Neues Wehrdienstmodell
Düstere Aussichten für Bundeswehr wegen Rekruten-Mangel
Die künftige Regierung hat sich geeinigt, „zunächst“ auf die Wehrpflicht zu verzichten. Allerdings nimmt die Debatte um die Wehrpflicht kein Ende.
Berlin – Seit Russland den Krieg gegen die Ukraine gestartet hat, gibt es in Deutschland viele Fragen und Sorgen, was die Sicherheit des eigenen Landes angeht. Aus diesem Grund entfachte eine Debatte über die Wehrpflicht und auch die Bundeswehr wird nun ganz genau unter die Lupe genommen. Viele stellen sich die Frage: Wenn man von dem Ernstfall ausgeht, wäre die Bundeswehr kriegstauglich?
Auch für die Union und die SPD ist das ein wichtiges Themenfeld. Bis 2029 hat sich die künftige Regierung vorgenommen, die Zahl der Soldaten und Reservisten zu verdoppeln. Wie es im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, wollen Union und SPD „zunächst“ auf die Wehrpflicht verzichten. In ihrem Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD auf einen „neuen attraktiven Wehrdienst“ nach schwedischem Vorbild geeinigt. Die Union hatte ursprünglich eine Rückkehr zur Wehrpflicht verlangt.
Neues Wehrdienstmodell: Pistorius will noch dieses Jahr starten
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will mit dem neuen Wehrdienst noch in diesem Jahr starten. „Das entsprechende Gesetz ist weitgehend vorbereitet, es könnte noch dieses Jahr in Kraft treten“, sagte er dem Spiegel. Sein Ministerium könne „zügig einen Entwurf vorlegen“. Pistorius gilt als Befürworter des schwedischen, auf Freiwilligkeit basierenden, Wehrdienst-Modells. Der SPD-Politiker ist seit Anfang 2023 Verteidigungsminister und könnte auch in einer Koalition mit der Union das Amt fortführen.
Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik plädiert für die Wehrpflicht
Hans-Peter Bartels, Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, kritisierte den Widerstand gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Die Skepsis innerhalb der künftigen Regierung bezeichnet er als „aberwitzig“. Das Prinzip der Wehrpflicht sei über Jahrzehnte bewährt gewesen und habe einen festen Platz in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands: „Es ist die existenzielle Versicherung unseres Landes für den Ernstfall. Und jetzt ist es wieder ernst“, sagte Bartels der Welt.
Aus Sicht von Bartels werde die künftige Bundesregierung „nicht darum herumkommen, die 2011 ausgesetzte Pflicht gesetzlich wieder aufleben zu lassen“. Solange es kein verlässliches Konzept gebe, um den Personalbedarf rein durch Freiwillige zu decken, drohe eine „Geisterarmee“.
Vorsitzender des Bundeswehrverbands: Ohne Personalnachwuchs „wird die Bundeswehr implodieren“
Für André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbands, ist der personelle Ausbau der Streitkräfte eine der zentralen Aufgaben der kommenden Jahre. Die neuen Anforderungen der NATO würden den Druck auf die Bundeswehr zusätzlich erhöhen: „Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der neuen Nato-Fähigkeitsziele, die nochmals mehr von der Truppe abfordern werden.“
Klappe der Personalnachwuchs nicht, so Wüstner, „wird die Bundeswehr in der nächsten Legislaturperiode implodieren. Immer mehr Aufträge mit immer weniger Personal – das ist schlicht nicht mehr leistbar“, sagte Wüstner der Welt. Auch einer möglichen Rückkehr zur Wehrpflicht steht Wüstner offen gegenüber. Sie sei nicht als Weg in den Krieg zu verstehen, sondern erfülle vielmehr eine sicherheitspolitische Funktion: Sie diene im Gegenteil der Abschreckung und damit einem Leben in Frieden und Freiheit.
Bundeswehr plant die Personalstärke auf 460.000 Soldaten bis zum Ende des Jahrzehnts zu erhöhen
Die Bundeswehr plant, ihre Personalstärke in den kommenden Jahren deutlich zu erhöhen. Ziel ist es, bis zum Ende des Jahrzehnts insgesamt 460.000 Soldatinnen und Soldaten zu erreichen – davon 200.000 im aktiven Dienst sowie 260.000 in der Reserve. Dafür sollen zunächst jährlich 5.000 zusätzliche freiwillige Rekruten gewonnen werden. Mit dem schrittweisen Ausbau der Ausbildungs- und Unterbringungskapazitäten soll diese Zahl kontinuierlich steigen.
Besonders im Bereich der Reserve besteht erheblicher Nachholbedarf. Nach Angaben der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) lag der Bedarf an Reservistinnen und Reservisten im Jahr 2024 bei etwa 90.000. Tatsächlich konnten jedoch nur rund 50.000 beordert werden. (jal/dpa)