhein will keine Sau“, hieß es da gerne. Und auf Flugblättern der Ultras war zu lesen: „Rhein raus – häng deine Nase ned in Dinge, von denen du keine Ahnung hast!“ Zuvor hatte Rhein „eine härtere Gangart gegen gewaltbereite Problemfans“ angekündigt.  © Imago
Frankfurter Opernplatz
In den Jahren danach präsentierte sich Boris Rhein ohnehin gerne als Vertreter von Recht und Ordnung. Als Innenminister forderte er eine Verschärfung des Strafgesetzbuches, um Gewalttaten gegen die Polizei besonders zu ahnden. „Die Beamten, die täglich ihre Gesundheit für das Allgemeinwohl aufs Spiel setzen, brauchen mehr Schutz“, sagte er 2013. „Die zunehmende Eskalation der Gewalt muss für die Täter besondere Konsequenzen nach sich ziehen.“ Rhein fasste seine Vorstellungen unter dem Stichwort „Schutzparagraf für Schutzleute“ zusammen. © Frank Rumpenhorst/dpa
Blockupy-Proteste in Frankfurt am Main
Für großes Entsetzen sorgten die Vorfälle vom 1. Juni 2013, als die Polizei in Frankfurt massiv gegen eine genehmigte Demonstration der Blockupy-Bewegung vorging. Als damaliger Innenminister verteidigte Rhein die Entscheidung, einen Kessel um rund 1000 Menschen zu ziehen. Dies sei „nachvollziehbar, richtig und vom Gesetz gedeckt“. Schließlich habe es massive Verstöße gegen das Versammlungsrecht gegeben. Im Grundrechte-Report 2013 hingegen war von einem „verfassungsrechtlichen Skandal“ die Rede.  © Boris Roessler/dpa
Ehemaliges Poilzeigefängnis Klapperfeld
Hohn und Spott erntete Boris Rhein im Oktober 2017, als er einmal am späten Abend mit einer Gruppe von teils offenbar angetrunkenen Begleitern mal eben Einlass ins „Klapperfeld“ in Frankfurt verlangt hatte - das alternative Kulturzentrum werde schließlich mit Steuergeld unterstützt. Diejenigen, die im Haus waren, verwiesen auf das Hausrecht der Initiative „Faites votre jeu!“ und die regulären Öffnungszeiten – aus der Besichtigung wurde nichts. Im Netz wurde darüber unter dem Hashtag #Rheinwillrein gelacht.  © Imago

Doch ob es für eine Deutschlandkoalition nach der Hessen-Wahl 2023 reicht? Die Umfragen sprechen einen Tag vor der Wahl nicht dafür, dennoch können die Wahlergebnisse abweichen und das Gefüge noch einmal durcheinander bringen. Am Ende geht es in der Machtfrage nur um wenige Prozente, die über die Koalition entscheiden. Der potenzielle Wahlsieger Boris Rhein hat jedenfalls bereits angekündigt, mit allen demokratischen Parteien nach der Wahl sprechen zu wollen.

Kampf mit der Fünf-Prozent-Hürde: FDP gibt dennoch Hoffnung auf Regierungsbeteiligung nicht auf

Vor diesem Hintergrund gibt die FDP die Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung nicht auf. Nur mit der FDP werde es die „notwendige Trendwende“ geben, warb Stark-Watzinger im Gespräch mit fr.de von IPPEN.MEDIA um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler. Die hessische Landeschefin versprach dabei einen Kurswechsel in der Asylpolitik. Nach der Wahl werde man unter anderem dafür sorgen, dass Asylbewerber in Hessen künftig Sach- statt Geldleistungen erhalten würden.

„Unsere Positionen sind klar“, sagte Stark-Watzinger zum Wahlkampf-Abschluss. „Wir wollen die angeschlagene Wirtschaftskraft Hessens wieder stärken, indem wir Unternehmen von angehäufter Bürokratie entlasten. Wir wollen beste Bildung für mehr Chancengerechtigkeit. Und wir wollen Straßen ausbauen, damit Staus der Vergangenheit angehören. Wer diese Politik für Hessen will, muss die FDP starkmachen.“ (jkf)

Rubriklistenbild: © Andreas Arnold/dpa

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