70. Geburtstag der Ex-Kanzlerin
Sehnsucht nach den Merkel-Jahren? „Auch die Generation Z schwelgt in Nostalgie“
Eine Mehrheit der Deutschen findet die Lebensverhältnisse nach Angela Merkel schlechter. Der Psychologe Rüdiger Maas kritisiert die Umfrage, aus der dies hervorgeht. Zugleich versteht er die Gefühle der Befragten.
Berlin – Die Zeile kommt griffig daher. „Mehrheit findet Verhältnisse in Deutschland schlechter, seitdem Merkel nicht mehr Kanzlerin ist“, schreibt das Meinungsforschungsinstitut YouGov in einer Pressemitteilung. Es ist sogar eine absolute Mehrheit: Von allen Befragten seien 61 Prozent der Ansicht, dass sich die Lebensumstände in Deutschland seit Angela Merkels Rückzug aus der Politik ins Negative entwickelt hätten. Nur ein Viertel meint demzufolge, dass diese ungefähr auf dem gleichen Niveau geblieben sind.
Die Umfrageergebnisse passen hervorragend zu Merkels 70. Geburtstag am 17. Juli. Sie wurden vielfach zitiert. Derweil sieht der Psychologe Rüdiger Maas die Methode der Meinungsforscher kritisch. „Es geht schon bei den Fragestellungen los“, sagt Maas im Gespräch mit IPPEN.MEDIA: „YouGov hat die Antwort gewissermaßen schon in die Frage hineingepackt.“ Das Institut habe „suggeriert, dass unter Merkel vieles leichter gewesen ist – dabei stellt es leichtfertig ihre 16 Regierungsjahre den bisher zweieinhalb der Ampel-Koalition gegenüber“.
Kanzlerin Angela Merkel hat das Leben der „Gen Z“ maßgeblich geprägt
Nach eigenen Angaben hat YouGov via Internet insgesamt 2.030 Personen zu der ehemaligen CDU-Regierungschefin befragt. Konkret wollten die Meinungsforscher wissen: „Wenn Sie einmal an das Ende der 16 Jahre zurückdenken, in denen Angela Merkel die deutsche Bundeskanzlerin war: Würden Sie sagen, die Verhältnisse in Deutschland sind seitdem insgesamt besser geworden, schlechter geworden oder in etwa gleich geblieben?“
Die Stichprobe bildet der Mitteilung zufolge die Wahlberechtigten ab 18 Jahren ab – also auch die Generation Z. „Wer ab Mitte der 1990er Jahre geboren wurde, kannte ja im Grunde erst mal nur Merkel als Kanzlerin“, sagt Maas. „Die Jüngeren haben also überhaupt keine Referenzgröße. Kaum waren einige mit dem Studium fertig, wurden sie mit Olaf Scholz konfrontiert.“ Aus Sicht des Wissenschaftlers ist es nach Corona-Pandemie und in der Zeitenwende „nur logisch, dass in diesen Tagen eine Sehnsucht nach der eigenen Kindheit und Jugend hervorgerufen wird – auch die Generation Z schwelgt in Nostalgie“.
Als Merkel von Scholz abgelöst wurde, kamen größere Fragen auf
Hat das wirklich nichts mit Merkel zu tun? Immerhin begründet eine Mehrheit jener, die eine Verschlechterung der Lebensverhältnisse in Deutschland beklagen, dies generationenübergreifend teilweise mit der Arbeit der Ampel-Koalition. 28 Prozent nennen demnach die „schlechte Regierung“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), 15 Prozent nennen in diesem Kontext äußere Faktoren, für mehr als die Hälfte (55 Prozent) liegt der gefühlten Verschlechterung beides zugrunde.
Maas, der das Institut für Generationenforschung in Augsburg leitet, führt die Ergebnisse auf Merkels Politikstil zurück. „Sie hat die Leute in Ruhe gelassen und sie nicht mit den großen Fragen der Zeit belästigt“, erklärt er. Corona hätten die jüngeren Menschen insgesamt weitaus tapferer weggesteckt als die älteren glaubten. Als Merkel im Dezember 2021 schließlich von Scholz abgelöst wurde, kamen noch größere Fragen auf – vor allem nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. „Es ist doch ganz menschlich“, findet Maas: „Wenn es schwierig wird, sehnt man sich nach sicheren früheren Zeiten zurück. Dieses Verhalten hat jüngere wie ältere Menschen in den Merkel-Jahren geprägt.“
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