Wehrpflicht - Bereit für Gleichberechtigung?
Das neue Wehrdienst-Modell: Ein Blick in die Zukunft der Bundeswehr
Mit dem von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius im Juni vorgestellten Wehrdienst-Modell soll die Bundeswehr personell aufgestockt werden. Männer und Frauen ab 18 Jahren erhalten einen Fragebogen zum Ausfüllen zugesendet, für Frauen ist das Ausfüllen freiwillig. Ist es Zeit für eine Grundgesetzänderung?
Rosenheim/Berlin – Seit nun über zwei Jahren herrscht Krieg in Europa. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hält sich länger, als so manch einer erwartet hätte. Die Bundesrepublik unterstützt mit Waffenlieferungen, Ausrüstungen und dergleichen seit den Anfängen des Krieges. Hinsichtlich einer möglichen Verteidigung der NATO-Partner gegen einen Angriff Russlands blickt man – verständlicherweise -, auf die eigenen Streitkräfte im Land, welche im Notfall einen Angriff verteidigen sollen.
Ein Blick auf die Bundeswehr zeigt: Es gibt Handlungsbedarf, und davon reichlich. Nachdem die Politik die deutschen Streitkräfte jahrelang vernachlässigt hat, steht diese vor einer riesigen finanziellen und organisatorischen Herausforderung. Neben Infrastruktur, neuer Ausrüstung und Munition sind vor allem die personellen Defizite anzugehen. Dazu stellte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius das neue Wehrdienst-Modell im Juni vor.
Setzt auf Freiwilligkeit und Motivation
Das neue Wehrdienstmodell soll auf Motivation und Fähigkeit, aber vor allem Freiwilligkeit beruhen. Männern und Frauen ab 18 Jahren wird ein Fragebogen zugesendet. Inhalt dessen sind Fragen zur eigenen Motivation für den Dienst in der Bundeswehr, Fragen zur Persönlichkeit und allgemeine Angaben zur Person (angelehnt an das schwedische Modell).
Ziel ist es, jährlich bis zu 5.000 Soldaten auszubilden und zeitgleich damit die Reserve aufzustocken. Durch diese Maßnahme soll, bis zum Jahr 2029, die Bundeswehr dadurch 200.000 aktive Soldaten verzeichnen. Stand Mai 2023 verzeichnet die Bundeswehr circa 182.000 aktive Soldaten.
Männer werden dazu verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen, für Frauen bleibt dies hingegen freiwillig. Doch was ist der Grund hierfür?
Notwendige Änderung im Grundgesetz
Im Artikel 12a GG heißt es wie folgt: „Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.“
Möchte man also Frauen gleichermaßen zu einem Dienst verpflichten, so muss dies der Bundestag mehrheitlich befürworten.
Ist das überhaupt sinnvoll?
Das schwedische und israelische Militär im Vergleich
Laut einer Studie von Statista sind in Schweden (Stand März 2024) 21 Prozent der Soldaten in der „schwedisch Försvarsmakten“ - der schwedischen Verteidigungsstreitmacht - weiblich.
In den israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) sind es sogar 33 Prozent (Stand 2021). Darunter auch zahlreiche Stabsoffiziere.
Die Gemeinsamkeit: Sowohl Männer als auch Frauen sind zum Wehrdienst verpflichtet. Der Anteil von Soldatinnen in der Bundeswehr liegt hingegen bei 13,43 Prozent (Stand 2023).
Es zeigt sich also, dass verschiedene Streitkräfte immer mehr Frauen an Zuwachs erhalten.
Doch brauchen wir mehr Frauen in der Bundeswehr? Und ist eine allgemeine Wehrpflicht sinnvoll?
Erfahrungswerte - Die Bundeswehr und ihre Power-Frauen
Als Soldat, welcher seit über zwei Jahren in der Bundeswehr dient, hatte ich das Vergnügen, Kameradinnen und Kameraden aus ganz Deutschland kennenzulernen. Und eins kann ich mit Sicherheit und reinen Gewissens behaupten:
In der Bundeswehr habe ich so einige Power-Frauen kennengelernt, bei denen so manch ein Kamerad neidisch geworden wäre. Seien es saubere Schießleistungen, starke sportliche Leistungen und hinsichtlich Klugheit und Intelligenz.
Zwei Beispiele hierfür: Im Jahr 2023 wurde eine Offizieranwärterin der Artillerietruppe als beste Lehrgangsteilnehmerin vom General der Artillerietruppe ausgezeichnet.
Zudem, ebenfalls im Jahr 2023, wurde eine Kameradin als beste Offizieranwärterin des 92. Offizieranwärterjahrgangs, vom Leiter der Offiziersschule des Heeres, mit dem Stauffenberg-Preis ausgezeichnet.
Wohlgemerkt: Die Beste unter allen Soldatinnen und Soldaten in ihrem Heeresjahrgang!
Zusammen für eine starke und verteidigungsfähige Armee
In einer Zeit, wo die Gleichstellung zwischen Mann und Frau an der Tagesordnung steht und stetig dafür gekämpft wird, ist es nicht nur moralisch gleichwertig beide Geschlechter in die Pflicht zu nehmen, sondern auch personell wäre dies eine immense Stütze für die Bundeswehr.
Der negative Aspekt: Es dauert. Und das vermutlich zu lange. Denn bis das Grundgesetz angepasst wird, vergeht Zeit.
Zeit, in denen zukünftige Soldaten ausgebildet werden können. Daher ist das Wehrdienst-Modell ein erster guter Ansatz, der sich in Richtung einer allgemeinen Wehrpflicht bewegt.
Wichtig ist natürlich die Motivation für einen angehenden Soldaten und ein Interesse an dem Beruf. Die Behauptung, dass Frauen für das Militär ungeeignet seien, ist für mich nicht haltbar. Denn die genannten Kameradinnen haben mit Bravour das Gegenteil bewiesen.
Im Verteidigungsfall sollte bei dem Geschlecht hierbei keine Selektion stattfinden. Demokratie geht uns alle etwas an. Gerade in einer Zeit, wo ein Krieg in Osteuropa allgegenwärtig ist und die deutschen Streitkräfte mehr Unterstützung benötigen, als je zuvor. (ae)